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Auf stimmungsvoller Zeitreise durch drei Jahrhunderte

Zum Finale präsentierten Kinder und Jugendliche unter Anleitung von Melanie Müller einen modernen Tanz der DBJT. Foto: Walter Tonţa

Die Eroberung Temeswars durch Prinz Eugen im Jahr 1716 wurde von den Gruppen aus München und Karlsruhe dargestellt. Foto: Walter Wolf

Die Kindergruppe aus Karlsruhe führte vor Augen, wie der Schulunterricht vor hundert Jahren ablief. Foto: Cornel Simionescu-Gruber

Mit Titeln wie „Ohne Dich“, „Wake Me Up“ oder „Vom selben Stern“ traf die DBJT-Band den Geschmack des Publikums. Foto: Walter Tonța

Jugend- und Trachtengruppen der DBJT auf der Bühne der Ulmer Donauhalle

Gäste der Banater Heimattage kennen das Dilemma: Wohin zuerst? Selbst eingefleischte Besucher können da unsicher werden. Gleich am Eingang lenkt eine Ausstellung zur Geschichte des Banats die Blicke auf sich. Daneben reiht sich ein Verkaufsstand an den anderen. Das Bild erinnert ein wenig an die Devotionaliengeschäfte in den Wallfahrtsorten. Bücher beherrschen das Bild. Sind das wohl alles Schriften, die etwas mit dem Banat zu tun haben, denkt man und bahnt sich den Weg durch die Menge, vorbei an den großen Türen der Ausstellungshallen, aus denen in allen Tonlagen und mit tausendfacher Verstärkung die Begrüßungsfreude der Landsleute als ohrenbetäubendes Grollen herüberschwappt. Dagegen ist das erwartungsvolle Raunen der vielen Zuschauer in der Donauhalle eine akustische Wohltat. Hier zu verweilen lohnt sich gewiss, denkt man und blickt auf das Veranstaltungsprogramm: „DBJT-Zeitreise“. Lassen wir uns also auf eine Zeitreise der Deutschen Banater Jugend- und Trachtengruppen mitnehmen. Kaum sind die letzten Vorbereitungen auf der großen Bühne abgeschlossen, geht es auch schon los.

Ähnlich wie in einem Science-Fiction wurde der Zuschauer in das Jahr 1716 „gebeamt“. Plötzlich stand Prinz Eugen von Savoyen mit seinen Kriegern auf der Bühne und besiegte die osmanischen Belagerer. Mit viel Phantasie und einem Augenzwinkern der Regie gelang es der Münchner und Karlsruher Gruppe eine historische Begebenheit szenisch so darzustellen, dass sich historische Dokumentation und Unterhaltung begegneten. Mit Prinz Eugens Heldentaten wurde praktisch die Geburtsstunde der banatschwäbischen Geschichte eingeläutet.

In der nächsten Szene schien das bekannte Einwanderungsbild von Stefan Jäger lebendig geworden zu sein. Einwanderer aus Süddeutschland zogen ostwärts, mit den Ulmer Schachteln und zu Fuß, bis sie schließlich im „gelobten Land“ ankamen. Beachtenswert war die große Detailtreue, mit der die Gruppen aus Esslingen, Singen und Frankenthal ans Werk gingen. Die Trachten, die mitgeführten Accessoires sowie das Spiel der Akteure ergaben ein schlüssiges Bild der drei Schwabenzüge und des gelungenen Siedlungswerks. Es ist nur selbstverständlich, dass man sich bei der Konzeption des Programms  auf wesentliche Momente der Geschichte beschränken musste und so manche historische Ereignisse nur angedeutet werden konnten. Hilfreich bei der zeitlichen Einordnung der Geschehnisse waren die immer wieder über die Bühne getragenen Täfelchen mit den entsprechenden Jahreszahlen.

In einer folgenden Szene machte die Kindergruppe aus Karlsruhe auf die politische Situation des  Banats im 19. Jahrhundert (Österreichisch-ungarischer Ausgleich) aufmerksam. Hervorgehoben wurde die identitätsbedrohende Madjarisierungspolitik des damaligen ungarischen Staates durch die Trachtengruppe München.

Während der Erste Weltkrieg und die darauf folgende Dreiteilung des Banats von der Würzburger Gruppe nur angedeutet wurden, folgte anlässlich der 200-Jahr-Feier der Ansiedlung eine folkloristische Sondereinlage der Gastgruppe aus Temeswar, der „Rosmareiner“. In der von der Regie in großzügiger Weise zur Verfügung gestellten Aufführungszeit konnte diese Gruppe mit ihren Tänzen ein weiteres Mal zeigen, dass man in Temeswar großes Gewicht auf Authentizität legt, sowohl was die Trachten wie auch die Choreographie der Tänze betrifft.

Den Kriegsjahren und besonders der Zeit nach 1944 widmete sich die Gruppen aus Rheinstetten und Frankenthal. Die jungen Darsteller erinnerten an Enteignung und Deportation, an jene Ereignisse der jüngeren Geschichte, die bestimmend waren für das weitere Schicksal der Banater Schwaben. Die Problematik im Zusammenhang mit Flucht, Kriegsgefangenschaft, Familienzusammenführung und dem Neuanfang in Deutschland verdeutlichte die szenische Darstellung der Spaichinger Gruppe. Unter anderem wurde an die Gründung der Landsmannschaft der Banater Schwaben 1950 erinnert und an die Bemühungen der Landsleute, die Trennung durch den Eisernen Vorhang  zu überwinden. In gelungenen Szenetten wurden Situationen nachgestellt, die auf Lebensumstände aufmerksam machten, die aus heutiger Sicht grotesk anmuten, jedoch weitgehend der damaligen Wirklichkeit entsprachen, so zum Beispiel ein Verwandtenbesuch aus Deutschland.

Was als Familienzusammenführung begann, wurde letztendlich eine Massenauswanderung. Über die Bühne wurde ein Schildchen mit der Jahreszahl 1978 getragen. Dass die Zuschauer mit dieser Zahl was anzufangen wussten, verriet der kleine Zwischenapplaus. Die Jahreszahl erinnerte an das so genannte Handschlagabkommen zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem rumänischen Staatschef Nicolae Ceaușescu. Dieses Abkommen besagte, dass jährlich 11.000 Rumäniendeutschen die Ausreise gestattet werden sollte. In der Darstellung der Theatergruppe aus Crailsheim drehte sich alles um die „Großen Formulare“, ein weiteres Schlagwort, das für jeden Banater heute noch ein Begriff ist. Wer die „Großen“ hatte, der war seinem Ziel ganz nahe.

Bemerkenswert war der Beitrag der Nürnberger Jugendlichen zum Thema Ausreise. Dargestellt wurde die Ankunft einer Aussiedlerfamilie am Nürnberger Bahnhof. Die Szene gehörte insofern zu den gelungensten, da sie einen kritischen Blick hinter die Kulisssen erlaubte und das Bild von einer heilen Familie und einer idealen Welt zurechtrückte.

1989 war eine weitere Jahreszahl mit historischer Bedeutung: die politische Wende in Rumänien. Diese bewegten Ereignisse, die mit dem Sturz der kommunistischen Diktatur  endeten, ließ die Gruppe aus Karlsruhe Revue passieren. Erinnert wurde auch an die Solidaritätsbekundungen der Landsmannschaft der Banater Schwaben hier in Deutschland und an die Hilfsmaßnahmen für die im Banat verbliebenen Landsleute.

Im letzten Teil des Programms wurde der Fokus auf die Bemühungen der Verbände um die Integration der Landsleute in der neuen Heimat gerichtet. Mit dem „hier“ und „heute“, mit der Bereitschaft, sich den neuen Lebensumständen anzupassen, ohne jedoch Tradition und Brauchtum aus den Augen zu verlieren, setzten sich die Darsteller aus Reutlingen, Crailsheim und München auseinander. In diesem Zusammenhang wurde an wichtige Einrichtungen erinnert: an das Hilfswerk der Banater Schwaben, an das Banater Seniorenzentrum Ingolstadt, an die Adam-Müller-Guttenbrunn-Stiftung, an das Donauschwäbische Zentralmuseum Ulm, an die Vereinszeitung „Banater Post“, an die verschiedenen Veranstaltungen der landsmannschaftlichen Verbände und nicht zuletzt an die DBJT, den Verband der Banater Jugend- und Trachtengruppen.

Sportfeste, Zeltlager, Jugendseminare, Brauchtumsveranstaltungen und vieles mehr kann sich dieser Verband auf die Fahnen schreiben. Die vielen Jugendlichen und alle anderen jung gebliebenen Mitglieder entfalten seit Jahren ein attraktives Freizeitprogramm, das zum Mitmachen einlädt und den Zusammenhalt zwischen den Landsleuten fördert. Eine überzeugende Kostprobe davon lieferten die DBJT-ler in ihrem Festprogramm zum Heimattag. Was die Jugendgruppen darboten, war eine richtige Leistungsschau, die vom Publikum mit viel Applaus quittiert wurde.

Allen Mitwirkenden – es dürften mehrere Hundert gewesen sein – kann man für die gelungene Darstellung nur gratulieren. Einzelne Darsteller namentlich zu erwähnen, könnte zu weit führen, zumal Gesangs- und Instrumentalsolisten, Moderatoren und Darsteller hervorragende Einzelleistungen vollbrachten. Dass die überaus lehrreiche Reise auch zum stimmungsvollen Erlebnis wurde, dafür sorgten die Kapelle „Weinbergmusikanten“ und die DBJT-Band.

Die Zeitreise durch drei Jahrhunderte in drei Stunden endete mit einer Punktlandung in der Gegenwart. Auf der Landebahn – sprich Festbühne – versammelten sie sich dann alle, „Boden- und Flugpersonal“, zum großen Finale. Die Schlussworte der Moderatoren: „... und erzählen Sie es ruhig weiter, wenn es Ihnen gefallen hat“, gingen fast in tosendem Beifall unter. Dennoch, die Worte wurden gehört und gewiss weitergegeben.