zur Druckansicht

In unserer kleinen Banater Welt viel bewegt

Helmut Schneider (1931-2019). Foto: Archiv BP

Man kann die Geschichte der Deutschen im Banat in der Zeit um und nach der politischen Wende von 1989 nicht schreiben, ohne die Leistung des Hilfswerks der Banater Schwaben unter der Leitung von Helmut Schneider zu berücksichtigen. Der 1931 in Temeswar geborene Diplom-Ingenieur Helmut Schneider hat mit dem Hilfswerk der Banater Schwaben  eine Einrichtung geschaffen, die massiv Hilfsgüter ins Banat brachte, die dort Altenheime und Sozialstationen baute sowie die Einrichtung „Essen auf Rädern“ schuf und letztlich auch in Deutschland das Seniorenzentrum „Josef Nischbach“ mit einem Pflegebereich und drei Häusern für „Betreutes Wohnen“ errichtete. Zusammengefasst leben in diesen Heimen 280 Menschen. Weitere rund 400 Personen werden mit „Essen auf Rädern“ versorgt oder erhalten ein Mittagsmahl in einem der Heime. Helmut Schneider war nach der Wende im Auftrag des Bundes-innenministeriums nicht nur mit der Schaffung von dauerhaften Sozialeinrichtungen für die im Banat verbliebenen Deutschen beschäftigt, sondern auch mit  dem Aufbau und der Ausstattung mehrerer Ortsforen der Deutschen im Banat.

Schneider hat schon als Heranwachsender die durch die Herrschaft der Kommunisten verursachte Not in der vormaligen Wohlstandsregion Banat erlebt. Seine Familie wurde politisch verfolgt, die Großeltern waren in die Bărăgansteppe verschleppt, seine Eltern wurden enteignet und in die Bukowina verbannt. Auf sich allein gestellt, schaffte der vormalige Banatia-Schüler dennoch mit einem vorzüglichen Staatsexamen seinen Ingenieur-Abschluss an der Technischen Universität Temeswar. Schneider war als Konstrukteur im Maschinenbau sehr erfolgreich, hundertfach standen von ihm entwickelte Baukräne auf Baustellen und in Schwarzmeerhäfen.

Helmut Schneider war auch als Kunstfotograf sehr erfolgreich. Er gewann viele Preise in Rumänien und stellte auch im Ausland aus. Die Photografic Society of America führte ihn von 1972 bis 1977 als erfolgreichsten rumänischen Kunstfotografen, auf der weltweiten Rangliste der Kunstfotografen stand er auf Platz 50.

Eines seiner weiteren Betätigungsfelder war das Theater. Unter der Leitung von Dr. Hans Weresch spielte er zunächst als Schüler, später als Student in der Theatergruppe des Deutschen Lyzeums. Die Laienspielgruppe führte deutsche Klassiker auf und fand damit großen Anklang beim Publikum. Sie kann als Vorläufer des 1953 gegründeten Deutschen Staatstheaters in Temeswar betrachtet werden.

Obwohl beruflich sehr erfolgreich, konnte sich Helmut Schneider mit dem herrschenden politischen System nicht abfinden. Schon 1960 lernte er die Keller der Securitate, der rumänischen Staatssicherheit, und deren Verhörmethoden kennen. Mit seiner Familie entschloss er sich 1964, einen Antrag zur Ausreise aus Rumänien zu stellen. Es folgten der Verlust der Arbeitsstelle, unendliche Verhöre, viele Schikannen. Mehrmals wurde er zusammengeprügelt. Da 17 Ausreiseanträge und mehrere Vorsprachen erfolglos geblieben waren, entschied sich das Ehepaar Schneider anfangs 1979 in Hungerstreik zu treten. Unterstützt durch den Sender „Radio Free Europe“ und einer Gruppe von Freunden wurde öffentlicher Druck aufgebaut, der die Securitate schließlich zum Nachgeben zwang. Helmut Schneider konnte mit seiner Frau und seinen beiden Kindern im August 1979 aus Rumänien ausreisen. Die Familie fand in Schwabach ein neues Zuhause und Arbeit.

Schon gleich nach der Ankunft in Deutschland trat Helmut Schneider der Landsmannschaft der Banater Schwaben bei und war von Anfang an bereit, sich für deren Ziele einzusetzen. So gründete er den Kreisverband Schwabach, wurde stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Bayern, Mitglied im Bundesvorstand der Landsmannschaft und deren heimatpolitischer Sprecher. Als es dann 1985 zur Gründung des Hilfswerks der Banater Schwaben kam, übernahm er dessen Vorsitz.

Mit Sachverstand, Geschick und Ausdauer gelang es ihm, in relativ kurzer Zeit eine leistungsfähige Einrichtung aufzubauen, die das Vertrauen der deutschen Behörden gewann. So vermittelte das Hilfswerk gleich nach der politischen Wende in Rumänien Hilfsgüter im sechsstelligen DM-Bereich. Fast zwangsläufig folgte der Auftrag des Bundesinnenministeriums, Einrichtungen für dauernde Hilfen im Banat zu schaffen. Unter der Leitung von Helmut Schneider wurde schon 1991 das Heim in Bakowa eingerichtet, zwei Jahre später folgte jenes in Sanktanna. 1994 konnten die Sozialstationen in Großsanktnikolaus und Billed ihren Betrieb aufnehmen. Mit dem 1992 begonnenen und 1994 fertiggestellten Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus in Temeswar entstand ein modernes Altenheim mit einem Kulturzentrum der Deutschen im Banat. Die Leitung dieses Großprojekts – von der Planung, Abschluss der Bauverträge, Einholung der Baugenehmigung über die Beschaffung von Einrichtungen aus Deutschland und Bauabnahme bis hin zur Mittelbeantragung und -abrechnung – lag in den Händen von Helmut Schneider. Dazu kam 1997 der Bau des Josef-Nischbach-Hauses mit einem Pflegeheim und drei Häusern für „Betreutes Wohnen“ in Ingolstadt. Diese Leistung erforderte viel Kraft, Energie und Zeit. Es war für die Verhältnisse des Hilfswerks eine enorme Leistung, die ehrenamtlich erbracht wurde.

Sucht man nach der Motivation für dieses beispiellose Engagement, findet man die Antwort in einem Brief, den Helmut Schneider seinerzeit an Adalbert Millitz, hauptamtlicher Funktionär beim Zentralkomitee der Rumänischen Kommunistischen Partei und Sekretär des Landesrates der Werktätigen deutscher Nationalität in der Sozialistischen Republik Rumänien, richtete. Dieser beginnt mit den Satz: „Ich bin Banater Schwabe und dadurch lag der Fluch des verlorenen Krieges auf mir, als ich das Jünglingsalter erreichte“. Ein klares Bekenntnis, das Schneiders Verbundenheit mit seiner Volksgruppe und deren Schicksaal zum Ausdruck bringt. Dass ihm seine Heimat und seine Landsleute viel bedeuteten, dass ihm die Männer mit Arbeitsschwielen an den Händen und die Frauen mit Kopftüchern nahestanden, zeigt eindrucksvoll sein 1986 erschienener Bildband „Das Banat. Bilder, Geschichte, Erinnerungen“.

Der Grieche Archimedes soll gesagt haben, „Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln“. Helmut Schneider hat die Welt nicht aus den Angeln gehoben, aber er hat in unserer kleinen Banater Welt viel bewegt. Er hat vielen Menschen geholfen, ihnen Licht und Wärme geschenkt. Dabei stand sein gesamtes Wirken auf vier festen Säulen: Bei seiner Familie fand er Halt und Verständnis. Seine Liebe zu seiner Heimat und zu seinen Landsleuten war Grundlage seines außergewöhnlichen Einsatzes. Hinzu kommt sein Bekenntnis zur großen deutschen Kulturnation, der er sich zugehörig fühlte. Schneider war ein deutscher Patriot im guten Sinne. Und nicht zuletzt baute er auf Gottes Beistand, nach einem Ausspruch von Adam Müller-Guttenbrunn, den er sehr verehrte: „Was ihr für euer Volk tut, ist ein Dienst Gottes“.

Helmut Schneider fand für seine Leistung Anerkennung in unseren Reihen und in der Öffentlichkeit. So wurde er von Bundespräsident Roman Herzog 1995 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Seine Geburtsstadt Temeswar verlieh ihm die Ehrenbürgerwürde und die Landsmannschaft der Banater Schwaben ehrte ihn mit ihrer höchsten Auszeichnung, der Prinz-Eugen-Nadel.

Helmut Schneider wurde am 7. August auf dem Schwabacher Waldfriedhof unter Teilnahme vieler Trauergäste zur letzten Ruge gebettet. Die Trauerandacht mit anschließender Beisetzung fanden unter der Leitung von Heimatpriester Monsignore Andreas Straub statt, assistiert von Dekan Alois Vieracker. In seiner Predigt würdigte Monsignore Straub Schneiders Verdienste um die Banater Schwaben. Die Grabrede hielt der Ehrenvorsitzende des Hilfswerks Peter Krier. Eine würdevolle Umrahmung der Beisetzung bot ein Bläserduo unter der Leitung von Hans Eichinger.

Wir trauern mit seiner Familie um einen Landsmann, der sich um unsere Gemeinschaft bleibende Verdienste erworben hat. Möge er in Frieden ruhen.