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Was ist Freiheit wert?

Luzian Geier stellte Engelhard Mildts Erinnerungsbuch "Zeit der Unfreiheit" vor.

Peter-Dietmar Leber präsentierte die Dokumentation "Wege in die Freiheit". Fotos: Halrun Reinholz

Zwei Publikationen der Landsmannschaft wurden bei der jüngsten Veranstaltung in der Ulmer Donaubastion vorgestellt. Bücher, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, aber doch wichtige Ereignisse der Geschichte der Banater Schwaben betreffen. Als erster Referent stellte Luzian Geier, langjähriger Redakteur der „Neuen Banater Zeitung“ und guter Kenner der Banater Geschichte, den Erinnerungsband von Engelhard Mildt „Zeit der Unfreiheit“ vor. Mildt war der Jüngste einer Gruppe von jungen Deutschen aus Temeswar, die im Jahr 1951 mit einer Flugblattaktion auf die immer stärker drohende Gefahr durch die „Diktatur des Proletariats“ mit ihren Enteignungen und den Deportationen aufmerksam machen und zum Widerstand aufrufen wollten. Die aus späterer Sicht jugendliche Naivität der beherzten Widerstandskämpfer im Alter von damals 16 bis 21 Jahren wurde ihnen zum Verhängnis. Stellvertretend für die ganze Gruppe beschreibt Engelhard Mildt die Festnahme und Verurteilung der Gruppe sowie die 13 Jahre währende Haftzeit in den schlimmsten stalinistischen Gefängnissen Rumäniens.

Luzian Geier ging bei seiner Präsentation des sehr präzisen und deshalb umso erschütternden Zeitzeugenberichts nicht nur auf dieses Einzelschicksal ein. Mit der ihm eigenen Akribie hatte er recherchiert und weitere Unterlagen zu den einzelnen vermeintlichen Delinquenten gefunden, die ein garstiges Schlaglicht auf die Praktiken der in vielen Hinsichten noch nicht aufgearbeiteten Geschichte des stalinistischen Umgangs mit den zum Klassenfeind abgestempelten politischen Häftlingen werfen. Engelhard Mildt hat erst spät seinen Vorsatz ausgeführt, die Ereignisse aufzuschreiben. Etliche der Zeitzeugen konnten nicht mehr befragt werden. Umso wertvoller ist diese Dokumentation, zumal sie in diesem Fall größtenteils Angehörige der deutschen Minderheit betrifft. Besonders spannend stellt sich auch der zweite Teil des Buches dar, wo Engelhard Mildt seine Securitate-Akte auswertet, die ihm bestätigte, dass er auch nach seiner Haftentlassung durch Begnadigung bis zu seiner Auswanderung 1989 unablässig als „Feind des Volkes“ im Visier der Geheimpolizei war.

Das zweite Buch, „Wege in die Freiheit“, präsentierte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Peter-Dietmar Leber als einer der Autoren. Es handelt sich um eine Dokumentation zur Familienzusammenführung und Aussiedlung der Deutschen aus Rumänien von 1968 bis 1989. Der Referent schilderte die Umstände, die dazu führten, streng geheim gehaltene Dokumente im Privatbesitz von Dr. Heinz Günther Hüsch in eine öffentliche Publikation zu überführen. Seit den 1960er Jahren bestimmte unter den Deutschen in Rumänien das Thema „Auswanderung“ alle Gedanken und Gespräche. Schuld daran waren Ereignisse wie die von Engelhard Mildt in seinem Buch geschilderten: Repressionen, Enteignungen, Deportationen, die zum Teil gezielt gegen die Deutschen gerichtet waren. Angesichts des Kalten Krieges war der Wunsch der Deutschen aus Rumänien nach Familienzusammenführung und Auswanderung auch für die Bundesrepublik Deutschland ein Politikum. Nach dem Beispiel der Juden, die schon früh an die rumänische Regierung herangetreten waren und Geld für die Ausreisegenehmigung jüdischer Landsleute angeboten hatten, erkannte die rumänische Regierung auch für die Deutschen ein entsprechendes „Geschäftsmodell“. Heinz Günther Hüsch, ein Rechtsanwalt, wurde der Mittelsmann dieser ohne jegliche rechtliche Grundlage und zunächst ohne schriftliche Vereinbarungen ins Rollen gekommenen Aktion, die ab 1968 bis zum Sturz Ceauşescus lief. Erst nachdem Hüsch von seiner Schweigepflicht entbunden worden war, konnte er seine akribisch geführten Aktenordner mit Gesprächsnotizen und Aufzeichnungen zur Auswertung freigeben.

Peter-Dietmar Leber schilderte, wie atemberaubend die Gespräche mit Hüsch und das Studium der
Akten für die Erkenntnisse waren, die vieles bestätigten und klarstellten, was bislang zwar vermutet, aber nicht belegt werden konnte. Gleichzeitig hatte nach der Wende in Rumänien auch die Journalistin Hannelore Baier zum Thema Freikauf recherchiert, sodass in dem vorgestellten Dokumentationsband der Themenkomplex Familienzusammenführung und Ausreise sehr systematisch von allen Seiten beleuchtet wurde und die Handlungen Hüschs im jeweiligen politischen Kontext (der sich im Laufe der Jahre auch immer wieder veränderte) dargestellt werden konnten. Leber wies auch auf den Film des Regisseurs Răzvan Georgescu hin, der dem Thema durch Gespräche mit Hüsch und vielen Zeitzeugen eine erschütternde Lebendigkeit verleiht.

Es stellte sich heraus, dass die Zusammenschau der beiden Publikationen gar nicht so weit hergeholt ist. Beide thematisieren ein unmenschliches diktatorisches Regime, das die Menschen zu teils irrationalen Handlungen trieb und sie zum Treibsand im Rad der Geschichte werden ließ.