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Die DBJT in Prag: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen

Mit ihren bunten Trachten und flotten Tänzen war die DBJT beim Folklorefestival in der tschechischen Hauptstadt ein Zuschauermagnet.

An den Fokloretagen in Prag nahmen knapp vierzig Mitglieder der Banater Trachtengruppen aus München, Spaichingen, Frankenthal und Esslingen teil. Fotos: Ines Szuck

Vom Hotel über das Essen bis hin zu den Auftritten, eine Überraschung jagte die nächste. Zu erzählen gibt es so manches und eines war diese Reise ganz sicher nicht, langweilig. Aber eins nach dem anderen.

Eigentlich fing ja alles ganz harmlos an. Knapp 40 Jugendliche und Junggebliebene der Deutschen Banater Jugend- und Trachtengruppen (DBJT) traten die Reise zu den Folkloretagen 2018 nach Prag an. Das größte Amateur-Folklorefestival in Mitteleuropa fand bereits zum 12. Mal statt. Teilnehmen konnten dabei Folklore- und Musikgruppen aller Art. Ob Tanz-, Gesang-, Trachten- und Musikgruppen, ganze Orchester oder Blaskapellen, jeder war willkommen. Den Höhepunkt des Festivals sollte dabei der Umzug aller Gruppen durch die Straßen der Prager Altstadt bilden.

Solch ein Ereignis wollte sich die DBJT natürlich nicht entgehen lassen. Die Vorfreude der Teilnehmer (Mitglieder der Trachtengruppen aus München, Spaichingen, Frankenthal und Esslingen) war deshalb groß. Im Vorfeld wurde fleißig geplant und diskutiert. Welches Paket sollte gebucht werden? Sollte neben Hotel, Teilnahmegebühr und deutschsprachiger Reiseleitung auch ein gemeinsames Galadinner enthalten sein? Sollten Fahrgemeinschaften gebildet oder sollte doch besser ein Bus gebucht werden? Bei all den Fragen hieß es, den Überblick behalten und vor allem Ruhe bewahren. Kein einfacher Job für den DBJT-Vorsitzenden Patrick Polling, zumal der Informationsfluss seitens der Veranstalter aus Prag doch sehr spärlich und schleppend war. So rückte der Tag der Abreise näher, doch fehlte immer noch die Information, wie es vor Ort ablaufen würde. Auch die Tatsache, dass der Zeitpunkt der Auftritte der Banater Schwaben erst drei Tage vor Abreise mitgeteilt wurde, machte Patrick die Arbeit nicht leichter. Dagegen war die Frage nach dem Transportmittel sehr schnell geklärt, ein Bus musste her. Schließlich sollte nicht nur das Reisegepäck jedes einzelnen Platz finden, vor allem die Trachten mussten sicher untergebracht und transportiert werden. Ein weiterer Vorteil: Sämtliche Fahrten in Prag konnten mit dem eigenen Transportmittel besser organisiert werden.

Und dann war es am 18. Juli endlich soweit. Das Abenteuer Prag begann, darin enthalten zwei Tage Aufenthalt in der goldenen Stadt, zwei Auftritte beim Festival, eine Stadtführung und als krönender Abschluss ein gemeinsames Galadinner am Abend vor der Abreise, dazu ein gewisses Maß an Anstrengung, aber auch jede Menge Spaß.

Übrigens, weder die lange Anfahrt, die kilometerlangen Staus noch die schier endlosen Warteschlangen an den Rastplatztoiletten konnten die Vorfreude der Teilnehmer trüben. Während der Fahrt wurde erzählt, gesungen und gelacht. Als der Bus dann schließlich, nach für manche fast zwölfstündiger Fahrt, kurz vor Mitternacht in Prag ankam, staunten alle zunächst nicht schlecht. Das Hotel schien auf den ersten Blick zu halten, was auf den Fotos im Internet versprochen wurde. Doch halt… plötzlich hieß es, falscher Eingang. Die Rezeption und die reservierten Zimmer seien an anderer Stelle. Was die Teilnehmer dann erwartete, hatte mit den Fotos nur noch wenig bis gar nichts mehr zu tun. Kommunistische Plattenbauten mit Jugendherbergscharakter und dazugehörigen Stockbetten. Putz, der nach dem Duschen von den Wänden blätterte, Steckdosen, die nur funktionierten, wenn gleichzeitig das Licht angeschaltet wurde und Matratzen, deren Lebensdauer auch schon um einige Jahre überschritten war.

 

Interessant war auch das Frühstück, welches in einem riesigen, kantinenähnlichen Saal serviert wurde. Es ist nicht übertrieben, hier von Massenabfertigung zu sprechen – meterlange aneinandergereihte Tische, bestückt mit Kuchen, Obst, Müsli, Kaffee, Tee, riesigen Wurst- und Käseplatten, Gemüseschüsseln und Brotkörben, die – gefühlt im Minutentakt – nachgefüllt wurden. Auf den ersten Blick war für jeden was dabei, bei näherer Betrachtung musste man dann feststellen, dass die Qualität leider auf der Strecke blieb. Bei den Massen vermutlich kein Wunder. Denn außer den tapferen DBJTlern waren auch viele andere am Folklorefestival teilnehmenden Gruppen im Hotel untergebracht, die alle versorgt werden mussten.

Da sich das Hotel etwas außerhalb von Prag befand und mit einer Anfahrtszeit von 30 bis 45 Minuten gerechnet werden musste, bedeutete das: Abfahrt morgens um 8.45 Uhr. Das hieß wiederum, der Tag bzw. beide Tage des Festivals begannen für die Mädchen und Frauen der DBJT sehr früh. Bei einigen klingelte der Wecker sogar bereits um 5 Uhr. Schließlich wollten alle Mädchen duschen und frühstücken und die Haare mussten ja auch noch geflochten werden. In einem Drei- oder Vier-Bett-Zimmer waren gute Zeitplanung und Pünktlichkeit somit sehr wichtig.

Auf Pünktlichkeit legte auch die deutschsprachige Reiseführerin Tana Janku großen Wert. Sie war der Gruppe vom Veranstalter zugeteilt worden und begleitete die DBJTler während des gesamten Festivals. Deren erster Auftritt sollte am Freitag kurz vor 11 Uhr stattfinden. Dass die gesamte Altstadt für Busse gesperrt sein würde und diese dort weder kurz zum Ausladen der Trachten einfahren geschweige denn parken dürften, wäre als Vorabinformation sicher hilfreich gewesen. Denn das bedeutete, der Bus musste zum Parken unter die „Czechbrücke“ fahren und dort bis zur Rückfahrt warten. Dumm nur, dass sich der Parkplatz zwar genau gegenüber der Bühne befand, auf der später getanzt werden sollte, aber durch die Moldau und einen ca. 10 bis 15-minütigen Fußmarsch getrennt wurde. Für die DBJTler hieß das, nicht nur laufen, sondern vor allem die Trachtenkisten schleppen. Doch auch das nahmen die tapferen Tänzerinnen und Tänzer auf sich. Die Veranstalter konnten ja nicht wissen, dass diese Kisten auf Dauer schwer werden könnten. Ebenso konnten sie auch nicht erahnen, dass die Zelte, die zum Umziehen der Gruppen aufgestellt wurden, eine gewisse Größe haben sollten.

Denn eine weitere Überraschung erwartete die jungen Banater Schwaben, als sie sich für ihren Auftritt vorbereiten und die Trachten anlegen wollten. Das Zelt war eher ein Zeltchen und noch dazu bereits von einer anderen Gruppe besetzt. Platz zum Umziehen hätten ohnehin nicht alle gefunden, da das Zelt lediglich für etwa zehn Personen ausgelegt war. Eine schnelle Lösung musste her. Aber die Schwowe wussten sich zu helfen. Kurzerhand wurden die Bänke am schönen Moldauufer in Beschlag genommen und als Ablage für die Trachten umfunktioniert. Wer braucht schon ein Zelt, wenn man sich vor solch einer Kulisse umziehen kann – am Ufer der Moldau mit der Prager Burg im Hintergrund. Auch für die vorbeilaufenden Spaziergänger waren die „Schwowemädle“ mit ihren vielen gestärkten Unterröcken und farbenfrohen Trachten eine besondere Attraktion. Oder wie ließe es sich anders erklären, dass fast niemand vorbeilief, ohne das eine oder andere Erinnerungsfoto gemacht zu haben.

Apropos Erinnerungsfoto, wo auch immer die Jugendlichen und Junggebliebenen in ihren banatschwäbischen Trachten aufmarschierten, wurden sie fotografiert oder gefilmt. Dabei waren nicht nur die Mädchen mit ihren barocken Trachten heiß begehrte Fotomotive, auch die jungen Männer mit ihren reich geschmückten Kerweihhüten wurden von der Damenwelt umschwärmt.

Eine besondere Begebenheit ereignete sich am Samstag vor dem großen Festumzug durch die Prager Altstadt. Alle teilnehmenden Gruppen versammelten sich auf dem Marktplatz und stellten sich in vorgegebener Reihenfolge hintereinander auf. Den Banater Schwaben wurde dabei die Nummer 37 zugeteilt, bei 50 teilnehmenden Gruppen hieß das, sich in Geduld üben, bis es losging. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, fingen die umstehenden Gruppen an zu musizieren, zu singen oder zu tanzen. Die DBJTler staunten dann auch nicht schlecht, als sie plötzlich von einer Gruppe Jugendlicher aus Estland zum Tanzen aufgefordert wurden. Kommuniziert wurde dabei mit Händen und Füßen. Wobei viel gesprochen wurde nicht, dafür aber gemeinsam kräftig das Tanzbein geschwungen.

Petrus meinte es übrigens besonders gut mit den Teilnehmern des Umzugs, denn dieser fand bei strahlend blauem Himmel und herrlichem Sonnenschein statt. Der Nachteil, bei saharaähnlichen Temperaturen über 30 Grad sollte man möglichst viel trinken. Auch hier kann dem Veranstalter natürlich kein Vorwurf gemacht werden, dass er auf einen solch heißen Sommertag nicht vorbereitet war. Denn andernfalls hätte er sicherlich an alle Festivalteilnehmer kostenlos gekühlte Getränke verteilt. Da Wasser natürlich ein kost-bares Gut ist, erklärt sich der Preis in Höhe von 2 Euro für eine Halbliterflasche schon fast von selbst.

Ein Höhepunkt des Festivals war für die Banater Schwaben sicher auch ihr zweiter Auftritt. Nach einem etwa 20-minütigen Fußmarsch durch die Stadt ans andere Ufer der Moldau war ein Auftritt auf einer kleinen Bühne inmitten schmucker historischer Häuser geplant. Glücklicherweise trugen die Jugendlichen nach dem Umzug durch die Prager Altstadt immer noch ihre Trachten, denn auch hier war das zum Umziehen vorgesehene Zelt viel zu klein bemessen. Auch die Bühne war lediglich für acht Paare ausgelegt. Da die DBJTler mit 15 Paaren aufmarschierten, war das gemeinsame Tanzen auf der Bühne definitiv nicht möglich. Doch auch hier machten die Tänzerinnen und Tänzer aus der Not eine Tugend und funktionierten den Platz vor der Bühne einfach um und machten ihn zu ihrer Tanzfläche. Mit ihren bunten Trachten und flotten Tänzen wurden sie dabei schnell zum Zuschauermagnet. War der Platz zunächst fast menschenleer, füllte er sich nach und nach. Menschen unterschiedlicher Nationen kamen zusammen und sahen den Banater Schwaben beim Tanzen zu. Sie zückten ihre Handys oder Kameras und filmten und knipsten was das Zeug hielt, um diesen besonderen Moment festzuhalten. Ob „Banater Land“ oder „Veilchenblaue Augen“, die Tänzerinnen und Tänzer der DBJT ernteten für ihre Darbietungen begeisterte Jubelrufe und viel Applaus.

Natürlich durfte bei der Reise nach Prag auch eine Stadtführung und der Besuch der Karlsbrücke sowie der Prager Burg mit der Goldenen Gasse nicht fehlen. Etwas enttäuscht mag der eine oder andere vielleicht gewesen sein, denn von Gold war hier nichts zu sehen. In den elf bunten Häuschen entlang der Gasse mit holprigem Kopfsteinpflaster sind heute Souvenirläden untergebracht. Zunächst von Burgwachen bewohnt, zogen später Goldschmiede ein – wahrscheinlich stammt daher der Name des Gässchens. Ein Jahr lang, bis 1917, wohnte auch der berühmteste Schriftsteller Prags hier: Franz Kafka. Er feilte im Haus Nr. 22 an seinen Texten. Zum Ruhm der winzigen Gasse trug bei, dass dort
Alchemisten im Auftrag von Kaiser Rudolf II. nach dem Stein der Weisen gesucht haben sollen, um künstlich Gold erzeugen zu können.

Krönender Abschluss und Lohn für die Strapazen während des Festivals sollte schließlich das Galadinner am Samstagabend werden, gemeinsam mit fünf anderen Gruppen, die ebenfalls an den Folkloretagen teilgenommen hatten. Vor allem der Austausch zwischen den verschiedenen Gruppen und Nationen stand dabei im Vordergrund und sollte gefördert werden. Vielleicht hatte die DBJT-Gruppe aber zu viel erwartet. Sie hatte sich schick gemacht und freute sich auf gutes Essen und den regen Austausch mit den anderen Teilnehmern. Umso größer war dann jedoch die Enttäuschung. Als die Banater Schwaben pünktlich um halb acht das Restaurant, in dem das Galadinner stattfinden sollte, betraten, war außer der Bedienung niemand anwesend. Dies änderte sich zunächst auch nicht, die Nachbartische blieben alle leer. Um acht traf dann zwar die nächste Gruppe ein, sie wurde jedoch ans anderen Ende des Restaurants platziert, wodurch ein Austausch nur schwer möglich war.

Das Essen, eine als Prager Spezialität gepriesene Menüfolge, entpuppte sich als Gericht, an dem sich die Geister schieden. Nach einer Suppe folgte zum Hauptgang Lendenbraten auf Sahne, was als besonderes, spezifisch böhmisches Gericht gilt. Serviert wurde es mit böhmischen Knödeln und einer sämigen Sahnesauce, angereichert mit passiertem Gemüse. Der leicht säuerliche Geschmack war für die einen ein Genuss, während die anderen das Essen unangetastet zurückgehen ließen. Zum Nachtisch gab es Palatschinken, mit Marmelade bestrichen, gerollt, mit Puderzucker bestreut und mit Schlagsahne und Eis serviert.

Trotz aller Widrigkeiten und so manch ungewollter Überraschung zog der DBJT-Vorsitzende Patrick Polling eine positive Bilanz: „Von Anfang an war es ein Wagnis, da wir nicht wirklich wussten, was uns in Prag erwarten würde. Es war ein Abenteuer.“ Und als solches könne man es auch sehen. Natürlich gab es die eine oder andere unschöne Überraschung, doch habe dies eins gezeigt. „Wenn’s schwierig wird, halten wir Schwowe zusammen. Das hat uns als Gruppe einander nähergebracht. Der Zusammenhalt wurde gestärkt und der Spaß kam dabei auch nicht zu kurz. Und bei all den Unannehmlichkeiten gab’s auch viele schöne Erlebnisse. Sei es der Applaus bei den Aufritten oder das spontane gemeinsame Tanzen mit der Gruppe aus Estland auf dem Marktplatz in der Altstadt. Das sind Dinge, die man nicht so schnell vergisst.“

Und wenn alles wie am Schnürchen geklappt hätte, was gäbe es denn dann zu erzählen?