Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

70 Jahre Landsmannschaft: die Anfänge

Dr. Matthias (Matz) Hoffmann wurde auf der Gründungsversammlung der Landsmannschaft zu deren Vorsitzendem gewählt. Er übte dieses Amt bis 1953 aus.

Handschriftliche Aufzeichnungen von Hans Diplich über den Ablauf der Gründungsversammlung auf einem gefalteten Blatt Papier.

Die Eintragung des Verbandes ins Vereinsregister des Amtsgerichts München erfolgte am 24. Januar 1951.

Die Kirchliche Hilfsstelle in München bot den organisatorischen Rahmen zur Schaffung landsmannschaftlicher Strukturen.

 

Gründung der Landesstelle Württemberg-Baden in Stuttgart

Interessant ist das handschriftliche Protokoll einer weiteren Gründungsversammlung, und zwar jener der „Landsmannschaft der Banater Schwaben aus Rumänien in Deutschland e.V.“, Landesstelle Württemberg-Baden, die bereits am 4. März 1950 in der Brauereigaststätte Wulle in Stuttgart abgehalten wurde. Hierzu eingeladen hatte ebenfalls Hans Diplich, der aus München angereist war und die Versammlung leitete. Das Protokoll gibt Auskunft darüber, dass Hans Diplich die Notwendigkeit einer Landsmannschaft begründete, mehrere Landsleute die Forderung nach „einer eigenen Landsmannschaft“ bekräftigten. Auf den ersten Blick irritierend ist der Satz im Protokoll, dass Hans Diplich „von der Landsmannschaft der Banater Schwaben aus Rumänien in Deutschland e.V., München“ berichtete und „deren Satzungen“ vorgelesen habe.

 

Zu diesem Zeitpunkt war sie nämlich noch nicht offiziell gegründet, es liefen aber wohl die Vorbereitungen hierfür. Die Landsleute in Stuttgart waren „mit den vorgelesenen Satzungen einverstanden und stimmten einmütig ihrer Annahme und der Gründung der Landsmannschaft zu“. Die Versammlung wählte einen Vorstand, der aus folgenden Personen bestand: Vorsitzender Michael Schädt sen. (1904-1973) aus Kleinjetscha, Stellvertretender Vorsitzender Dr. Hans Dürr (1911-1991) aus Mercydorf, Schriftführer Michael Schädt jun. (1928-?) aus Kleinjetscha, Kassenwart Hans Habich (1907-1984) aus Gataja, aufgewachsen in Großkomlosch, Beisitzer Adalbert Glatt, Anny Geißler und Anton Kraus. Die Versammlung beschloss, am 6. Mai eine weitere Versammlung einzuberufen, um den „endgültigen Vorstand“ zu wählen. Dann sollte auch ein Mitgliedsbeitrag beschlossen und bis dann eine Beitrittserklärung angefertigt werden. Leider gibt es in besagter Mappe darüber keine Hinweise mehr. Auch nicht über einen Eintrag in das Vereinsregister.

Die Gründungsmitglieder der Landsmannschaft in Stuttgart waren: Michael Schädt sen., Stuttgart, Anny Geißler, Stuttgart, Maria Barth, Stuttgart, Anton Kraus, Stuttgart, Michael Schädt jun., Stuttgart, Nikolaus Merle, Tübingen, Adalbert Glatt, Stuttgart, Josef Fackelmann, Stuttgart, Josef Beller, Grumbach, Kilian Hatzelhoffer, Stuttgart, Johann Fackelmann, Stuttgart, Hans Habich, Stuttgart, Dr. Hans Dürr, Stuttgart, Stefan Kempf, Neckargröningen, Stefan Jung, Ellwangen, Kaspar Breuer, Stuttgart. „Schriftliche Einverständnisse“ geschickt hatten Josef Michels, Göppingen, und Adalbert Bach, Willsbach. „Mündliche Einverständnisse“ ließen Hans Mengay und Johann Mathis ausrichten.

Die Vorläufer: der „Banater Ausschuss“, gegründet 1947

Vorläufer der Landsmannschaft der Banater Schwaben war der „Banater Ausschuss“, den am Sonntag, 14. September 1947, in Augsburg acht Banater Schwaben bildeten. Dazu eingeladen hatte der Kaufmann und ehemalige Direktor der Genossenschaft „Agraria“ Peter Ludwig. Gekommen waren: Franz Besinger (1905-1964), Diplomkaufmann und ehemaliger Parlamentarier aus Franzfeld; Adam Billo sen. (1897-1973), Lehrer aus Mercydorf; Peter Blickling (1909-1981), Rechtsanwalt aus Uiwar; Dr. Mathias Hoffmann (1891-1957), Arzt aus Gertianosch; Dr. Franz Muth (1905-1979), Lehrer und Lyriker aus Temeswar, Sohn des bekannten Juristen und Parlamentariers Dr. Kaspar Muth; Michael Neurohr (1887-1964), Landwirt und Kreisrat aus Grabatz; Anton Rothschink (1903-1960), ehemaliger Direktor der Landwirtschaftlichen Zentralgenossenschaft Temeswar aus Gertianosch. Verhindert, aber die Gründung eines Banater Ausschusses bejaht hatten: der Arzt Dr. Josef Angele (1906-1994) aus Arad, Pfarrer Hans Benz (1910-1985) aus Sanktandres, der Bauer Franz Jakob Burger (1909-1990) aus Warjasch, Hans Diplich, der Tierarzt Dr. Michael Kappes aus Sanktanna, Hans Reiner, der Kunsterzieher und Bildhauer Sebastian Rotsching (1898-1971) aus Gertianosch, der Kinderarzt Dr. Ernst Sauer (1905-1988) aus Grabatz, Michael Scheibling, der Jurist Michael Stocker (1911-2003) aus Deutsch-Stamora und der Gymnasiallehrer Matthias Weber (1913-1981) aus Sanktandres.

Der Ausschuss der acht Banater Schwaben beriet über die Situation unserer Gemeinschaft am Ende des Zweiten Weltkriegs und verfasste ein acht Punkte umfassendes Aktionsprogramm. Es sei hier vollständig wiedergegeben:

1. Erfassung der Banater Schwaben und Errichtung einer Kartei.

2. Beratung und Hilfe. Zweckmäßige, menschenwürdige Unterbringung. Einbau unserer Landsleute nach Vorbildung und Befähigung.

3. Kulturelle und religiöse Betreuung.

4. Aufnahme von Verbindungen in die Vereinigten Staaten, Kanada, Argentinien usw. zum Zwecke materieller Hilfe und etwa möglicher Auswanderung.

5. Fühlungnahme mit gleichartigen Organisationen aus dem Südosten.

6. Klärung von vermögensrechtlichen Fragen in der alten Heimat.

7. Klärung der Lage unserer Kriegsgefangenen und sog. „Arbeitsdienstverpflichteten“, Erwirkung ihrer baldigen Entlassung und Betreuung.

8. Herausgabe eines Informationsblattes.

Nun muss man wissen, dass es 1947 den Vertriebenen in den Besatzungszonen in Deutschland noch verboten war, Verbände oder Zeitungen zu gründen. Es musste deshalb ein organisatorischer Rahmen gefunden werden, innerhalb dessen im Sinne dieses Aktionsprogramms gewirkt werden konnte. Man fand ihn in der „Kirchlichen Hilfsstelle“ in München, einer Einrichtung, die bereits 1943 als Nebenorganisation des Reichsverbandes für das katholische Deutschtum im Ausland und Sekretariat des Bistums Osnabrück gegründet und mit der Betreuung des katholischen Klerus in den besetzten Ostgebieten beauftragt worden war. Nach dem Krieg trug die Kirche den neuen Verhältnissen Rechnung und richtete am 6. Oktober 1945 auf Betreiben von Msgr. Albert Büttner die Kirchliche Hilfsstelle München als Zweigstelle der Zentrale der Kirchlichen Hilfsstelle in Frankfurt/Main unter dem Protektorat des Erzbischofs von Osnabrück Wilhelm Berning (1877-1955) ein. Sie sollte sowohl den Klerus innerhalb der deutschen Flüchtlinge als auch im Osten erfassen und betreuen, eine Flüchtlingsseelsorge aufbauen, aber auch Hilfe und Beratung zur Lösung der Probleme der Flüchtlinge und Vertriebenen anbieten, einen Suchdienst aufbauen und die Flüchtlinge kulturell und seelsorgerisch betreuen. Geleitet wurde sie von drei Sudetendeutschen, Dr. Richard Mai, Hans Schütz (1901-1982, Mitglied des Deutschen Bundestages von 1949 bis 1963, Bayerischer Sozialminister von 1964 bis 1966) und dem Augustinerpater Dr. Paulus Sladek (1908-2002, Dr. habil. theol.). Besonders letzterer kümmerte sich auch um die seelsorgerische Betreuung der Deutschen aus Südosteuropa, deren Kleriker in der großen Mehrheit in den Heimatgebieten verblieben, zum Teil interniert waren.

Anfänglich nur auf die Sudetendeutschen ausgerichtet, lenkte die Kirchliche Hilfsstelle ab 1947 durch die Anstellung von Vertretern der Schlesier, der Ungarndeutschen, der Deutschen aus Jugoslawien und mit Hans Diplich auch der Banater Schwaben ihr Betreuungsfeld auf weitere ost- und südostdeutsche katholische Flüchtlinge. Einige der Angestellten waren Kleriker, andere, wie Hans Diplich, setzten auf kulturellem Gebiet in der Hilfsstelle starke Akzente. Diplich betreute in dem seit August 1949 erscheinenden Wochenblatt „Volksbote“ die Ausgabe für Donauschwaben und Karpatendeutsche, er redigierte den ab 1949 erscheinenden „Volkskalender für Heimatvertriebene aus dem Südosten“, er gestaltete die Monatsschrift „Christ unterwegs“ mit, hielt Vorträge und veröffentlichte in weiteren Publikationen. Darüber hinaus war es ihm möglich, von hier aus die organisatorischen Grundlagen zur Entwicklung landsmannschaftlicher Strukturen der Banater Schwaben zu schaffen.

Hans Diplichs Tätigkeit bei der Kirchlichen Hilfsstelle in München

Die Geschäftsstelle der Kirchlichen Hilfsstelle befand sich in der Äußeren Prinzregentenstraße Nr. 12 in München, ab dem 1. Juli 1949 in der Schubertstraße Nr. 2. In dieser Zeit hatte sie 23 feste Mitarbeiter, Diplich war der einzige angestellte Banater Schwabe. Doch schon im März 1950 wurde sie aufgelöst. Aus ihr ging das „Kirchliche Hilfswerk“ hervor, dem Pater Paulus Sladek vorstand. Die südostdeutschen Katholiken mit den beiden Banater Schwaben Jakob Wilhelm und Hans Diplich gründeten die Interessengemeinschaft Südostdeutscher Katholiken. Aus ihr ging am 29. April 1952 der eingetragene Verein „Arbeitskreis Südostdeutscher Katholiken“ hervor. Drei Jahre später, 1955, benannte sich der Arbeitskreis auf Vorschlag von Hans Diplich in „Gerhardswerk“ um, weitere zwei Jahre später verlegte es seinen Sitz nach Stuttgart, wo es heute noch wirkt. Über die landsmannschaftliche Tätigkeit von Hans Diplich in der Kirchlichen Hilfsstelle gibt es zahlreiche Selbstzeugnisse und Aussagen von Weggefährten und natürlich auch die Akten selbst, die sich im Bundesarchiv in Koblenz befinden.

Über die allgemeine Lage der Banater Schwaben in Deutschland am Ende des Zweiten Weltkrieges gibt ein Aufruf „An die Banater Schwaben aus Rumänien“ von Dr. Matz Hoffmann Auskunft, der in dem von Hans Diplich zusammengestellten und redigierten „Volkskalender für Heimatvertriebene aus dem Südosten 1949“ auf Seite 100 ff. abgedruckt ist. Nach einem einleitenden Teil, in dem das Suchen und Finden von Heimat in der Begegnung mit Landsleuten und in der Gemeinschaft beschrieben wird, erläutert Hoffmann die näheren Umstände der Gründung und die Aufgaben des Banater Ausschusses. Jeder „kämpft um die nackte Existenz“, „wir suchen einen Ausweg aus der Unsicherheit“, „die letzten Entscheidungen liegen nicht in unseren Händen“, aber im Rahmen „der Lösung des südostdeutschen Problems“ würden wir „eines Tages als Banater Schwaben aufgerufen und müssen Rede und Antwort stehen“. Deshalb benötige man eine Organisation, „die für uns alle dasteht“. Zwar wurde erkannt, dass die gegenwärtigen Probleme sehr schwer zu lösen seien, „weil wir so bitter arm und so machtlos sind“, trotzdem sah man in der Gründung einer Organisation der Banater Schwaben viele Vorteile. Die Gründung angeregt und dazu eingeladen hatte Peter Ludwig, als Geschäftsführer fungierte Hans Diplich, Angestellter der Kirchlichen Hilfsstelle, deren Räume auch „Heim“ des Banater Ausschusses waren. Dr. Matz Hoffmann schreibt, was der Ausschuss nicht kann: „nicht jedem ein Paket aus Amerika vermitteln, den Weg in die Heimat ebnen, eine Fahrkarte nach Frankreich oder eine Schiffskarte nach Argentinien oder USA besorgen“. Was aber gemacht werden solle, entspricht den eingangs erwähnten acht Punkten des Aktionsprogramms des Banater Ausschusses: restlose Erfassung der Banater Schwaben, Beschaffung verlässlicher Informationen aus dem Banat, Beschaffung von Informationen über Auswanderungsmöglichkeiten nach Übersee und in europäische Länder, Klärung von Siedlungsfragen, aber auch religiöse und kulturelle Betreuung. Eine einheitliche Vorgehensweise für „eine geschlossene Heimreise“ oder eine „geschlossene Siedlung“ sei nicht möglich, weil ein solches Versprechen nicht eingelöst werden könne.

Der Ausschuss sei sich der fehlenden demokratischen Legitimation bewusst gewesen, schreibt Dr. Matz Hoffmann, allein aufgrund der Zerstreutheit der Landsleute wäre das Abhalten einer Volksversammlung unmöglich gewesen. Man fühle sich verantwortlich und wolle helfen, lautete das Fazit. Der Aufruf endete mit einem Appell an die Fähigkeiten und guten Tugenden der Banater Schwaben, die den Beweis des „Bestehen(s) hier in bitterer Not und Verlassenheit“ erbrachten und für die es auch „noch eine Auferstehung“ gäbe.