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Die „Banater Post“ über zwei Jahrzehnte geprägt

Walter Wolf mit seiner Frau Marianne beim Schwabenball in München. Foto: Karin Bohnenschuh

Walter Wolf, der langjährige Verantwortliche Redakteur unserer Verbandszeitung, wird siebzig - Er hatte mehr als zwanzig Jahre lang unsere Zeitung als Verantwortlicher Redakteur geprägt, aber trotzdem ist über ihn hier nie etwas erschienen. Dafür schrieb er: ausführlich über das Geschehen innerhalb des Verbandes und der Gemeinschaft, selten, eigentlich zu selten einen Kommentar oder eine Glosse über gesellschaftliche oder politische Entwicklungen der Zeit. Diese verfolgte er mit großem Interesse und mit einer festen Meinung, was ihn sorgenvoll auf die gegenwärtige Entwicklung in unserem Land blicken lässt. Mehr Zeit verbrachte er stets mit dem sorgfältigen Redigieren der ihm zugesandten Texte, um jeweils am 5. und 20. des Monats den wartenden Lesern eine interessante Zeitung vorlegen zu können. Darüber hinaus ist er in dieser Zeit stets auch ein echter „Kümmerer“ gewesen, denn für manche Leser war die Zeitung der Kummerkasten, der Redakteur ein Ansprechpartner in diversen Lebenssituationen – es waren zumeist die unangenehmen. Dies hatte er schon so beim „Neuen Weg“ in Arad gemacht, für den er über das Geschehen im Kreis Arad berichtete, und ebenso in München, wo ihm im Februar 1989 die Redaktion der „Banater Post“ anvertraut wurde.

Walter Wolf, von ihm ist die Rede, stammt aus dem Dorf Kleinsanktpeter/Totina im Banat. Es war ein kleines Dorf, ohne Bahnhof und Miliz und etwas abseits gelegen. Vor dem Krieg wanderten von hier einige Männer zum Arbeiten nach Argentinien aus, auch der Großvater von Walter Wolf. Als 1951 das kommunistische Regime seine ihm unzuverlässig und gefährlich erscheinenden Bürger in die Bărăgan-Steppe deportierte, war auch der damals vierjährige Junge dabei. Es war eine traumatische Erfahrung, mit der er sich erst spät auseinandersetzte. Mărculeştii Noi, das spätere Viişoara, war nun Ort der Kindheit geworden. Die erste Klasse besuchte er bereits mit sechs Jahren, denn Lehrer Josef Trapp, ein Deportierter aus Segenthau/Dreispitz, durfte die Schüler in deutscher Sprache unterrichten. Lehrer Trapp ist mit seiner Familie im Bărăgan geblieben, die Nachkommen leben heute noch dort. Auch das ist Banater schwäbische Geschichte im 21. Jahrhundert.

Walter Wolf konnte 1956 heimkehren, im gleichen Jahr kehrte der Großvater aus Argentinien zurück. Ein neues, zwischenstaatliches Abkommen ermöglichte die Zahlung seiner argentinischen Rente nach Rumänien. An das Leben in dem schwäbischen Dorf mussten sich beide erst wieder gewöhnen. „Vor allem das kirchliche Leben war mir völlig fremd, ebenso das Brauchtum“, sagt Wolf heute. Er geht in Perjamosch zur Schule, anschließend besucht er die Deutsche Pädagogische Lehranstalt in Temeswar. 1967 nimmt er ein Philologiestudium (Germanistik und Rumänistik) an der Temeswarer Universität auf, das er 1973 abschließt.

Der Lehrerberuf führt Walter Wolf nach Wolfsberg, wo er seine spätere Frau kennenlernen sollte, nach Kowatschi, nach Kleinsanktpeter und schließlich nach Perjamsoch. Gerne sei er Lehrer gewesen, sagt er heute, denn „man hat uns gut vermittelt, dass der Lehrerberuf auch Berufung sein muss.“ Nachdem seine Frau Marianne, die aus Altsadowa stammt und ebenfalls Lehrerin ist, eine Stelle an der deutschen Schule in Neuarad antritt, ziehen sie in die Stadt an der Marosch. Der Lehrer arbeitet nun –ab 1980 – als Journalist in der Arader Lokalredaktion der Tageszeitung „Neuer Weg“. Dass er bereits 1971 einen Ausreiseantrag gestellt hatte, wusste sein Chefredakteur Ernst Breitenstein in Bukarest. Er hatte nur eine Forderung: Der Arbeitsvertrag sei vor einer Ausreise aufzulösen.

Walter Wolf schrieb Dorfreportagen, berichtete über das Geschehen in den deutschen Dörfern des Kreises Arad. Themen suchte er oft in Nischen, „man kann das alles heute noch lesen, ohne rot zu werden“, lautet sein Fazit nach drei Jahrzehnten. Nach der Ausreise der Eltern und des Bruders naht auch das Jahr der Auflösung des Arbeitsvertrages (1987) und ein Jahr später die Ausreise.

Bei der „Banater Post“ in München sollte ihn ein weitaus breiteres Spektrum der Betätigung erwarten. Er musste vor allem redigieren und korrigieren, Veranstaltungsberichte schreiben, das Layout der Zeitung machen, den Kontakt zu den Verbänden pflegen und, ja, Ansprechpartner und eben ein „Kümmerer“ war er auch hier für viele Landsleute in allen möglichen Lebenslagen. „Das haben Redaktionen so an sich“, sagte er immer, „egal ob in Arad oder in München“. Turbulent war die Zeit der Wende 1989 in Rumänien, als er über Freunde im Banat den Nachrichtenagenturen in Deutschland laufend Berichte aus Arad lieferte. In diese Zeit fiel auch der technische Umbau der Redaktion. 1989 hatte er in beengten Räumlichkeiten mit einer Schreibmaschine sowie Schere und Kleister für das Groblayout begonnen, als er im Sommer 2012 in Rente ging, arbeitete er mit einem leistungsstarken Rechner und das  Layout wurde damals zumindest teilweise bereits am Bildschirm erstellt. Ein Jahr später dann komplett.

Im Ruhestand widmet sich Walter Wolf seinen fünf Enkelkindern, pflegt mit seiner Frau den Chorgesang, ärgert sich nach wie vor über Talksendungen im Fernsehen und liest viel. Sein Sohn war bei der Ausreise 17 Jahre alt, er ist Mitglied der Landsmannschaft und liest mit Interesse die „Banater Post“.

Vor zehn Jahren war Walter Wolf das letzte Mal in seinem Heimatort Kleinsanktpeter, in dem noch ein Deutscher lebt. In Bukarest ist er gewesen, um seine Securitate-Akte einzusehen. Gefunden hat er, was er vermutet hatte. Über vier Jahre hinweg wurde er intensiv beschattet, eine Wanze war in der Steckdose, eine im Telefon. Bei einem großen Fest in einer schwäbischen Gemeinde, in der auch ein bundesdeutsches Fernsehteam unterwegs war, hatte er gleich sieben Aufpasser um sich, die aber auch in dieser Vielzahl nichts für die Staatsmacht Verdächtiges berichten konnten. Weitere, spätere Aktenfunde hat er nicht mehr in Augenschein genommen, sie stehen für die Zeit von gestern.

Am 26. Mai wird Walter Wolf siebzig Jahre alt. Mit ihm konnte man trefflich streiten und er war stets ein guter Kollege. Herzlichen Glückwunsch und ad multos annos!