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Verbandstagung in Frankenthal: Standortbestimmung und Perspektiven (1)

Der Chor der Donaudeutschen Landsmannschaft Frankenthal überbrachte zur Eröffnung der Verbandstagung einen musikalischen Willkommensgruß. Foto: Cornel Simionescu-Gruber

Zur Verbandstagung treffen sich alljährlich in Frankenthal die Vorsitzenden der Landes- und Kreisverbände sowie der Heimatortsgemeinschaften. Foto: Nikolaus Dornstauder

„Landsmannschaft heute – Versuch einer Standortbestimmung“ lautete der Titel des Vortrags, den Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber auf der Verbandstagung in Frankenthal hielt. Foto: Nikolaus Dornstauder

Seit gut vier Jahrzehnten ist die jährliche Verbandstagung unserer Landsmannschaft ein bewährtes Veranstaltungsformat, ein Forum für innerlandsmannschaftliche Kommunikation und Interaktion, ein Podium zum Informations-, Meinungs- und Erfahrungsaustausch, das den adäquaten Rahmen bietet, die Verbandsarbeit zu reflektieren, jeweils eine Standortbestimmung vorzunehmen und die zukünftigen Aufgaben und Ziele abzustecken. Ursprünglich als Tagung der Vorsitzenden der Heimatortsgemeinschaften konzipiert, weshalb sich die Bezeichnung „HOG-Tagung“ eingebürgert hat, wurde diese später durch die Einbeziehung der Vorsitzenden der Landes- und Kreisverbände zu einer
Organisations- und Kulturtagung der Vorsitzenden der landsmannschaft-lichen Gliederungen erweitert. Traditionell findet diese Tagung im Donauschwabenhaus in Frankenthal statt, so auch in diesem Jahr am 23. und 24. März. Rund 140 Funktionsträger haben daran teilgenommen.

Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber begrüßte seitens der Stadt Frankenthal Bürgermeister Bernd Knöppel und hieß den Ehrenbundesvorsitzenden Bernhard Krastl, die Vorsitzenden der organisierten Landesverbände Josef Prunkl (Baden-Württemberg), Adam Lulay (Rheinland-Pfalz) und Ernst Meinhardt (Berlin und Neue Bundesländer), die Mitglieder des Bundesvorstands sowie die Vorsitzenden der Kreisverbände und Heimatortsgemeinschaft herzlich willkommen. Der Bundesvorsitzende dankte dem HOG-Sprecher Franz Schlechter und den Mitarbeitern der Bundesgeschäftsstelle für die organisatorischen Vorarbeiten wie auch dem Frankenthaler Kreisvorsitzenden Johann Schmaltz und seinem Team für die Gastfreundschaft. Die Anwesenden gedachten anschließend der seit der letzten Tagung verstorbenen Verantwortungsträger innerhalb unserer Landsmannschaft: Pfarrer Peter Zillich, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Bayern, sowie die ehemaligen Kreisvorsitzenden
Johann Metz (Böblingen), Johann Hoch (Esslingen), Erich Huniar (Ludwigsburg) und Emil Zimmermann (Neutraubling).

Der Chor der Donaudeutschen Landsmannschaft Frankenthal, diesmal unter der Leitung von Johann Becker, der die Sängerinnen und Sänger auf dem Akkordeon begleitete, überbrachte einen musikalischen Willkommensgruß. Die drei vom Chor dargebotenen Heimatlieder sowie das Lied „Heimat ist dort, wo du geboren bist“, gesungen vom Duo Maria Muhl und Elisabeth Gaug, wurden von den Zuhörern mit viel Beifall honoriert.

FT = Frankenthal, FT = Freunde treffen

„Die zwei Buchstaben FT stehen nicht nur für das Autokennzeichen unserer Stadt, sondern auch für ein Motto: Freunde treffen. Und da Sie bereits zur 44. Tagung Ihres Verbandes heute zusammenkommen, darf ich Sie auch als Freunde bei uns hier in Frankenthal begrüßen“, so der Bürgermeister der Stadt Bernd Knöppel in seinem Grußwort. Lobende Worte fand er für das Wirken der Banater Schwaben in Frankenthal, die sich mit ihren zahlreichen Veranstaltungen im Donauschwabenhaus und durch ihre Beteiligung am Strohhutfest, dem größten Straßenfest der Pfalz, ins gesellschaftliche Leben einbringen und dieses in vielfältiger Art und Weise bereichern. „Sie binden viele Menschen mit ein, Sie fördern das gesellige Leben und die landsmannschaftliche Verbundenheit, Sie pflegen das Brauchtum und bewahren es so sich und der Nachwelt“, sagte der Bürgermeister. Frankenthal sei genau der richtige Ort für diese Tagung, der Ort, um Freunde zu treffen.

Unsere vergessene französische Geschichte

Der erste Vortrag im Tagungsprogramm war einem geschichtlichen Thema und zwar den eher vernachlässigten Wurzeln der Banater Schwaben gewidmet. Mit ihrer vergessenen französischen Geschichte und der Frage, ob die Banater Schwaben eine doppelte Identität – außer einer deutschen auch eine französische – haben, beschäftigte sich der Journalist Ernst Meinhardt aus Berlin. Angeregt durch das 2012 erschienene Buch „Francezi în Banat, bănăţeni în Franţa (Franzosen im Banat, Banater in Frankreich) der Wissenschaftlerin Smaranda Vultur von der West-Universität Temeswar, forschte er selbst über die Banater Dörfer, in denen im 18. Jahrhundert vor allem Franzosen angesiedelt wurden, also St. Hubert, Charleville und Seultour im heutigen serbischen Banat sowie Triebswetter im rumänischen Banat.

Vom französisch-deutschen Erbe der drei Schwestergemeinden ist, vor allem infolge der Zerstörungen durch die Tito-Partisanen, heute nichts mehr erhalten, mit Ausnahme des Gebäudes, das einst das von dem St. Huberter Landwirt und Heimatbuchautor Nikolaus Heß eingerichtete Museum beherbergte. Meinhardt zeigte Fotos von St. Hubert wie auch von Saint-Hubert, Charleville und Sainte-Barbe, den lothringischen Heimatdörfern der Kolonisten der drei Schwestergemeinden im Banat. Ebenso präsentierte er Fotos von Triebswetter und von Château-Salins, der Gegend, aus der die französischen Vorfahren der Triebswetterer kamen.

Der Referent ging der Frage nach, warum das Französische nach nur drei Generationen verschwand und wies darauf hin, dass man sich im rumänischen Banat unter den schwierigen Umständen der Zeit nach 1944 wieder der französischen Abstammung eines Teils der Banater Schwaben besann, vor allem um diese vor Repressions- und Diskriminierungsmaßnahmen zu schützen. Er erwähnte in diesem Zusammenhang den von Stefan Frecot 1945 gegründeten Franzosenverband und die teil- und zeitweise von Erfolg gekrönten Bemühungen von Hans Damas, seine Triebswetterer Landsleute vor der Verschleppung in die Sowjetunion und Enteignung zu bewahren.

Im letzten Teil seines Vortrags zeigte Ernst Meinhardt auf, dass sich das Thema „Auswanderung aus Lothringen ins Banat“ von jeher eines regen Interesses von Seiten französischer Wissenschaftler erfreut, was aber in unseren Kreisen kaum zur Kenntnis genommen wurde und werde. Er stellte eine ganze Reihe von einschlägigen Publikationen vor, beginnend mit dem 19. Jahrhundert bis zu der neuesten, im März 2019 in einer französischen Fachzeitschrift erschienenen Studie von Benjamin Landais mit dem Titel „Être français dans le Banat du XVIIIe siècle“ (Franzose sein im Banat des 18. Jahrhunderts).

Wie Smaranda Vultur vertritt auch Ernst Meinhardt die These von der doppelten Identität der Banater Schwaben. „Dass wir Banater Schwaben nicht nur eine deutsche, sondern auch eine französische Geschichte haben – daran zweifle ich nicht. Ich plädiere dafür, dass wir sie annehmen“, so Meinhardt.

Landsmannschaft heute: Standortbestimmung

Um Grundsätzliches in Bezug auf die aktuelle Situation unserer Landsmannschaft ging es in dem Vortrag des Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber mit dem Titel „Landsmannschaft heute – Versuch einer Standortbestimmung“. Seine Ausführungen stützten sich auf die bildhafte Beschreibung der Landsmannschaft als „unser gemeinsames Haus“. Wichtig seien dessen Fundament – die rund 12300 Verbandsmitglieder, die tragenden Teile des Hauses – die Vorstände und die Bundesgeschäftsstelle sowie die Kommunikation im Haus, die über mehrere Kanäle erfolgt. Im Haus Landsmannschaft gebe es sehr viele Räume, in denen die Kreisverbände und die Heimatortsgemeinschaften arbeiten. „Wir haben große Räume und kleine, wir haben fleißige Insassen darin und wir haben auch solche, die es sich darin bequem machen und vergessen, dass ein Haus keinen Herrn braucht, sondern einen Knecht“, so Leber.

Das Haus Landsmannschaft sei ein Mehrgenerationenhaus, in dem fünf Generationen leben, deren Vorstellungen unterschiedlich und möglichst unter einen Hut zu bringen sind. Zudem könne das Haus Landsmannschaft einige Ableger vorweisen. Aus der Landsmannschaft heraus seien Vereine und Einrichtungen gegründet und aufgebaut worden, von denen manche bereits wieder verschwunden, andere hingegen weiterhin aktiv sind und zum Teil erhebliche materielle Werte beherbergen.

Das Haus Landsmannschaft habe viele Fenster, so der Bundesvorsitzende weiter, durch die hinein- und herausgeschaut werde. Es gebe ganz viele Institutionen, Organisationen, Personen, die hineinschauen, die Interesse an den Aktivitäten im Haus bekunden, Informationen benötigen oder ein gemeinsames Projekt auf den Weg bringen möchten. Ebenso schauten die verantwortlichen Vorstände aus dem Haus heraus, indem sie in verschiedenen Gremien und Einrichtungen mitwirken. „Das ist Ausdruck unseres Engagements, unseres Wirkens und letztlich auch Anerkennung unserer Arbeit“, so Leber.

Unsere Landsmannschaft sei ein offenes Haus, ihr Wirken basiere auf Geschichte, Brauchtum, Kultur. Die Geschichte werde fortgeschrieben, das Brauchtum bedürfe der Pflege und die Kultur müsse sich weiterentwickeln, neue Formen des Ausdrucks finden. Deshalb bleibe es eine wichtige Aufgabe, „den schöpferischen Kräften in Kultur, Kunst und Literatur einen Resonanzboden innerhalb unserer Gemeinschaft, innerhalb unseres Hauses zu bieten“.

An dem Haus Landsmannschaft sei entlang von nun bald 70 Jahren Verbandsgeschichte gebaut worden, erinnerte der Redner. Deshalb seien wir nicht nur von den 250 Jahren im Banat geprägt, sondern auch von unserem Sein hier in Deutschland. Auch unsere Geschichte in Deutschland sei Teil unserer Identität, sie müsse erforscht und vermittelt werden.

Aus den oberen Stockwerken des Hauses Landsmannschaft lasse sich weit schauen, betonte Leber, und zwar „in die Vergangenheit, bis in das Banat, aber auch in die Zukunft, dorthin, wo Banater Schwaben durch ihr Wirken wieder Gemeinschaft entstehen lassen“. Unser Haus Landsmannschaft bewege sich ständig zwischen Gestern und Morgen, im Heute seien die Schnittmengen zwischen unserer Geschichte im Banat und in Deutschland sowie unseren Erwartungen und Hoffnungen auf die Zukunft unserer Gemeinschaft vereint. Es gelte, diese Schnittmengen in „Begegnung – Gemeinschaft – Geschichte – Brauchtum – Kultur“ ausfindig zu machen und weiterzuentwickeln.

Peter-Dietmar Leber beließ es nicht bei der Beschreibung des „Hauses Landsmannschaft“, sondern formulierte zu den einzelnen Elementen Handlungsleitlinien für unseren Verband, für die Kreisverbände und Heimatortsgemeinschaften. Angesichts der zukunftsweisenden Bedeutung dieser Leitlinien veröffentlichen wir den Vortrag des Bundesvorsitzenden in vollem Wortlaut in dieser Ausgabe.

Jugendarbeit aktuell: DBJT stellt sich vor

Ohne Jugend keine Zukunft – das gilt auch für unseren Verband. Dass es um die Jugendarbeit in der Landsmannschaft der Banater Schwaben gut bestellt ist, dass deren Jugendorganisation, die DBJT, tief und fest im Haus Landsmannschaft verwurzelt ist, stellte der nächste Vortrag unter Beweis. „DBJT – Jugendarbeit aktuell“ lautete der Titel der Präsentation, die sich der DBJT-Vorsitzende Patrick Polling und Schriftführer Dennis Schmidt teilten. Beide sind schon hier in Deutschland geboren und engagieren sich schon seit Jahren in der DBJT. Frisch und locker, mit Eloquenz und einer Portion Humor, zuweilen mit schwowischen Einsprengseln erläuterten sie die im vergangenen Jahr geleistete Arbeit und verbanden mit ihrem Rückblick auch einen Ausblick auf die zukünftigen Aufgaben und Herausforderungen.

Zunächst stellten die beiden Jugendlichen den im Februar 2018 gewählten zehnköpfigen DBJT-Vorstand vor, um danach auf die Veranstaltungen einzugehen, die schon seit vielen Jahren zum festen Bestandteil des Vereinsgeschehens gehören. Man wolle einerseits auf Bewährtes setzen, andererseits auch neue Ideen einbringen, eigene Akzente setzen, auf Anregungen und Wünsche einzgehen, um attraktiv zu bleiben für Kinder und Jugendliche mit und ohne Banater Wurzeln, um die Gemeinschaft zu stärken und die Freundschaft untereinander zu fördern. Erwähnt wurden die stets ausgebuchten und inhaltlich breit gefächerten Brauchtumsseminare in Bad Wurzach – jeweils im März für Kinder und Erwachsene beziehungsweise im November für Jugendliche –, das in Zusammenarbeit mit dem Kreisverband Crailsheim organisierte Sportfest, das Sommerzeltlager, das 2018 in Spaichingen stattfand.

Patrick Polling und Dennis Schmidt wiesen auf die starke Präsenz und das aktive Mitwirken der DBJT beim Heimattag 2018 in Ulm hin – sei es der Auftritt in der Fußgängerzone oder der Festumzug durch die Stadt, sei es die Gedenkfeier am Auswandererdenkmal oder die Tanzdarbietung in den Messehallen und nicht zuletzt das von der DBJT verantwortete und von ihren Trachtengruppen gestaltete kulturelle Programm in der Donauhalle.

Ein weiterer Punkt der Präsentation bezog sich auf das grenzüberschreitende Wirken der DBJT, das nicht nur auf das Banat gerichtet ist und seinen Ausdruck in der Teilnahme an den Heimattagen der Deutschen im Banat und in der Pflege freundschaftlicher Beziehungen zu den dortigen Tanz- und Trachtengruppen findet, sondern auch andere Länder in Europa und Übersee im Blick hat. So nahmen knapp vierzig Mitglieder der DBJT im Sommer 2018 an den Folkloretagen in Prag teil, wovon ein kurzer, von Ines Szuck realisierter Film Eindrücke vermittelte.

Da die DBJT die Zukunft der Landsmannschaft sei, sei sie bereit, die Zukunft aktiv mitzugestalten, sich für den Erhalt von Brauchtum und Tradition einzusetzen, Brücken in die alte Heimat und zu den Freunden in Europa und Übersee zu schlagen und Verantwortung zu übernehmen, versicherten die beiden DBJT-Vertreter. Mit einem flammenden Appell wandten sie sich an die Kreis- und HOG-Vorsitzenden: „Hegen und pflegen Sie die Liebe zum Banat in Ihren Herzen, aber vergessen Sie nicht, auch Saatgut auszustreuen, denn sonst stirbt diese Liebe an dem Tag, an dem Ihr Herz aufhört zu schlagen. Wenn Sie aber diese Liebe zum Banat, zu unserer Kultur an die junge Generation weitergeben, dann bleibt sie noch lange erhalten.“ Deshalb sei es notwendig, in den landsmannschaftlichen Gliederungen ein größeres Augenmerk auf die Jugendarbeit zu richten, die Jugend in die Arbeit der Kreis- und HOG-Vorstände einzubeziehen und ihr Verantwortung zu übertragen.