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Die Zukunft braucht ein starkes Fundament

Die deutsche Volkstanzgruppe „Edelweiß“ aus Detta präsentierte bei ihrem Auftritt im Capitol-Saal einen Bändertanz. Fotos: Nikolaus Rennon

Einzug der rund 200 Trachtenpaare aus dem ganzen Banat und aus Deutschland auf den Domplatz zum Pontifikalamt mit Bischof Martin Roos in der St.-Georgs-Kathedrale. Foto: Nikolaus Rennon

An den Heimattagen der Banater Deutschen nahmen neben Funktionsträgern der Landsmannschaft der Banater Schwaben und des Hilfswerks der Banater Schwaben auch der Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, sowie der deutsche Konsul in Temeswar, Rolf Maruhn, teil.

13. Heimattage der Banater Deutschen in Temeswar und Lenauheim - Nach 22 Jahren war ich wieder zu Gast bei den Heimattagen der Banater Deutschen in Temeswar und im Banat. Eingebettet in die vom Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar veranstalteten Deutschen Kultur- und Wirtschaftstage (28. Mai – 21. Juni) erlebte ich eine Veranstaltung, die nicht nur auf die Besucher einen besonderen Reiz ausübte, sondern die – mit Akribie vorbereitet und durchgeführt – mehr als ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft setzte.

Die diesjährigen Heimattage begannen mit einem Festtag in Lenauheim. Das Dorf beging mit den heutigen und seinen ehemaligen Bewohnern den 250. Jahrestag seiner Ansiedlung. Dabei präsentierte sich die Gemeinschaft jenseits des Festtages als gewachsene Einheit, unabhängig von der aktuellen Meldeadresse des Einzelnen. Lenauheim und seine Bewohner stellen ein beeindruckendes Beispiel für eine Zusammenarbeit dar, die nicht nur Ländergrenzen und Entfernungen überwindet. Am Abend fanden dann im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus in Temeswar die Eröffnung der von Dr. Franz Metz konzipierten und realisierten Ausstellung „Banater Orgeln und Orgelbauer. Bilder einer europäischen Orgellandschaft“ sowie die Vorstellung des ersten Buches des Journalisten Siegfried Thiel („Streifzüge. Eine Auswahl an Reportagen“) statt.

Als einen der Höhepunkte der Heimattage habe ich den Festakt in der Temeswarer Oper erlebt. Musikalisch umrahmt vom Sinfonischen Blasorchester der Sing- und Musikschule München, begann ein Reigen von Grußworten und Ansprachen, der zunächst die gesamte Bandbreite der Verankerung der Banater Deutschen in Rumänien, in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa dokumentierte. Wichtiger aber war das, was gesagt wurde und das konnte sich nicht nur hören lassen, es war ein Zeichen, das uns optimistischer in die europäische Zukunft blicken lässt als der Mainstream vieler Umfragen. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, Dr. Johann Fernbach, und der Intonierung der Banater Hymne („Mein Heimatland, Banaterland“, Text: Peter Jung, Musik: Josef Linster und Wilhelm Ferch) begrüßte Hartmut Koschyk MdB, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, die Gäste. Neben der Versicherung seiner Verbundenheit mit dem Banat und den Banater Landsleuten, formulierte Koschyk einen für mich außerordentlich wichtigen Satz: „Die Verankerung in der Heimat und eine dadurch gesicherte Identität ist ein wichtiger Garant, um die Globalisierung der Gegenwart aushalten zu können.“ Eindrucksvoll zitierte er außerdem Stefan Hell, neben Herta Müller der zweite Nobelpreisträger, der nicht nur aus dem Banat stammt, sondern tatsächlich ein echtes Kind des Banats ist. Hell sagte: „Man kann mich nicht verstehen, wenn man meinen Hintergrund nicht kennt. (…) Das Banat ist immer Teil meiner Identität geblieben, worauf ich immer stolz gewesen bin.“ Ohne das Bewusstwerden der eigenen Identität kann man auch die Identität anderer nicht wahrnehmen und deshalb auch nicht akzeptieren. Die Banater Schwaben haben dieses Bewusstsein seit nahezu 300 Jahren verinnerlicht und geben damit meines Erachtens ein Beispiel für eine echte europäische Identität.

Ebenso wie Koschyk bezog sich auch Ovidiu Ganţ, Abgeordneter der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, in seinem Grußwort auf die Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen Rumänien und Deutschland, die aus dem vor 25 Jahren geschlossenen deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrag gewachsen sei. Die Situation der deutschen Minderheit in Rumänien sei gut, wenn es auch noch immer Dinge gäbe, die nicht gelöst seien. Hier nannte Ganţ die bedauernswerte Lage des Nikolaus-Lenau-Lyzeums, das dringend einen Neubau benötige, der aber noch immer nicht zustande gekommen sei.

Nach den Grußworten der Stadt Temeswar, überbracht von Bürgermeister Nicolae Robu, ergriff seitens des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien dessen Vorsitzender Dr. Paul-Jürgen Porr das Wort. Er lobte die Idee, das Treffen der Banater Deutschen abwechselnd in Deutschland und in Rumänien durchzuführen, im Unterschied zu den Siebenbürger Sachsen, die sich jährlich in Dinkelsbühl und in Siebenbürgen treffen, was aber den Nachteil hat, dass nur selten Gäste aus Rumänien nach Dinkelsbühlkämen und umgekehrt nach Siebenbürgen. Porrs Ausführungen zum Wert der Heimat, die in dem Satz gipfelten: „In Deutschland ist es gut, hier ist es schön“ ließen mich nachdenklich zurück.

Auch Peter-Dietmar Leber, der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, verstärkte mit seinen Worten die Nachdenklichkeit, vielleicht sogar ein wenig die Wehmut. Er überbrachte die Grüße der Deutschen aus dem Banat, die heute nicht mehr im Banat leben, die den Besuchern und Gästen aber heute ganz nah seien. Leber erzählte außerdem, dass zahlreiche Gruppen und Gäste aus Deutschland nach Temeswar und in das Banat gekommen wären, wie die Tanz- und Trachtengruppen aus Nürnberg, Würzburg und Singen sowie die Blaskapelle aus Augsburg. Er betonte, dass sich alle, die der Einladung des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat gefolgt seien, noch immer als eine Gemeinschaft begreifen. Eine Gemeinschaft, die historisch gewachsen und nun dabei sei, sich zu verändern. In Deutschland werden die Gruppen zunehmend von Mitgliedern getragen, die nicht mehr im Banat geboren seien und im Banat wachsen die Gruppen zunehmend aus mehreren Ethnien. Wichtiger werde das Interesse für die kulturellen Bausteine der Identität und das Interesse an der Kultur und Geschichte der Banater Deutschen. Ebenso bedeutend sei dabei aber auch immer wieder die Rückbesinnung auf die Heimatregion mit ihren identitäts- und sinnstiftenden Stätten wie der Dom zu Temeswar und die Wallfahrtskirche Maria Radna, aber auch mit den Heimatstuben und schwäbischen Festen in den Dörfern des Banats.

Nach dem Grußwort des Präsidenten des Weltdachverbandes der Donauschwaben, Stefan Ihas, erinnerte Nikolaus Rennon, Vorsitzender des Hilfswerkes der Banater Schwaben, an jene, denen es schwer falle, sich selbst zu vertreten. „Ich leihe meine Stimme denen, die aus Altersgründen nicht hier sein können.“ Wichtigste Aufgabe des Hilfswerkes sei es, diesen Menschen ein würdiges Leben und ein würdiges Alter zu ermöglichen. Einen besonderen Appell richtete auch Ignaz Bernhard Fischer, Vorsitzender des Vereins der ehemaligen Russlanddeportierten, an die Anwesenden, sich an diejenigen zu erinnern, die das Banat auf so besondere Art und Weis geprägt haben. Nach den bewegenden Worten des Hochbetagten erhob sich das Publikum in der Oper, um Fischer zu applaudieren. Ich glaube, hier bekam nicht nur Ignaz Fischer Applaus. Unsere Hände bewegten sich, geleitet von dem Wunsch sich zu bedanken. Bei denen, die vor uns waren und vielleicht auch bei den Menschen, die nach uns kommen.

In seinem Festvortrag unternahm Erwin Josef Ţigla, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, eine literarische Reise durch das Banat, geleitet von den Schriftstellern Peter Jung, Otto Alscher, Alexander Tietz und Adam Müller-Guttenbrunn, die das Bild der Region auf besondere und immer individuelle Art und Weise prägten.

Im Anschluss an die Reden wurde Hartmut Koschyk, Bundesbeauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, mit der Ehrennadel in Gold des Demokratische Forums der Deutschen im Banat ausgezeichnet. Dr. Fernbach bezeichnete Koschyk als echten Freund der deutschen Minderheit, der Worten auch stets Taten folgen ließ und dessen Verdienste um den qualitativen Erhalt der deutschen Schule in Rumänien zukunftsweisend seien. Koschyk versicherte in seinen Dankworten, dem Banat auch weiterhin eng verbunden zu bleiben. Nach Koschyk wurde der jungen Schauspielerin Isa Berger der Stefan-Jäger-Preis seitens der Stefan-Jäger-Stiftung verliehen. In seiner Laudatio lobte der Intendant des Temeswarer Deutschen Staatstheaters, Lucian Manuel Vărşăndan, nicht nur die schauspielerischen Fähigkeiten der Geehrten und die Kraft ihrer Bühnenpräsenz, sondern auch ihre Verdienste um den schauspielerischen Nachwuchs in der NiL-Junior-Theatergruppe.

Zwei weitere Ereignisse dieser Heimattage werden mir nachhaltig in Erinnerung bleiben. Am Samstagnachmittag folgte dem Festakt in der Oper ein Kulturnachmittag im Capitol-Saal der Philharmonie. Die Auftritte der vielen Gruppen – individuell und mit ganz eigenen Merkmalen – waren von guter Qualität. Beeindruckend war neben einer ausgesprochen erfreulichen Qualität der Trachten auch das dargebotene Programm. Klassische Volkstänze wechselten sich mit Blasmusik ab, wobei die erst vor zwei Jahren gegründete Lambert-Steiner-Kapelle aus Sanktanna nicht nur durch ihre durchweg jugendliche Präsenz, sondern auch durch ihren Spaß am Tun besonders beeindruckte. Alle Herzen im Publikum öffnete sicherlich die Hänsel-und-Gretel-Gruppe der Kindergärten und Grundschulklassen des Lenau-Lyzeums und des Banater Kollegs. Bewunderung zollte ich aber auch der Tanzgruppe aus Detta, die einen äußerst komplizierten Bändertanz souverän präsentierte.

Eine erneute Begegnung mit den Gruppen, aber auch vielen anderen Trachtenträgern wurde am nächsten Tag auf dem Domplatz ermöglicht. Bunt und eindrucksvoll bewegte sich der Trachtenzug zum Dom, um die heilige Messe zu besuchen. Die Worte des Bischofs der Diözese Temeswar, Martin Roos, werden mir ebenso lange im Gedächtnis bleiben wie die übrigen Erlebnisse dieser Tage. Nach einer Würdigung der Geschichte der Diözese und des Domes zu Temeswar fand Roos auch mahnende Worte. Jenseits der Feiertage sehe der Alltag anders aus. Die Kirchen stünden leer und leere Kirchen brauche niemand. Sie seien zu einer Zeit gebaut worden, als man sie benötigte. Wir alle, führte Ross weiter aus, stehen vor Herausforderungen, die nur ein starkes Herz bewältigen könne. Als Vergleich nannte er den Dom, der wie kein anderes Gebäude auch ein Symbol für die Geschichte der Deutschen im Banat sei. Der Dom sei das sicherste Gebäude der Stadt. Er ruhe auf Eichenpfählen und besitze ein starkes Fundament, unter der Erde gäbe es mehr Steine als über ihr. Der Dom verleiht Stabilität im doppelten Sinn des Wortes.