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Entwicklung Bayerns entscheidend mitgestaltet

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (Fünfter von links) mit Vertretern der Banater Schwaben; rechts die stellvertretenden Landesvorsitzenden Georg Ledig und Bernhard Fackelmann Foto: Dieter Gitzing

Zu den Mitgestaltern des kulturellen Rahmenprogramms zum Bayerischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation, der am 24. Juni in der Münchner Staatskanzlei begangen wurde, zählte auch die Donauschwäbische Singgruppe Landshut unter der Leitung von Reinhard Scherer (hier mit der Landtagsabgeordneten Sylvia Stierstofer, Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Vertriebene und Aussiedler, sowie dem stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbandes Bayern der Landsmannschaft der Banater Schwaben Bernhard Fackelmann). Foto: Susanne Marb/BdV

Anlässlich des Bayerischen Gedenktages für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation, der in diesem Jahr am 24. Juni begangen wurde, legte Innenminister Joachim Herrmann in Vertretung des Bayerischen Ministerpräsidenten einen Kranz an der Gedenktafel für die Opfer von Flucht und Vertreibung am Treppenaufgang zum Westflügel der Bayerischen Staatskanzlei nieder. Auch der Bund der Vertriebenen in Bayern legte ein Gebinde nieder.

Vor der Kranzniederlegung hatte die Siebenbürger Blaskapelle Ingolstadt auf der Freitreppe der Staatskanzlei zur Hofgartenseite das rund eineinhalbstündige bunte Rahmenprogramm eröffnet, das Tanzvorführungen der Riesengebirgs-Trachtengruppe München und der Siebenbürger Tanzgruppe Ingolstadt sowie eine Darbietung der Donauschwäbischen Singgruppe Landshut unter der Leitung von Reinhard Scherer umfasste. Zugegen waren zahlreiche Fahnenabordnungen der Landsmannschaften. Die Landsmannschaft der Banater Schwaben war mit Fahnenabordnungen der Kreisverbände München und Waldkraiburg sowie der Heimatortsgemeinschaft Sanktmartin vertreten. Zugegen waren die stellvertretenden Landesvorsitzenden Bernhard Fackelmann und Georg Ledig sowie mehrere Banater Landsleute.

Bei der Festveranstaltung im Kuppelsaal der Staatskanzlei bezeichnete Innenminister Joachim Herrmann den Beitrag der deutschen Heimatvertriebenen zum Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg als „maßgeblichen Teil unserer bayerischen Erfolgsgeschichte“. „Wir sind dankbar für Ihren Leistungswillen, Ihren Mut und Ihre Schaffenskraft. Denn damit haben Sie die Entwicklung unseres Landes entscheidend mitgestaltet“, sagte Herrmann. Die rund drei Millionen Heimatvertriebenen, die nach Bayern gekommen sind, hätten sich aktiv am Wiederaufbau der neuen Heimat beteiligt und beherzt mit angepackt sowie mit äußerster Disziplin und aus eigener Anstrengung heraus eine neue Existenz geschaffen. „Und das nicht in Abgrenzung, sondern im Miteinander mit der heimischen Bevölkerung.“

Rückblickend, so Herrmann, erscheine die zügige soziale wie ökonomische Integration der ungeheuren Zahl an Flüchtlingen und Vertriebenen, die nur durch ihre enorme Anpassungs- und Leistungsbereitschaft möglich war, sogar als das eigentliche „Nachkriegswunder“. Trotz des Leids und des ungeheuren Verlusts, den die Vertriebenen erfahren mussten, hätten sie früh Versöhnung gesucht, menschliche Brücken in ihre alte Heimat gebaut und damit tiefe Gräben in den Köpfen und Herzen überwunden. „So haben Sie in ganz besonderer Weise den Glauben an die Völkerverständigung gestärkt und ein tragfähiges Fundament für Versöhnung und Neuanfang gelegt.“

Herrmann erinnerte daran, dass die Zahl der Menschen, die weltweit vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehen, einen traurigen Negativrekord erreicht habe und mahnte, aus der Geschichte zu lernen: „Vertreibung war, ist und bleibt ein gravierendes Unrecht, jede Vertreibung, jede ethnische Säuberung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ Geschichte sei niemals nur etwas Vergangenes, sondern immer auch ein Wegweiser für die Zukunft. „Nur wenn wir aus dem Geschehenen die Lehren ziehen und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, können wir unsere Zukunft besser gestalten.“

Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung der Deutschen am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg sei wichtiger denn je, betonte der Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen in Bayern Christian Knauer in seiner Rede. „Gerade, weil durch diese Erinnerung der Wert der eigenen Heimat erfahrbar gemacht werden kann, verdienen die Schicksale der Menschen, die entwurzelt wurden, weil sie ihre angestammte Heimat verlassen mussten, heute eine besondere Aufmerksamkeit.“ Insbesondere weil die Erlebnisgeneration schrumpfe, trügen Bund und Länder „eine besondere Verantwortung dafür, diese Erinnerung auf unterschiedlichste Art und Weise wachzuhalten und zu fördern“. Knauer dankte der Bayerischen Staatsregierung und allen im Landtag vertretenen Parteien, dass der Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation erneut in dieser würdigen Form und in Eintracht begangen werden könne.

Mit dem heutigen Gedenkakt werde unterstrichen, „dass die Lebensgeschichten der deutschen Heimatvertriebenen zur deutschen Geschichte, zu unserem kollektiven Gedächtnis gehören“. Erinnern und Gedenken – zitierte Knauer den emeritierten Limburger Weihbischof Gerhard Pieschl– hätten mit Wahrhaftigkeit zu tun und mit der Kraft, die eigene Geschichte auch anzunehmen. Annehmen – das bedeute auch für die jungen Generationen, das Geschehen ein Stück weit zur eigenen Erfahrung werden zu lassen, es sich dadurch zu eigen zu machen. Die Aneignung solcher historischen Erfahrungen könne helfen, sich auch heutigen Fragen von Flucht und Vertreibung offen zuzuwenden. Auch deshalb sei es so wichtig, den Erfahrungsschatz der deutschen Heimatvertriebenen zu bewahren.

„Wer das Schicksal der Vertriebenen kennt, der kann auch nachempfinden, was viele Flüchtlinge unserer Tage erlebt haben oder durchleiden und erfahren müssen“, sagte Knauer. Wenngleich auch beide Gruppen nur schwer miteinander zu vergleichen seien, die Lehren daraus seien ähnlich – „nämlich, dass Frieden kostbar ist, dass Humanität immer am Anfang unseres Denkens stehen muss und dass wir unsere Orte der Vertrautheit nicht erst dann als Heimat erkennen und bewahren sollten, wenn sie verloren sind“. Aus den bitteren Erfahrungen und den unbeschreiblichen seelischen und körperlichen Verletzungen der Opfer, derer heute gedacht wird, gelte es, „die richtigen Schlüsse zu ziehen und alles dafür zu tun, dass sich die schrecklichen Ereignisse von damals nicht endlos wiederholen“.

Im Anschluss an die Festveranstaltung moderierte die BR-Redakteurin Heidi Wolf ein Gespräch zum Thema „Vertriebene als Brückenbauer“, an dem auch die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Vertriebene und Aussiedler, Sylvia Stiersdorfer, teilnahm.