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Heimattag 2014: Kulturporgramm der DBJT

2012 stand das von der DBJT dargebotene Programmm unter dem Motto „Klassisch − Schwowisch − Modern“, heuer stellen Kinder und Jugendliche den geschichtlichen Werdegang der Banater Schwaben dar. Foto: W. Wolf

Eine DBJT-Zeitreise oder: Der Kreis schließt sich in Ulm

Männer, Frauen und Kinder wandern aus, beginnen ein neues Leben, im Gepäck große bunte Bündel mit Kleidern und Bettzeug. Alle umklammern ihre wenigen Habseligkeiten, Mütter halten ihre Kinder fest an den Händen, Männer klammern sich an ihre Wanderstöcke. Hoffnungsvoll blicken sie in eine ungewisse Zukunft, getrieben vom Gedanken an Freiheit und Unabhängigkeit. Wie mögen sie sich gefühlt, was gedacht, was erlebt haben? Alles begann in Ulm mit einer Reise auf der Donau. Um genau zu sein, vor fast 300 Jahren, als unsere Vorfahren aus verschiedenen Teilen Süddeutschlands in das nach den Türkenkriegen fast entvölkerte Banat ausgewandert sind.

„DBJT-Zeitreise“ lautet das Motto des von der Deutschen Banater
Jugend und Trachtengruppen (DBJT) gestalteten Programms bei den Heimattagen 2014 in Ulm. In kleinen Theaterstücken, Sketchen und Vorträgen begeben sich die Kinder und Jugendlichen auf eine Reise in die Vergangenheit, in unsere Vergangenheit und die unserer Vorfahren. In drei großen Teilen werden die wichtigsten historischen Momente näher betrachtet. „Es geht vor allem darum, dass sich die Kinder und Jugendlichen mit der Geschichte der Banater Schwaben, ihrer eigenen und unser aller Geschichte beschäftigen und auseinandersetzen“, erklärt Harald Schlapansky, Bundesvorsitzender der DBJT. „Das passiert in ganz unterschiedlicher Art und Weise, mal mit Witz und Komik, aber wo es angemessen erscheint, ist auch der notwendige Ernst vorhanden“, ergänzt Heike Wolf, die maßgeblich an der Ausarbeitung des DBJT-Kulturprogramms 2014 mitgewirkt hat.

Im ersten Teil geht es um die Besiedlung des Banats, die in mehreren Etappen, den sogenannten „Schwabenzügen“, erfolgte. Nur ein kleiner Teil der Siedler stammte übrigens aus dem Schwäbischen. Weshalb wir uns trotzdem Banater „Schwaben“ nennen, ist vermutlich dem Umstand zu verdanken, dass die Mehrheit der Auswanderer in der schwäbischen Stadt Ulm registriert, eingeschifft und mit den „Ulmer Schachteln“ auf der Donau bis Belgrad transportiert wurde, um von dort in die Bestimmungsorte gebracht zu werden. Die meisten Siedler stammten aus dem ländlichen Milieu und waren Zweit- und Dritt-geborene aus armen Bauernfamilien, die ohne eigenen Grundbesitz und ohne Kapital in ihrer Heimat nur wenige Chancen sahen. Was heute kaum noch vorstellbar ist, verhieß den Menschen damals ein besseres Leben. Ehen wurden nicht aus Liebe, sondern meist aus Berechnung geschlossen. Da nur verheiratete Kolonisten eine Siedlerstelle im Banat erhielten, kam es nicht selten vor, dass Paare in Regensburg vor den Traualtar gingen, die sich in Ulm beim Betreten der Boote zum ersten Mal gesehen hatten. Zum gegenseitigen Kennenlernen hatte man ja schließlich noch das ganze Leben Zeit. Doch der Weg der ersten Siedler war steinig und beschwerlich. Denn entscheidend für das Gelingen der Ansiedlung im Banat war die Eindämmung der Sümpfe durch die Kanalisation der Bega, dabei erlag fast jeder dritte Siedler dem Sumpffieber, der Cholera oder der von den Heeren eingeschleppten Pest. Ein deutscher Kolonistenspruch des 18. Jahrhunderts erklärt die damalige Situation der Siedler: „Die ersten fanden den Tod, die zweiten hatten die Not und die dritten erst das Brot“.

Während der erste Teil der DBJT-Zeitreise die Besiedlung des Banats thematisiert, beschäftigt sich der zweite Teil mit dem Leben der Menschen im Banat über die Jahrhunderte hinweg: von der Madjarisierung um 1900 über die Dreiteilung des Banats 1920 bis hin zur 200-Jahr-Feier der Ansiedlung der Deutschen im Banat im Jahr 1923. Aber auch der Regime- und Frontwechsel Rumäniens 1944, der die Flucht tausender Banater vor der Roten Armee Richtung Westen auslöste, wird themasiert. Sehr ernsthafte Themen sind auch die Verschleppung von 35000 Banater Schwaben zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion im Januar 1945 sowie die 1951 erfolgte Deportation von mehr als 10000 Menschen aus dem Grenzgebiet zu Jugoslawien in die Bărăgan-Steppe. Durch die Enteignung des gesamten landwirtschaftlichen Eigentums wurde der deutschen Bevölkerung dann schließlich auch die Existenzgrundlage genommen. „Mit der Darstellung dieser Themen wollen wir dem Publikum zeigen, dass sich unsere Jugend auch mit diesem sehr ernsthaften Teil unserer Vergangenheit auseinandersetzt und respektvoll damit umgeht. Viele haben eine persönliche Verbindung zu diesen Ereignissen, die sie aus Erzählungen der Großeltern kennen“, erklärt Günter Kaupa, Leiter der Arbeitsgruppe DBJT-Kulturprogramm.

Im dritten Teil geht es schließlich um unser Leben hier in Deutschland, um Familienzusammenführung, das Ankommen in Nürnberg, Integration, aber auch um die Pflege von Traditionen und Brauchtum. Wieder wanderten Menschen aus, mit wenigen Habseligkeiten, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft und auf ein Leben in Freiheit. Doch auch dieser Weg war nicht leicht. Im Banat haben sie Haus und Hof verlassen und standen hier vor dem nichts, mussten nochmals von vorne beginnen, sich ein neues Leben aufbauen. Und dann folgte 1989 die demokratische Wende in Rumänien. Wie haben die Banater Schwaben den Sturz des Ceauşescu-Regimes erlebt? Was hat das in den Menschen ausgelöst? Und wie geht es uns heute? Sind wir alle angekommen? Haben wir uns integriert? Und wozu brauchen wir die Landsmannschaft, ist sie nicht antiquiert? Ist Traditions- und Brauchtumspflege wichtig? Die Antwort der Arbeitsgruppe Kulturprogramm 2014 auf diese Fragen lautet: „Nur wer seine Wurzeln und somit seine Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft.“ Die Jugendlichen der DBJT kennen ihre Wurzeln, durch das Kulturprogramm werden sie ihnen nochmals richtig bewusst. Ihre Zukunft sehen sie hier, in den Tanzgruppen pflegen sie die Traditionen und Bräuche der Ahnen und lernen mehr über ihre Banater Wurzeln. Im Zeltlager oder beim DBJT-Sportfest stärken sie das Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl. Am Lagerfeuer werden alte Volkslieder, aber auch moderne Rocklieder gemeinsam gesungen.

In Ulm schließt sich der Kreis. Hier hat alles mit den Ulmer Schachteln begonnen, hier findet die Zusammenführung aller Banater Schwaben bei den Heimattagen statt und hier kann beim gemeinsamen Tanzen, Musizieren und Feiern das Gemeinschaftsgefühl auch zwischen den Generationen gestärkt werden. „Vor allem für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich sonst eher weniger mit unserer Geschichte beschäftigen, ist es eine tolle Gelegenheit, bei diesem kurzweiligen Programm zu erfahren, wie die Entwicklung der Banater Schwaben vonstatten ging. Es wäre also für alle Eltern und Großeltern ein guter Anlass, ihre Kinder und Enkelkinder zu den Heimattagen in Ulm mitzunehmen, zumal der DBJT-Vorstand und seine Arbeitsgruppe Kulturprogramm 2014, die Tanzgruppen, die DBJT-Band und die vielen freiwilligen Helfer viel Arbeit, Zeit und Herzblut in die Vorbereitung des Programms investiert haben. Der größte Dank und Lohn für alle wäre, wenn viele Besucher sich die Zeit nehmen würden, sich das Kulturprogramm anzuschauen“, resümiert Heike Wolf.

 

Hier stellen wir den zeitlichen Ablauf des Heimattages 2014 der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Ulm, auch als PDF-Datei, zur Vefügung: > Programmablauf