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Bilder einer europäischen Orgellandschaft

Die Hausherrin Henriette Mojem und Landesvorsitzender Josef Prunkl gratulierten dem Pianisten Dr. Franz Metz (rechts), Bariton Wilfried Michl und Tenor Wilfried Michl (von links) zum dargebotenen Konzert.

Erste Station in Deutschland der Wanderausstellung „Banater Orgeln und Orgelbauer. Bilder einer europäischen Orgellandschaft“ war das Haus der Donauschwaben in Sindelfingen. Die Eröffnung fand im Rahmen der 53. Kulturtagung der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Landesverband Baden-Württemberg, statt. Fotos: Cornel Simionescu-Gruber

Die jährlichen Kulturtagungen in Sindelfingen widmen sich seit über fünf Jahrzehnten der Präsentation und Vermittlung von Erkenntnissen neuerer Forschungen zur Geschichte und Kultur der Banater Deutschen vornehmlich in Form von Vorträgen namhafter Wissenschaftler, Heimatforscher und Kulturschaffenden. Aber auch andere Darstellungsformen, wie musikalische Darbietungen, Autorenlesungen oder Dokumentationsausstellungen, haben immer wieder einen Platz im Tagungsprogramm gefunden. Die Konzertabende beispielsweise haben mittlerweile Tradition, sie erfreuen sich beim Publikum großer Beliebtheit und sind bei den Kulturtagungen einfach nicht mehr wegzudenken. Seltener hingegen sind Dokumentationsausstellungen kleineren oder größeren Ausmaßes, die meist im Zusammenhang mit einem bestimmten Referatsthema präsentiert werden.

Die 53. Kulturtagung im November vergangenen Jahres wies insofern eine Besonderheit auf, als dass neben dem traditionellen Konzertabend unter der Leitung von Dr. Franz Metz auch die von ihm konzipierte und realisierte und vom Gerhards-forum Banater Schwaben veranstaltete Ausstellung „Banater Orgeln und Orgelbauer. Bilder einer europäischen Orgellandschaft“ im Haus der Donauschwaben eröffnet wurde.

Ausstellung: „Banater Orgeln und Orgelbauer“

Sindelfingen war die erste Station der Wanderausstellung in Deutschland. Die Vernissage hatte am 8. Juni 2017 im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus in Temeswar im Rahmen der Heimattage der Banater Deutschen stattgefunden. Danach wurde sie in der Temeswarer Domkirche, im Museum der Wallfahrtskirche Maria Radna, im serbischen Banat (Senta/Zenta, Großbetschkerek/Zren-janin, Werschetz/Vrsac), im Museum des Banater Berglands in Reschitza sowie im Musikhistorischen Museum in Budapest gezeigt.

Anni Fay, Vorsitzende des Gerhardsforums, führte in das vom Gerhardsforum geplante und verwirklichte Vorhaben ein und unterstrich, dass die Realisierung der Ausstellung auf die satzungsmäßigen Ziele und Aufgaben dieses kirchlichen Vereins zurückzuführen sei, der sich unter anderem der Pflege der christlichen Kultur und kirchlichen Traditionen der Banater Schwaben, der Erforschung der Geschichte der Heimatkirchen und Pfarreien im Banat sowie der Präsentation der christlichen Kultur der Banater Schwaben widmet. Die Ausstellung sei als Lebenswerk des Musikwissenschaftlers Dr. Franz Metz zu betrachten, der sich seit Jahrzehnten der Erforschung der Banater Orgellandschaft verschrieben habe und nun deren Ergebnisse in Form einer Ausstellung und einer demnächst erscheinenden umfangreichen Publikation der interessierten Öffentlichkeit präsentiere. Dies sei ein wichtiger Beitrag zur Dokumentation des Orgelbaus im Banat als Teil unserer christlichen Kultur, so Anni Fay. Die Vereinsvorsitzende wies auch darauf hin, dass die Ausstellung in Kooperation mit Institutionen, Einrichtungen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Rumänien, Serbien, Ungarn und der Slowakei realisiert und von mehreren Institutionen, unter anderem von der Landsmannschaft der Banater Schwaben, gefördert worden sei.

Dr. Franz Metz stellte anschließend die Ausstellung vor. Die Orgellandschaft des historischen Banats sei die östlichste Orgellandschaft Europas, ihre fast dreihundertjährige Geschichte decke sich mit jener der Banater Schwaben. Ihre Anfänge seien im 18. Jahrhundert zu verorten, als mit den deutschen Kolonisten auch die ersten Orgeln und Orgelbauer ins Banat kamen, ihr Ende falle mit der Auswanderung des größten Teils der Banater Deutschen, auch der letzten Orgelbauer zusammen, sodass um 1970 dieses Handwerk vorerst gänzlich verschwunden sei.

Der Ausstellungsmacher wies auf die Vielfalt der Banater Orgellandschaft, auf ihre Besonderheiten und ihre einmalige Bedeutung auf europäischer Ebene hin. Zwischen den ersten Orgeln des Wiener Orgelbauers Johann Hencke und jenen Richard Wegensteins habe sich eine äußerst erfolgreiche Orgelbaugeschichte entfaltet, die maßgeblich von Orgelbauerfamilien – Wälter, Josephy, Hromadka, Dangl, Wegenstein – geprägt worden sei. Dr. Metz hob das Besondere am Banater Orgelbau hervor: Im Gegensatz zu den siebenbürgischen Orgelbauern, die meist Orgeln für die Region gebaut haben, fänden sich heute Orgeln aus den Werkstätten Banater Orgelbauer in vielen Ländern: in Rumänien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Ungarn, Slowakei und in der Ukraine. Diese zum Lobe Gottes geschaffenen Instrumente erklängen heute noch in deutschen, ungarischen, kroatischen, bulgarischen, slowakischen, tschechischen und rumänischen Kirchengemeinden des Banats und stehen in katholischen, evangelischen, reformierten Kirchen wie auch in jüdischen Synagogen.

„Man lebte stets am Puls der Zeit und die orgelbautechnischen Neuerungen Mitteleuropas fanden ihren Niederschlag auch in den Banater Werkstätten“, sagte Dr. Metz. Zu den Sternstunden des Banater Orgelbaus zählte er die von Anton Dangl 1883 für die Budapester Musikakademie gebaute Orgel, zu der sich kein geringerer als Franz Liszt lobend äußerte, oder die von Carl Leopold Wegenstein gebaute, von der Stadt Temeswar in Auftrag gegebene und finanzierte Millenniumsorgel für die Innerstädtische Pfarrkirche, die bei der Millenniumsausstellung in Budapest 1896 preisgekrönt wurde.

Nachdenklich stimmten die Ausführungen von Dr. Franz Metz zum aktuellen Zustand der Orgeln im Banat. Viele, auch historisch wertvolle Orgeln seien in einem schlechten, zum Teil katastrophalen Zustand. Der Untergang der Banater Orgellandschaft vollziehe sich in einem rasanten Tempo. Es stelle sich deshalb die Frage unseres Umgangs mit diesem kulturellen Erbe; Dr. Metz plädierte dafür, zumindest einige der wertvollen Orgeln zu renovieren, um dadurch „etwas von unserer typischen banatschwäbischen Kultur im Bereich der Kirchenmusik zu bewahren und den jetzigen Bewohnern oder den Touristen vor Augen führen zu können“.

Zum ersten Mal wird mit dieser Ausstellung die historische Orgellandschaft des Banats in ihrer Gesamtheit dargestellt – sowohl die des rumänischen wie auch des serbischen und ungarischen Banats. Anhand einer Vielzahl von Fotografien – sowohl historische Bilder als auch und vor allem Aufnahmen neueren Ursprungs von Walther Konschitzky, Mihai Botescu und Franz Metz – und Faksimiles von erhaltenen Originaldokumenten wird auf 28 Rollup-Displays die faszinierende Geschichte des Orgelbaus im Banat umfassend dokumentiert. Sehr aufschlussreich sind auch die Zitate über die Königin der Instrumente, wie die Orgel bezeichnet wird, auch von Banater Autoren, angefangen von Adam Müller-Guttenbrunn über Peter Jung und Stefan Heinz-Kehrer bis hin zu Herta Müller.

Zur Ausstellung ist ein 32-seitiger Katalog erschienen, der auch ins Rumänische und Serbische übersetzt wurde. Klangbeispiele bieten die beiden im Jahr 2017 im Verlag Edition Musik Südost erschienenen Tonträger „Wegenstein“ und „Banater Orgeln“. Darauf zu hören sind die große Wegenstein-Orgel der Millenniumskirche in Temeswar beziehungsweise 21 historisch bedeutende Orgeln des Banats, auf denen Franz Metz spielt.

Konzertabend: Lieder, Arien und Duette

Das ausgelegte Programm-Faltblatt ließ – zumindest was das angekündigte Motto betrifft: „Lieder, Arien und Duette“ – auf einen besonderen Konzertabend hoffen. Es war bereits das 16. von Dr. Franz Metz gestaltete Konzert im Rahmen der Kulturtagungen. Neben Kompositionen der Universalliteratur wurden im Laufe der Jahre – wie auf dem Faltblatt vermerkt – Werke zahlreicher Banater Komponisten von namhaften Vokal- und Instrumentalsolisten aufgeführt. Mitwirkende waren diesmal neben Dr. Franz Metz (Klavier) zwei den regelmäßigen Teilnehmern der Kulturtagung bekannte Solisten: Wilfried Michl (Tenor) und Wilfried Michl (Bariton).

Schwungvoll, mit der berühmten Kanzone „La donna è mobile“ (O wie so trügerisch sind Weiberherzen) aus der Verdi-Oper „Rigoletto“, begann das Konzert, mit dem berührenden Duett „Dio, che nell’alma infondere“ (Gott, der entflammte der Liebe heiße Glut) – dem gegenseitigen freundschaftlichen Treueschwur von Carlos und Posa – aus der Oper „Don Carlos“ von Giuseppe Verdi setzte es sich fort, um dann das Publikum mit Beethovens „Mondscheinsonate“ in seinen Bann zu ziehen. Der erste Satz der Sonate Nr.14 op. 27, der Beethoven den Titel „Sonata quasi una Fantasia“ gab, ist einer der berühmtesten Klavierstücke überhaupt. Der Klangpoesie der magischen Melodie sowie den unendlichen Triolen des Stückes kann man sich kaum entziehen.

Mit den Liebesarien „O du mein holder Abendstern“ aus der Wagner-Oper „Tannhäuser“ und „Una furtiva lagrima“ (Eine verstohlene Träne) aus der komischen Oper „L’elisir d’amore“ (Der Liebestrank) des italienischen Komponisten Gaetano Donizetti sangen sich die beiden Vokalsolisten in die Herzen des Publikums. Großen Anklang fand auch das Wolgalied („Es steht ein Soldat am Wolgastrand“) aus Franz Lehárs Operette „Der Zarewitsch“, das durch seine melodische Schlichtheit und ergreifende Sentimentalität berührt.

Neben diesen bekannten und beliebten Arien und Duetten umfasste das Programm des Konzertabends auch diesmal Werke von Banater oder im Banat tätigen Komponisten beziehungsweise Stücke, die einen Bezug zum Banat aufweisen, wie das von Carl Loewe 1844 nach der Ballade von Ferdinand von Freiligrath komponierte Lied „Prinz Eugen, der edle Ritter“. Von Heinrich Weidt (1824-1901), der unter anderem als Kapellmeister und Opernkomponist in Temeswar, als Chormeister in Kubin und Weißkirchen sowie als Musikdirektor und Chormeister in Werschetz wirkte, wurden zwei Duette – „Der Spielmann und sein Kind“ und „Die Verdrießlichen“ – zu Gehör gebracht. Franz Metz interpretierte sodann am Klavier den „Werschetzer Ausstellungsmarsch“ und die Polka française „Die Radlerin“, gewidmet dem Ersten Werschetzer Bicycle Club – beide komponiert von Franz Grünwald.

Das Duett „Ich bin der Prodekan“ aus der Operette „Der Vogelhändler“ von Carl Zeller, womit das Konzert endete, setzte dem musikalischen Abend die Krone auf. Die drei mitwirkenden Künstler boten dem Publikum wieder einmal einen musikalischen Genuss der Superlative. Mal zart und gefühlvoll, mal eindringlich und temperamentvoll waren die Darbietungen und wie immer sehr aufschlussreich die Erläuterungen von Dr. Franz Metz. Die Zuhörer honorierten die künstlerische Leistung mit begeistertem Beifall.