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Ein Fest des Gemeinschaftsgesangs

Zum Schluss des Konzerts überreichte der Bundesvorstand den Chorleitern, den Solistinnen und der Moderatorin je einen Blumenstrauß als Zeichen des Dankes und der Anerkennung. Foto: Cornel Simionescu-Gruber

BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer sprach ein Grußwort. Foto: Nikolaus Dornstauder

Foto: Cornel Simionescu-Gruber

„Als der Bundesverband unserer Landsmannschaft 1997 das erste Bundestreffen der Banater Chöre in Frankenthal veranstaltet hat, konnte niemand ahnen, dass damit eine neue Tradition hier in Deutschland begründet wird“, sagte Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber zur Eröffnung des 20. Banater Chortreffens am 15. Oktober in der Stadthalle Gersthofen. Mit diesen alljährlich ausgetragenen Chortreffen knüpfte die Landsmannschaft wieder an die Banater Sängerbundtradition der Zwischenkriegszeit an. Die daran teilnehmenden Chöre führen die eindrucksvolle Tradition des Gemeinschaftsgesangs fort, der in Stadt und Land seit Generationen fester Bestandteil unseres kulturellen Selbstverständnisses war.

Das erste Bundestreffen in Frankenthal, bei dem zwölf Chöre mit über 400 Sängerinnen und Sängern auf der Bühne standen, war ein ermutigender Neubeginn zur Fortführung einer langen kulturellen Tradition unter völlig neuen Voraussetzungen. Das durchschnittliche Alter der bei diesem Chortreffen vertretenen Chöre sei relativ hoch, es mangele an Nachwuchs, stand damals in unserer Verbandszeitung. Diese Erkenntnis hat auch heute noch Gültigkeit, und deshalb verdienen die noch bestehenden Banater Chöre, von denen einige auf eine über 30-jährige Tätigkeit zurückblicken können, umso mehr alle Achtung. Immerhin waren fünf der sieben am diesjährigen Konzert mitwirkenden Banater Chöre – jene aus Augsburg, Frankenthal, Karlsruhe, Stuttgart und der Temeswarer Schubert-Chor – schon 1997 dabei, während der Chor aus Traunreut an allen Chortreffen, außer dem ersten, teilgenommen hat.

Bundesvorsitzender Leber begrüßte zum 20. Bundestreffen der Banater Chöre alle Sängerinnen und Sänger, die Chorleiter, Ehrengäste und Gäste. Ein herzlicher Willkommensgruß galt den Ehrengästen: Reinhold Dempf, 3. Bürgermeister der Stadt Gersthofen, Christian Knauer, Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen (BdV) und BdV-Landesvorsitzender in Bayern, mit Gattin, Bernhard Krastl, Ehrenbundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben, mit Gattin. Leber begrüßte die anwesenden Mitglieder des Bundesvorstands, der Landesvorstände Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz und des Kreisvorstands Augsburg sowie die Kreis- und HOG-Vorsitzenden. Sein besonderer Dank galt den Chören, die „eine große Gesangstradition fortführen und darüber hinaus eine wichtige gesellschaftliche Funktion erfüllen“, wie auch den engagierten Chorleitern.

Das Treffen der Banater Chöre zeige deutlich, wie stark die Tradition und Heimatverbundenheit der Banater Schwaben ausgeprägt sei, sagte Bürgermeister Dempf in seinem Grußwort. Gerade in der heutigen Zeit sei es mehr denn je nötig, traditionelle Werte zu pflegen und weiterzutragen. Deshalb wisse er reges Vereinsleben ebenso zu schätzen wie das Engagement, mit dem ehrenamtliches Wirken verbunden sei. Dempf appellierte an die Banater Schwaben auf, ihrer Gemeinschaft treu zu bleiben und sich aktiv einzubringen.

Veranstaltungen wie dieses Chortreffen veranschaulichten eindrucksvoll den Zusammenhalt der Banater Schwaben und ihren großen Willen, ihr kulturelles Erbe lebendig zu halten, unterstrich der BdV-Landesvorsitzende Christian Knauer. Angesichts der Entwicklungen bei den Chören und Musikgruppen aus Schlesien, dem Sudetenland, aus Ostpreußen und Pommern, die einst sehr zahlreich in Bayern gewesen seien und heute – sofern sie noch existierten – mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hätten, richtete er an die Banater Schwaben die Bitte, der Nachwuchsförderung größtes Augenmerk zu widmen.

Der Bund der Vertriebenen sei auf starke landsmannschaftliche Verbände angewiesen, um die Anliegen der Heimatvertriebenen und Aussiedler gegenüber der Politik mit Nachdruck vertreten zu können, betonte Knauer. So habe der BdV eine symbolische Anerkennungsleistung für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter erreicht und werde in der neuen Legislaturperiode des Deutschen Bundestags die Rentenungerechtigkeit bei den Spätaussiedlern angehen. Mit einem Appell  beschloss Knauer sein Grußwort: „Unterstützen Sie die Landsmannschaft, stellen Sie sich aktiv an ihre Seite! Mit Ihrer Mitgliedschaft machen Sie auch uns stark. Und nur wenn wir stark sind, können wir entsprechend agieren.“

Durch den musikalischen Nachmittag führte die Vorsitzende des Kreisverbandes Augsburg, Dr. Hella Gerber. Während des vierstündigen Konzerts präsentierten sich dem Publikum acht Chöre wie auch mehrere Solistinnen und Solisten. Die Darbietungen deckten eine große Bandbreite an Chorliteratur ab, wobei nicht der Wettbewerbsgedanke im Vordergrund stand, sondern die Freude am Gemeinschaftsgesang. Die mitwirkenden Chöre verfügen über ein breitgefächertes Repertoire und überraschen immer wieder mit neuen Liedern, wobei stets die unterschiedlichen Gegebenheiten der einzelnen Singgruppen in Bezug auf Anzahl und Alter der Mitglieder, Besetzung der Stimmgruppen, gesangstechnische Aspekte, Liedauswahl usw. zu berücksichtigen sind.

Den Anfang machte der Chor der Banater Schwaben Karlsruhe, der seit Anfang dieses Jahres von der Konzertpianistin und Korrepetitorin Sonja Salman geleitet wird. Mit zurzeit 37 Mitgliedern war der Karlsruher Chor beim diesjährigen Jubiläums-Bundeschortreffen der mitgliederstärkste. Seine Liedvorträge standen ganz im Zeichen der Völkerverständigung und der Erinnerung an die alte Heimat. Zunächst brachten die Sängerinnen und Sänger, am Klavier von Sonja Salman begleitet, die „Ode an die Freude“ zu Gehör. Die offizielle Europahymne ist eine Komposition von Ludwig van Beethoven, der für den vierten Satz seiner 9. Sinfonie Friedrich Schillers Gedicht „An die Freude“ vertonte. Das zweite Lied, „Möwe, du fliegst in die Heimat“ (Melodie: Gerhard Winkler, Text: Günther Schwenn), widmete der Chor der verlorenen, unvergessenen Heimat. Dabei traten Melitta Giel, Irmgard Holzinger-Fröhr, Isolde Reitz und Eva Wasmer als Solistinnen auf.

Abschließend besang der Chor die Donau, unseren Schicksalsstrom, dem Johann Strauß seinen Walzer „An der schönen blauen Donau“ gewidmet hat. Die weltberühmte Komposition wurde vor 150 Jahren in Wien uraufgeführt. Mit den von Melitta Giel, Irmgard Holzinger-Fröhr, Isolde Reitz, Eva Wasmer, Dietmar Giel und Ortwin Meinhardt gesungenen Solos sowie der von Dagmar Österreicher choreografierten tänzerischen Einlage der „Banater Schwabenkinder“ sang sich der Chor in die Herzen des Publikums.

Der Temeswarer Schubert-Chor, der als nächster die Bühne betrat, war der bekannteste deutsche Chor im Banat und weit darüber hinaus nach dem Zweiten Weltkrieg. 1969 gegründet, bestritt der Chor allein in den ersten zehn Jahren seines Bestehens 125 Konzerte vor rund 55000 Zuhörern. Er bot vielen, wie die Moderatorin Dr. Hella Gerber hervorhob, eine seelische Heimat und genoss Kultstatus.
Bis heute ist der Chor, der von seinem jetzigen Dirigenten Adrian Nucă-Bartzer 1985 in Deutschland neugegründet wurde, seinem Ziel treu geblieben, mit anspruchsvollen Chorwerken, Volksliedern und Stücken Banater Komponisten vor Publikum zu treten. Und das, obwohl sich die in ganz Deutschland verstreuten Sängerinnen und Sänger nur einmal im Jahr zu einem Proben-wochenende treffen können.

Von Franz Schubert, dem Namensgeber, stammt das Lied „Zum Rundtanz“, womit der Chor seinen Auftritt eröffnete. Das ursprünglich für Männerchor komponierte Tanzlied wurde von Adrian Nucă-Bartzer für gemischten Chor arrangiert. Mit dem Madrigal „Ach Lieb, hier ist das Herze“, einem Werk des Renaissance-Komponisten Hans Leo Haßler, setzte der Schubert-Chor sein Programm fort. Bereits in den 1970-er Jahren unter dem Dirigenten Herbert Weiß stand dieses Madrigal auf dem Repertoire, nun wurde es neu einstudiert.

Dem Dirigenten Adrian Nucă-Bartzer war und ist es ein Anliegen, auch Kompositionen seines Groß-vaters Emmerich Bartzer bekannt zu machen und vor dem Vergessen zu bewahren. Zwei seiner Lieder, „Nach deinen Spuren“ und „Schlummerlied“ – beides Vertonungen des Hatzfelder Dichters Peter Jung – sang er zusammen mit Walter Berberich, der auf der Gitarre begleitete. Die Solo-Einlage zählte zweifelsohne zu den Höhepunkten dieses Konzertnachmittags.

Mit dem Zigeunerchor „Im Wald, im frischen grünen Wald“ aus der Oper „Preciosa“ von Carl Maria von Weber und dem bekannten Duett der Königskinder „Ach, ich hab in meinem Herzen da drinnen“ aus Norbert Schultzes Oper „Schwarzer Peter“ (Solo: Walter Berberich) beendete der Schubert-Chor seine beachtliche Darbietung.

Melitta Giel und Irmgard Holzinger-Fröhr, Solistinnen des Banater Chors Karlsruhe, erfreuen die Zuhörer immer wieder mit ihrem Gesang. Diesmal sind die beiden Sängerinnen sowohl einzeln als auch im Duett aufgetreten. Zunächst beeindruckte Melitta Giel mit ihrem kristallklaren Koloratur-Sopran, der bei der Interpretation des Walzers „Frühlingsstimmen“ von Johann Strauß (Sohn) voll zur Geltung kam. Nach der Darbietung des Darowaer Kirchenchors aus Spaichingen absolvierte Irmgard Holzinger-Fröhr ihren Auftritt. Sie sang das „Vilja-Lied“ aus der Operette „Die lustige Witwe“ von Franz Lehár. Mit ihrem lyrisch verträumten Sopran begeisterte die Solistin die Zuhörer. Begleitet wurden die beiden Sängerinnen am Flügel von Sonja Salman.

Der Darowaer Kirchenchor aus Spaichingen ist der einzige Banater Chor in Deutschland, der den Namen eines ehemaligen Banater Schwabendorfes trägt. Wie beim Schubert-Chor handelt es sich auch beim Darowaer Kirchenchor um eine Wiedergründung, vorgenommen 1998 von Martin Metz, dem ersten Leiter des Kirchenchors in Darowa nach dem Zweiten Weltkrieg. Geleitet wird der Chor, der sich hauptsächlich der Kirchenmusik verpflichtet fühlt, aber auch weltliches Liedgut und Volkslieder in seinem Repertoire hat, seit 2004 von dessen Neffen Erich Meixner. Seine Mutter Margarete Meixner, geborene Metz, hatte den Chor 31 Jahre lang geleitet und singt noch heute mit.

Bei seiner 13. Teilnahme am Bundestreffen der Banater Chöre sang der Spaichinger Chor zu Beginn das Lied „An hellen Tagen“, eine Ende des 16. Jahrhunderts entstandene Komposition aus der Feder von Giovanni Giacomo Gastoldi, fünfstimmig mit zwei Sopranstimmen. Der zweite Beitrag, „Herr, wie Du willst“, war dem Andenken des im Dezember 2016 verstorbenen Sängers, Chorleiters und Komponisten Hans Sieber-Brach gewidmet. Sieber-Brach (geboren 1928 in Billed) hatte das Lieblingsgebet des bekannten katholischen Widerstandskämpfers Pater Rupert Mayer vertont. Mit dem Volkslied „Schöne Rosen, die blühn im Garten“ (Chorsatz: Hans Walter) aus dem 1997, zum ersten Bundestreffen der Banater Chöre, erschienenen „Banater Chorbuch“ und „Irischen Segenswünschen“ beendete der Darowaer Chor aus Spaichingen seine Darbietung.

Den letzten Programmpunkt vor der Pause bestritt der Banater Seniorenchor Augsburg unter der Leitung von Werner Zippel. Der Chor macht seinem Namen alle Ehre, zumal das Durchschnittsalter seiner Mitglieder bei ca. 78 Jahren liegt und auch zwei über 90-Jährige mit dabei sind. Seit 2015 haben die öffentlichen Auftritte des Seniorenchors wieder zugenommen, und jedes Mal findet er begeisterte Zustimmung. Auch bei seinem Auftritt in Gersthofen war es nicht anders, zumal den betagten Sängerinnen und Sängern die Freude am Singen regelrecht ins Gesicht geschrieben stand.

Der Chor brachte neben drei bekannten volkstümlichen Liedern –  „Wir grüßen Euch“, „Ich geh ab und zu in Gedanken“ und „Weißt du noch?“ – auch eine Komposition des Chorleiters Werner Zippel mit dem Titel „Dort war meine liebe Heimat“ (Text: Edith Achim) zu Gehör. Das Lied, eine warmherzige Hommage an das Banat, wurde hier erstaufgeführt. Der Gesang wurde von Werner Zippel auf dem Akkordeon begleitet.

Der erste Teil des Konzerts endete nach zwei vergnüglichen Stunden, die Gehör und Herz des Publikums gleichermaßen berührt haben.
   
(Über den zweiten Teil des Konzertnachmittags berichten wir in der nächsten Ausgabe.)