Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

Der Tag der Heimat hat Zukunft

BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius (links) begrüßt (von links) Ministerpräsident Armin Laschet, den Bayerischen Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien sowie Leiter der Staatskanzlei Dr. Florian Herrmann MdL und den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, BdV-Vizepräsident Stephan Mayer MdB, beim Tag der Heimat 2019 in Berlin. Foto: BdV/bildkraftwerk

Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Armin Laschet hielt die Festrede zum Tag der Heimat 2019. Foto: BdV/bildkraftwerk

Blumengesteck der Landsmannschaft der Banater Schwaben. Foto: Martina Tschauder

„Menschenrechte und Verständigung – Für Frieden in Europa“: Unter diesem Leitwort kamen am 31. August zum 70. Mal viele deutsche Heimatvertriebene und Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler aus ganz Deutschland sowie Angehörige der deutschen Minderheiten aus den Heimatgebieten in Berlin zur zentralen Auftaktveranstaltung zum Tag der Heimat des Bundes der Vertriebenen zusammen.

Als Festredner begrüßte BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. Dr. Thies Gundlach, Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland, sprach das geistliche Wort und Gedenken. Viele hochrangige Gäste aus der Politik und dem Diplomatischen Corps waren gekommen. Musikalisch untermalt wurde die Veranstaltung von den Potsdamer Turmbläsern unter Bernhard Bosecker sowie vom Chor des Deutschen Freundschaftskreises Broschütz (Brożec) im Oppelner Schlesien, „Brosci Chorus“, unter Ewa Magosz.  

Wegweisende Charta der deutschen Vertriebenen

Bezugnehmend auf das diesjährige Motto, zeichnete Ministerpräsident Laschet die deutschen Vertriebenen in einem besonderen Spannungsfeld. So hätten zwischen dem Kriegsausbruch vor 80 Jahren, am 1. September 1939, und der Verkündung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen am 5. August 1950 nur elf Jahre gelegen. In diesen elf Jahren sei Europa von zwei Diktatoren aufgeteilt worden, habe Deutschland einen schrecklichen Krieg begonnen, hätten zwölf Millionen Deutsche nach Flucht und Vertreibung im Nachkriegsdeutschland aufgenommen werden müssen – und hätten sich dennoch bereits 1950 mit ihrer Charta gegen Rache und Vergeltung, für den Wiederaufbau Deutschlands und für ein freies und geeintes Europa ausgesprochen.

„Was muss es wohl für Menschen, die Flucht und Vertreibung erlebt haben, die schreckliches Leid erlebt haben, bedeutet haben, wenn sie im politischen Streit als Revanchisten oder was auch immer diffamiert worden sind?“, fragte Laschet dann rhetorisch, mit einem Blick auf die 1970er und 1980er Jahre. Erst durch die Balkankriege in den 1990er Jahren und die damaligen Kriegsflüchtlinge sei ein Prozess in Gang gekommen, durch den auch auf die eigenen Opfer von Flucht und Vertreibung ein neues Licht geworfen wurde. Dies sei wichtig, denn man dürfe nicht so tun, als seien die Vertreibungen eine notwendige Folge des Zweiten Weltkrieges und die Vertriebenen seien selbst schuld daran.  

„Nein“, so der Ministerpräsident, „die, die da vertrieben wurden, sind gar nicht schuld. Sie sind Opfer eines Krieges, den andere angefangen haben. Und wir dürfen auch nicht zulassen, dass das quasi als selbstverständlich beschrieben wird, dass die nun halt als Opfer am Ende vertrieben worden sind. (…) Aber das wurde bei uns so vermittelt.“

Arbeit der Vertriebenen beispielhaft

Darum sei es gut, dass das Gedenken an Flucht und Vertreibung heute ohne Anfeindungen begangen werden könne. „Diese Erinnerung ist wichtig, wenn man will, dass das nie wieder passiert“, betonte Laschet. Ebenso wichtig sei es wahrzunehmen und anzuerkennen, was die deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedler an Eigenleistung für die Eingliederung sowie an Einsatz für die grenzüberschreitende Verständigung erbracht hätten. Ihr Schicksal und ihre fortwährende
Arbeit seien gleichermaßen beispielhaft für die heutigen Integrationsherausforderungen in Deutschland wie sie einen wichtigen Beitrag für den Frieden in Europa leisteten.

An einigen Punkten verdeutlichte der Ministerpräsident im Folgenden, was die nordrhein-westfälische Landesregierung seit seinem Amtsantritt dafür tut, die Arbeit der Vertriebenen und Spätaussiedler zu unterstützen, die Erinnerungen zu sichern und die Kultur zu erhalten. Dabei mahnte er, dass die Übernahme und der Erhalt von Patenschaften über Landsmannschaften und Regionen selbstverständlich dazugehören müssten und hob auf die seit 1957 bestehende Patenschaft seines Landes über die Oberschlesier und die Siebenbürger Sachsen ab. Außerdem sei mit Heiko Hendriks zum ersten Mal ein eigener Landesbeauftragter für diese Anliegen benannt worden.

Aus allen diesen Gründen sei er sich sicher, dass der Tag der Heimat Zukunft habe und dass es immer wieder Tage der Heimat geben werde: „Tage der Heimat, die traurig sind, wenn man an die sinnt, die ihr Leben verloren haben, ihre Heimat verloren haben. Tage der Heimat, die aber auch, ja, Anlass zur Freude sind und zum Feiern sind, weil so vieles so gut gelungen ist.“

Tag der Heimat und nationaler Gedenktag 

Aus der Ansprache des Präsidenten des Bundes der Vertriebenen, Dr. Bernd Fabritius, wurde zunächst deutlich, dass der nationale Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 20. Juni mit dem Tag der Heimat des Bundes der Vertriebenen ein Bedingungsgefüge bildet. Der Gedenktag sei „für alle Vertriebenen und Spätaussiedler, für den Bund der Vertriebenen genauso wie für die zwanzig Landsmannschaften, die Mitglied im BdV sind, die sprichwörtliche ‚Luft zum Atmen‘“. Was Naziterror und Zweiter Weltkrieg, aber auch die Vertreibungen und ethnischen Säuberungen an Schrecken bedeutet hätten, was die Betroffenen, aber ebenso „Kinder und Enkel als Trauma-Gepäck mitbekommen haben, das alles hat unsere gesamte Gesellschaft kollektiv geprägt – und das darf und soll sich nicht wiederholen“. Dafür ständen die deutschen Heimatvertriebenen. 

Weil gleichzeitig das Bewusstsein für diese Verantwortung in Deutschland steige und der eigenen Opfer am 20. Juni wahrhaft und einfühlsam gedacht werde, könne man nun am Tag der Heimat verstärkt nach vorn schauen. Schließlich biete er die Chance „zur Begegnung, zum Austausch, zu einer gemeinschaftlichen Reflexion über Heimat, über Werte und Zusammengehörigkeit in einer Schicksalsgemeinschaft, die aus kollektivem Leid entstanden ist. Das alles ist heilsam, auch nach vielen Jahrzehnten“, erklärte Fabritius und erinnerte an die Tabuisierung von Vertriebenenschicksalen in der DDR sowie an die Negativbeispiele der Neuen Ostpolitik Willy Brandts, im Zuge derer die Vertriebenen marginalisiert und in einen tabubewehrten Graubereich abdrängt worden seien.

Grenzüberschreitende Perspektiven

Im Gedenken an die Vertreibungen, in der Erinnerung an die Heimat und in der Pflege und der Weiterentwicklung des kulturellen Erbes ergäben sich heute grenzüberschreitende Perspektiven – auch, da dies am besten mit den in der Heimat lebenden Menschen gelinge, so Fabritius. „Gemeinsames Gestalten eines Miteinander unter dem gemeinsamen Dach Europa, in dem sich freundschaftlich verbunden alle Völker und Ethnien wiederfinden“, bleibe das Ziel der ausgestreckten Hand der Vertriebenen und Spätaussiedler und sei ein möglicher Weg, auch zukünftige Generationen für diesen Einsatz zu begeistern.

Sichtbar werde dieses Miteinander schon jetzt in der grenzüberschreitenden und friedenstiftenden Arbeit der BdV-Verbände und der Landsmannschaften, betonte der BdV-Präsident und wies etwa auf die Heimattage der Landsmannschaften und die dort immer häufiger zu beobachtenden Ehrbezeugungen durch östliche Nachbarländer hin.

Dieser Einsatz für „Menschenrechte und Verständigung“ und somit für den Frieden in Europa werde angesichts spaltender nationalistischer Tendenzen in vielen Teilen Europas immer wichtiger. Das gemeinsam aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges und des kommunistischen Unrechts errichtete Europa habe die Vertriebenen der Heimat und die Heimat den Vertriebenen wieder nähergebracht. Brücken in die Nachbarländer und Brücken in die Zukunft seien gebaut worden. 

Mit einem Blick auf die aktuelle, eng mit den bevorstehenden Wahlen in Polen zusammenhängende Debatte über etwaige deutsche Reparationsleistungen mahnte Fabritius, dass einseitige Schadensbilanzierungen nicht zielführend seien, zumal diese die Verluste von Heimat und Lebensglück der vertriebenen Deutschen stets außer Acht ließen. 

Gemeinsam müsse man deutlich machen, dass Europa als übergeordnetes Friedensprojekt auch zukünftig nicht zur Debatte stehe. Fabritius wünschte sich daher abschließend „an so manchen Freitagen ein ‚Fridays for Europe‘“.

Geistliches Wort und Gedenken

„Heimat und Identität wurzelt in Geschichte und Geschichten, die man sich erzählt, die man sich zu
eigen macht“, erklärte der Vizepräsident des Kirchenamtes der Evange-lischen Kirche in Deutschland
Dr. Thies Gundlach in seinem geistlichen Wort. Dabei kam es ihm auf die Vielfalt dieser Geschichten an, die individuell sehr unterschiedlich sein könnten, aber als gleichberechtigt gesehen werden müssten. Das Bedürfnis nach Geschichte und Erinnerung sei sehr groß, auch um der oft allzu atem- und rücksichtslosen Gegenwart Tiefe zu verleihen. Der Tag der Heimat biete hier eine große Chance. Die Möglichkeiten für den Friedenserhalt in Europa wiederum lägen darin, sich für die Geschichten der anderen zu interessieren, nachzuvollziehen, warum sie sich unterscheiden und warum sie uns fremd sind, und sie gemeinsam mit den eigenen Geschichten in ihrer Vielzahl zu erhalten. 

Gundlach äußerte sich dankbar, dass die Vertriebenen sich um ihren „Strom der Erzählung“ bemühten und immer weiter Geschichten von der Vertreibung und „vom Heimatverlust in Ostpreußen, Pommern, Schlesien – all den anderen deutschen Gebieten“ erzählten. 

„Zu Europa wird auch in Zukunft dieses vielfältige Erzählen gehören. Nicht gegen irgendjemanden oder statt anderer Erzählungen, sondern um den Frieden eines vollständigen Europas“, so Dr. Gundlach.

Heimat gebe es auch im Glauben, und diese lasse sich nie von nationalistischen, identitären oder rassistischen Tönen irritieren. „Wer diese geistliche Heimat im Glauben an Gott kennt und auf die zukünftige Heimat bei ihm zu hoffen vermag, der kann mit jeder Heimaterzählung frei und souverän umgehen, weil er sie alle letztlich doch als relativ und vorläufig erkennt“, betonte Gundlach und sprach in einem mitfühlenden Totengedenken den Anwesenden Trost zu. 

Kranzniederlegung und Totengedenken 

Im Anschluss an den Festakt in der Urania ließen die höchsten Staatsämter, die Bundesländer, einige Bundesparteien, die Landsmannschaften und BdV-Landesverbände, der Bund der Vertriebenen sowie viele weitere gesellschaftliche Gruppen zu Ehren der Toten Kränze am Mahnmal der deutschen Heimatvertriebenen, der „Ewigen Flamme“ auf dem Berliner Theodor-Heuss-Platz, niederlegen.

Worte des Gedenkens sprachen wie im Vorjahr der Berliner Innensenator Andreas Geisel, der Berliner Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Staatssekretär a.D. Rüdiger Jakesch, sowie BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius. 

Fabritius forderte erneut, dass Europa bei der Einführung eines strafbewehrten Vertreibungsverbotes vorangehen müsse. Außerdem erklärte er, dass die Initiative zu einem Denkmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Polen einen Weg zu mehr beiderseitiger Opferempathie ebnen könne und daher begrüßt werde. Ein angemessener Standort für ein solches Denkmal in Berlin sowie für ein Denkmal für die deutschen Opfer von ethnischen Säuberungen und Vertreibungen nach dem Krieg in Polen werde sicher zu finden sein.