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Dichter zwischen den Welten

Die Literaturwissenschaftlerin und Publizistin Katharina Kilzer stellte die beiden Autoren Sigrid Katharina Eismann und Jan Cornelius (von rechts) vor und moderierte die Veranstaltung.

Ungewohnte Klänge im Banater Kultur- und Dokumentationszentrum: Der Vibraphonist Sebastian Hausl aus Augsburg umrahmte die Autorenlesung musikalisch. Fotos: Jürgen Schneider

„Zwischen den Welten“ leben viele von uns. Umsiedler, die ihre Wurzeln verpflanzt haben und nun zurechtkommen müssen zwischen dem Altvertrauten aus der Erinnerung und der (vielleicht nicht mehr ganz so) neuen Umgebung, die mehr oder weniger zum Zuhause geworden ist, obwohl die fremden Wurzeln sich immer noch zu Wort melden. Wenn Dichter „zwischen den Welten“ leben, kann dies Thema ihrer Werke werden. Auf unterschiedliche Weise, wie die Lesung in der Ulmer Donaubastion am 25. November gezeigt hat. Sigrid Katharina Eismann und Jan Cornelius stammen beide aus dem Banat und leben schon seit vielen Jahren in Deutschland. Das verbindet sie. Doch sie sind unterschiedlich alt und bedienen sich unterschiedlicher Ausdrucksformen. Katharina Kilzer, selbst Autorin und Mitglied des PEN-Clubs, stellte die beiden im Kultur- und Dokumentationszentrum der Banater Schwaben in der Ulmer Donaubastion dem  Publikum vor. Verbindend auch der Vibraphonist Sebastian Hausl, der aus Augsburg gekommen war und die Lesung mit seinen Darbietungen auflockerte – unter anderem mit  einer Bearbeitung des bekannten Liedes „Nun ade, du mein lieb Heimatland“.

 

Sigrid Katharina Eismann stammt aus Freidorf und schreibt experimentelle Lyrik. Sie liest diese aber nicht einfach vor, sondern bietet den Zuschauern im Stehen eine dynamische „Performance“ ihrer Werke an. Die Lyrikerin ist auch bildende Künstlerin und musiziert zudem in einer Band, Kunst ist für sie deshalb etwas Übergreifendes, das sich nicht in Schubladen pressen lässt. Ihre Gedichte sind geprägt von originellen Metaphern und bunten Wortschöpfungen. Sie nimmt den Leser mit in ihr „Paprikaraumschiff“, das beladen ist mit Alltagserinnerungen an und über Temeswar, aber auch mit ihren Alltagserfahrungen in Offenbach, wo sie zuhause ist. Das Raumschiff verbindet diese beiden Welten. „Die Seele ist ein Zugvogel, sie lebt aus dem Wolkenkoffer“, äußerte die  Autorin in einem Interview. Das „Paprikaraumschiff“ wollte der Verleger aber nicht als Titel des Lyrikbandes akzeptieren, deshalb heißt das Buch: „Reise (aus der) (in die) durch die Heimat – von Offenbach nach Temeswar“.

„Temeswar, auf deinen Gräbern pfeifen Chrysanthemen/ deine Straßenbahnen halten an erfrorenen Zitronenstraßen/ deine Gassen rosten/ Zuckerrosen kleben an Fassaden. // Emigranten wienern ihre Narben/ im Kaffeesatz aus violetten Rosen/ und Pappeln schwimmen durch die Gerade // Banatiade.“ Im Sommer wird Sigrid Katharina Eismann übrigens wieder nach Ulm kommen, um im Donauschwäbischen Zentralmuseum ihre Installation „Nach dem Fest das Fest“ vorzustellen. Die Vernissage findet während des Heimattags der Banater Schwaben am Pfingstsamstag statt.

Ein Grenzgänger ist auch der aus Reschitza stammende Jan Cornelius. Zumindest war er einer im wahrsten Sinne des Wortes, als er aus dem Rumänien unter Ceauşescu flüchtete. An seinem neuen Wohnort Düsseldorf arbeitete er als Übersetzer und Hörfunkjournalist. Als Literat verarbeitet er die Alltagserfahrungen des Grenzgängers auf satirische Weise, Rezensenten haben ihn mit Kishon verglichen. Kishon habe sich dazu nicht geäußert, witzelte er in der Lesung, weil er bereits gestorben war. Seine Texte sind humorvolle, beschwingte Seifenblasen, die beim Zerplatzen ein schräges Licht auf das Leben werfen. Mit einem Bein steht der Autor mitten in der Realität, mit dem anderen über ihr. Cornelius las aus seinem neuesten Satireband „Chaplin wird Zweiter“ und aus dem etwas älteren Buch „Heilige und Scheinheilige“. Mit großem Vergnügen lauschte das Publikum seinen irrwitzigen Texten, etwa über die  E-Mail-Passion der 87-jährigen Oma Kanada oder die Vor- und Nachteile der zweisprachigen Erziehung von Kindern. Bei Cornelius ist das Leben ein Narrenschiff und die Welt ein irrwitziger 3D-Film.

Der offensichtliche Zuspruch des Ulmer Publikums für Literatur und Musik ist Anstoß für weitere Veranstaltungen dieser Art in den bezaubernden historischen Bastion-Räumen.