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Besonders begabte Gäste

Der Freiburger Singkreis mit Anton Bleiziffer am Akkordeon (Foto: Josef Budean)

Toni bekommt eine Mundharmonika von Herrn Gockl geschenkt (Foto: Josef Budean)

Das Ehepaar Ibrahim und Sehriban Sarialtin bei seinem Vortrag (Foto: Josef Budean)

Beim Freiburger Antoni-Treffen: Frage: »Alles wie immer?« Antwort: »Ja! – Und doch wieder ganz neu!«

Mit Hilfe von „Tick Tack“, das in diesem Jahr zum 20. Mal erschien, kann man nachprüfen, ob diese Antwort zutrifft. Das Redaktionsteam um Josef Rentz, den unermüdlichen Gestalter dieser Informationsbroschüre, hatte diesmal die Berichte über alle bisherigen Antonifeste zusammengestellt. Im nächsten Jahr ist ein Bildband geplant. Am 15. Januar fand zum 24. Mal das Freiburger Antonifest statt. Im letzten Jahr hatte ich schon vermutet, dass Toni Bleiziffer und sein Freiburger Singkreis wieder ein tolles Programm auf die Bühne stellen würden, und so war es dann auch. Wie üblich begann das Treffen beim Kaffeetrinken. Ohne dass es einer großen Werbeaktion bedurft hätte, brachten viele Gäste eigene Produkte mit – die altbekannten Gebäckspezialitäten, die es nicht in der Konditorei zu kaufen gibt, sondern Banater Spezialitäten wie z. B. Salzkipfel, Schaumrollen, Dobosch-torte, „Cremesch“, Wasserkipfel, Pischinger – also kurz gesagt Backwaren aller Art, herb und süß. Die Gäste griffen zu und fanden sich im Gespräch mit Landsleuten, Nachbarn und Freunden wieder, während sie von einer einzigartigen Musikbegleitung unterhalten wurden. Der Andrasch-Bacs (84) mit seinem Sohn Richard Weber (56), unterstützt von Josef „Jupp“ Rentz (60), fanden sich zu einem Ziehharmonika-Trio zusammen, und sein Urenkel Lukas Mayer (9) begleitete und unterstützte die drei am Schlagzeug. Man wird lange suchen müssen nach einer solchen Besetzung, und doch wirkte es einfach selbstverständlich. Als altbekannte Melodien, Volksweisen und Lieder erklangen, vermischte sich die Musik mit dem Gemurmel der Gäste und schuf so nicht nur eine gemütliche Atmosphäre, sondern man fühlte sich „daheim“. Toni Bleiziffer unterbrach das angeregte Gespräch nur kurz, um die Festgäste herzlich willkommen zu heißen. Besonders begrüßte er Josef Lutz, den Vorsitzenden der HOG Sanktanna, und seine Stellvertreterin Dr. Anna Henger, die aus Nürnberg und aus der Schweiz eigens nach Freiburg gekommen waren. Die Freiburger Prominenz der Landsmannschaft war selbstverständlich ebenfalls erschienen.

Ehe man sich versah, war die Zeit schon soweit fortgeschritten, dass sich viele in den Abendgottesdienst in die angrenzende Kirche Sankt Petrus Canisius begaben. Der Gottesdienst war eigens eine Stunde vorverlegt worden, damit er besser in den Ablauf der Veranstaltung passte. Ein Blockflötenensemble der Gemeinde gestaltete den Gottesdienst, der mit dem Mutter-Anna-Lied schloss. Während des Gottesdienstes hatten sich die Eisenbahner-Musikanten im Saal auf die Bühne begeben und begleiteten mit ihren Polkas und Märschen das Abendessen. Natürlich gab es wieder die gute Bratwurst nach Sanktannaer Rezept. Ihr wurde eifrig zugesprochen. Auch eine Blasmusik braucht eine Essenpause, und Toni Bleiziffer nutzte diese, um Ehrungen vorzunehmen. Josef Lutz wurde für sein großes Engagement mit dem Ferdinand-Totterer-Heimatpfleger-Ehrenbrief ausgezeichnet, wie auch Johann Kerner und Johann Francz, der sich auch heuer wieder um den guten Ton im Saal kümmerte. Der frisch ausgezeichnete Josef Lutz konnte seiner Stellvertreterin Dr. Anna Henger den Ehrenbrief der HOG Sanktanna überreichen. Resi Weisenburger und Franz Wiesenmayer erhielten die Bronzemedaille der HOG, Elfriede Mayer, Christine Muranyi und ihr Bruder Rainer Muranyi erhielten die Medaille in Silber. Sepp Zippel, der Leiter der EisenbahnerMusikanten, erhielt als Geschenk eine kristallene Trompete, auf der „Aus Böhmen kommt die Musik“ eingraviert war. Der „offizielle“ Teil war vorbei, und die Eisenbahner übernahmen wieder die Bühne, bis die Blaskapelle dann den Platz für das Programm des Freiburger Singkreises räumte.

Worum ging es heuer? Das Thema war „Zwei Heimaten“. Die besonderen, begabten, begnadeten Gäste beleuchteten diese Problematik aus verschiedener Sicht. Sepp Rentz „warnte“ das Publikum, dass es heute Abend auch Unbekanntes vorgeführt bekäme. Man ließ sich nicht vergraulen und wartete auf das, was kommen sollte. Der Singkreis „fetzte“ den Text von S. Rentz musikalisch in den Saal. Es folgte eine alte, getragene Volksweise, die schon wiederholt mit merkwürdigem Text in den Hitparaden auftauchte. Josef Budean hatte einen neuen, feinfühligen Text auf diese Melodie geschrieben. Danach trug er mit seiner Frau Resi den Text als Gedicht vor. Bleiziffer überreichte ihm für diese Leistung eine bronzene Lyra, denn man müsse sehr musikalisch sein, um den Text so eindrücklich auf diese Melodie zu legen. Auch der Saal war dieser Meinung und applaudierte nachdrücklich.

Helmine Bleiziffer trug ein Gedicht über das Brückenschlagen vor. Eine solche Brücke hatte auch der erste „besondere“ Gast überquert. Ibrahim Sarialtin, Freiburger Stadtrat, hat in Deutschland eine zweite Heimat gefunden. Trotz seiner Eigenschaft als Politiker war er zum Singkreis eingeladen worden und trug mit seiner Frau Sehriban türkische Lieder vor, die er selbst auf der Baglama oder Saz, einer Kurzhalslaute, begleitete. Die Baglama spielt auch eine Rolle im Gottesdienst der Aleviten. Der Singkreis hatte das bekannte türkische Liebeslied „Üsküdara gideriken“ (Katibim) in deutscher Sprache eingeübt und trug es – wie unser türkischer Gast betonte – „meisterhaft“ vor. Spontan sang Ibrahim im Anschluss daran mit seiner Frau eine Strophe des Liedes in Türkisch vor. Eigentlich hätten die beiden gleich gehen müssen, aber das Ehepaar Sarialtin war so gespannt auf den Verlauf des Abends, dass es bis zum Schluss dabei blieb. Es folgte das Lied von Robert Rohr „Doppelte Heimat“ – ein Problem, das fast jeden immer noch begleitet. Das Thema wurde erweitert durch Gedanken über eine Rückkehr in die erste Heimat, vorgetragen von Linde Schlegel mit einem Gedicht von Franz Gaubatz.

Ein Mann aus der Batschka – also auch mit zwei Heimaten – trat auf die Bühne: der Freiburger Unternehmer Johann Gockl. Sein Hobby ist das Mundharmonikaspiel, das er eindrucksvoll demonstrierte. Er ist Interpret und Komponist für das Instrument, Erfinder von neuen Mundharmonikas und besitzt eine riesige Sammlung solcher „Taschenorchester“. Vor allem die älteren Zuhörer waren begeistert von seinem eindrucksvollen Vortrag. Der Singkreis sang mit Johann Gockl als Solisten ein Lied über einen „Maulmusich-Spieler“, und mit großem Beifall konnte er sich mit seinem Taschen-orchester verabschieden.

Auf den Weg in die Taiga verwies Brigitte Sandtner mit einem Gedicht über einen Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft. Passend dazu trug der Singkreis das Lied „Taigamelodie“ vor. Elfriede Mayer hatte bei diesem Vortrag einen anspruchsvollen Solopart. Gleich ging es weiter: Elfriede Mayer und Resi Rentz trugen nach so viel ernsten Gedanken einen heiteren Sketch im heimatlichen Dialekt vor. Über den Cholesterinspiegel gab es zwischen den beiden Frauen viele – vergnügliche – Missverständnisse. Ob man einen hohen Cholesterinspiegel hat oder ob man ihn nur höher hängen muss, um abzunehmen, konnte nicht eindeutig geklärt werden. Ob die Kostenerhöhung bei der Krankenkasse nun davon kommt, dass der Arzt jetzt auch noch Spiegel verschreibt – geschliffen oder ungeschliffen – oder ob er die Werte für den Spiegel bei einer Untersuchung ermittelt, auch darüber konnten die beiden Frauen keine Einigung herbeiführen.

Warum singt ein Sänger? Das konnte ich in einem Liedvortrag erklären, nämlich zu seinem eigenen Vergnügen. Und ein falscher Ton ist auch nicht so tragisch, wenn man bedenkt, wie viele falsche Dinge in der Welt geschehen. Erinnerungen an die rumänische Heimat konnte ich – der Norddeutsche, der in Süddeutschland ebenfalls eine zweite Heimat fand – mit dem Walzerlied von J. Pazeller wecken. 1912 komponierte dieser das Lied „Souvenir de Herkulesfürdö“. Sein „Kurschatten“ hatte sich trotz glühender Versprechungen nie mehr bei ihm gemeldet, und darüber klagt er in diesem Lied. Sicher wurden einige Zuhörer an ihre eigenen Kuraufenthalte erinnert – ob mit oder ohne Kurschatten, ob in Herkulesbad oder anderswo.

Nach so viel unterschiedlicher Musik ließ Franz Wiesenmayer uns an seinen Erfahrungen in der Disco teilnehmen. Im Heimatdialekt informierte der Schnepfle-Franz über Kleidungsgewohn-
heiten der Jugend. Man konnte erfahren, dass die zerrissenen Strümpfe der Diskoschönheiten Schöpfungen großer Modedesigner sind. Seine Zusammenfassung: Er habe früher christkatholische Jungfrauen gekannt, die so gut kochen konnten wie die Mutter. Heute sei es wohl so, dass die jungen Frauen so gut rauchen und saufen können wie der Vater. Die Disco kann man sich vorstellen wie das Jüngste Gericht: laute, quälende Musik und ständig Einschläge von Blitzen. Solcherart theoretisch vorbereitet ging es mit einer praktischen Demonstration weiter. Die Musik nahm an Rhythmus und vor allem an Dynamik zu. Alexander und Clemens Bleiziffer zeigten zusammen mit Maria Mena Aragon – sie stammt aus Costa Rica –, wie es in der Disco zugeht. Man fühlte sich in die Sendung „DSDS“ – vermischt mit dem „Musikantenstadl“ – versetzt, und Alexander Bleiziffer brachte es fertig, eine fetzige Rockgitarre zu spielen, obwohl er gar keine dabei hatte. Seine mimischen Fertigkeiten wurden bejubelt wie der ganze Vortrag der jungen Leute. Um den nun kochenden Saal wieder in etwas ruhigere Bahnen zu lenken, verabschiedete sich der Singkreis von seinen Zuhörern mit dem getragenen irischen Lied „Letzte Rose“. Das Publikum war sich einig: An diesem Abend konnte man nicht nur von „Besonderen, begabten, begnadeten Gästen“ sprechen – auch Toni Bleiziffer und sein Singkreis erwiesen sich ein weiteres Mal als besonders begabt und begnadet wie auch das Duo Sepp Zippel und Horst Reiter, das bis zum frühen Morgen mit „heimatlicher“ Tanzmusik unterhielt.

Wie immer klang das Antonifest am nächsten Tag mit einem eindrucksvollen Diavortrag aus. Josef Budean ließ die Zuschauer an der Kirchweih in Sanktanna teilnehmen und nahm sie mit auf eine Fahrt ans Schwarze Meer. Seine Sammlung für die Unterstützung von Deutschunterricht in Sanktanna erbrachte 260 Euro. Man darf auf das nächste Jahr – auf das 25. Antonifest – gespannt sein. Den Termin sollte man sich vormerken: 21. Januar 2012. Es gibt schon Gerüchte über große Ereignisse, da wird aber noch nichts verraten.