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Popmusik und Polkaschritt oder Gegensätze ziehen sich an

125 Teilnehmer fanden sich am dritten März-Wochenende zum DBJT-Brauchtumsseminar im Allgäu ein. Den 45 Kindern und 80 Erwachsenen wurde ein vielseitiges Programm geboten, das Tanz-, Theater-, Bastel- und Trachtenworkshops umfasste.

Beim Bastelkurs unter der Anleitung von Heidi Müller konnten die Kinder ihre gestalterisch-kreativen Fähigkeiten und Ideen einbringen. Fotos: Nikolaus Dornstauder

Was haben Popmusik, Soul und Hip-Hop mit Polka und den Banater Schwaben zu tun? Und was haben Gevatter Tod und di Fresch gemeinsam? Die Antwort darauf scheint doch völlig klar, nur sehr wenig bis gar nichts, oder etwa nicht? 45 Kinder und 80 Erwachsene sollten schnell eines Besseren belehrt werden. Aber ganz von vorne.

125 Teilnehmer hatten sich zum ersten Brauchtumsseminar des Jahres, das vom 17. bis 19. März in Unterhub im Allgäu stattgefunden hat, angemeldet. „Es ist ein absoluter Rekord, so viele Teilnehmer gab’s noch nie“, erklärte Harald Schlapansky, Bundesvorsitzender der DBJT (Deutsche Banater Jugend- und Trachtengruppen), der es selbst gar nicht fassen konnte. Er dankte der Landsmannschaft, „die weder Kosten noch Mühen gescheut hat, dies alles zu ermöglichen“. Das Programm war vielfältig, ob jung oder alt, tanzwütig oder nicht, es war für jeden etwas dabei.

Verköstigt und ganz nach Banater Manier verwöhnt wurden dieses Mal alle von der Kochgruppe München und Spaichingen – da gab es neben einem reichhaltigen Frühstück, Krumber und Nudle mit Kompot, Krumber un Worscht oder gebroteni Hinglschunke mit Saurem. Kurz gesagt, hungern musste an diesem Wochenende niemand. Bereits am Abend der Anreise gab es einen ersten kulinarischen Vorgeschmack der Kochkünste, serviert wurde eine stärkende Fleischknedlsupp, auch bekannt als „Ciorbă de perişoare“, bevor es in die ersten Workshops oder Vorträge ging.

Während sich die Kinder in einer Kennenlernrunde spielerisch mit den Themen Banat, Landsmannschaft, Kirchweihfest und DBJT auseinandersetzten, lauschten die Erwachsenen gespannt dem Vortrag von Dennis Schmidt, der über seinen Aufenthalt bei den Donauschwaben in Entre Rios/Brasilien referierte.

Zu später Stunde, während die Kinder bereits in ihren Betten schliefen, ließen die Erwachsenen dann den Abend in gemütlicher Runde mit Tanz und Gesang ausklingen. Da wurden Gitarre und Akkordeon ausgepackt und gemeinsam gesungen und musiziert. Ob Schlager, Volkslieder oder Rock und Pop, es gab nichts, was ausgelassen wurde. Stunde um Stunde verging, ans Aufhören schien dabei keiner zu denken, ebenso wenig wie ans Aufstehen am nächsten Morgen – wie immer war die Nacht viel zu kurz und der morgendliche Weckruf kam viel zu früh.

Gestärkt vom guten Frühstück, versammelten sich dann alle in den jeweiligen Seminarräumen, um mit den Kursen zu beginnen. Bei Stefan Ruttner ging es für die Erwachsenen nochmal an die Basis. Im Grundkurs Walzer und Polka brachte Ruttner den interessierten Tänzerinnen und Tänzern vor allem den richtigen Schwung beim „Zeppeln“ bei. Im Anschluss übte er mit den Kindern verschiedene Volkstänze ein. Musikalisch unterstützt wurde er dabei von Korbinian Dölger am Akkordeon.

Melanie Müller war für den Kurs modernes Tanzen zuständig und heizte den Teilnehmern bei flotter Musik mächtig ein. Flotte Musik gab’s auch bei Stefanie Timmler im Grundkurs Walzer und Polka für Kinder. Doch anstelle der bekannten Blasmusikklänge ertönten hier Lieder aus den aktuellen Charts. Der Polkaschritt lässt sich nämlich hervorragend auf Rock, Pop, Soul, ja sogar Hip-Hop üben. Kein Wunder, dass sich Stefanie Timmler vor begeisterten Kindern, die an ihrem Workshop teilnehmen wollten, fast nicht retten konnte.

Eine Etage höher tropfte der Schweiß bei den Erwachsenen, die die Gemeinschaftstänze der DBJT übten, Sandra Keller und Melanie Furak trieben dabei sowohl die Anfänger als auch die Fortgeschrittenen motivierend an. Natürlich durfte auch ein neuer Tanz nicht fehlen, den hatten Heidi Müller und Harald Schlapansky im Gepäck. Mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen erklärten und zeigten die beiden die Drehungen und Figurenfolgen bis auch das letzte Paar den Walzer „Gruß aus der Heimat“ (fast) fehlerfrei tanzen konnte.

Während die einen tanzten, übten sich andere in der Theaterkunst. Eine kleinere Gruppe Theaterbegeisterter versammelte sich um den Banater Schauspieler Walter Roth und ließ sich in die Kunst des Schauspiels einweisen. Dabei erarbeitete sich die Gruppe die Tragikomödie „Gevatter Tod“ in fünf Akten frei nach den Gebrüdern Grimm. Walter Roth, selbst Autor der Stücks, widmete es seinen Landsleuten. So ist der Vater aus dem Märchen, der auf der Suche eines Gevatters (Patenonkel) für sein Neugeborenes ist, ein armer Schreinermeister in einem banatschwäbischen Dorf nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges und der Machtübernahme der Kommunisten in Rumänien. Seine Begegnung auf nächtlicher Straße mit Gott und dem Teufel ist ebenso urkomisch wie bizarr, und das kann nicht allein daran liegen, dass die Dorfbewohner in ihrer Mundart und der überirdische Besuch in seiner gewählten Sprache völlig aneinander vorbei reden. In Anlehnung an das Märchen der Gebrüder Grimm spannt die Tragikomödie „Gevatter Tod“ dabei einen weiten Bogen deutscher Siedlungsgeschichte, aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts über zwei Generationen hinweg bis in die unmittelbare Gegenwart der heutigen Deutschen in der Bundesrepublik.

Apropos Mundart: unter der Leitung von Günter Kaupa hatten die Kinder die Möglichkeit, bekannte Lieder in schwowischem Dialekt zu singen. So übten sie zum Beispiel die Stücke „Di Fresch“ und „Truna in de grini Au“. Außerdem sangen sie gemeinsam sowohl die deutsche wie auch die Banater Hymne. Wobei die Banater Hymne bei einigen für verblüffte Gesichter sorgte, denn nicht allen war bewusst, dass die Banater Schwaben eine eigene Hymne haben. Auf verschiedenen Instrumenten konnten die Kinder darüber hinaus Takt, Rhythmus und Spielweise bei unterschiedlichen Liedern üben. Hilfreich war dabei übrigens, so Günter Kaupa, dass viele der Kinder gerade beginnen, das Spielen eines der Instrumente zu erlernen.

Ein weiterer Kurs, den es zu erwähnen gilt, war das Kinderbasteln mit Heidi Müller. Unglaublich was sich aus farbigem Tonpapier, bunten Pralinenförmchen aus Papier und Knöpfen mit ein bisschen Fantasie und Kreativität so alles machen lässt.

Nicht zu vergessen ist ein Kurs etwas abseits des normalen Programms. Bereits zum zweiten Mal traf sich unter der Leitung der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Christine Neu die Arbeitsgruppe „Projekt Tracht“ im Allgäu. Ziel ist es unter anderem, die verschiedenen Trachten und Accessoires aus dem Banat schriftlich und bildlich in Foto und Video festzuhalten. Ein Dank an Brunhilde und Hans Forro, die die Aufgabe der bildlichen Dokumentation übernommen haben. Dreizehn Teilnehmer umfasste die Arbeitsgruppe, darunter auch zwei Männer. Sogar Gäste aus dem Banat waren mit dabei, Edith Singer, Edith Bartha und Claudia Bereczki reisten eigens an, um den Hutschmuck und seine traditionelle Anfertigung vorzuführen. Dass diese feinmotorische Handarbeit aber nicht nur Frauen vorbehalten ist, stellte Herr Wittmann unter Beweis. Mit viel Feingefühl zeigte er, wie die Neupanater ihre Kirchweihhüte verzieren. In die Kunst des Knüpfens am Beispiel eines Schultertuchs weihte dann Barbara Fetzer ein. Claudia Bereczki schlüpfte währenddessen in die Nitzkydorfer Brauttracht, während Hilde Redl und Hildegard Bauer das Ankleiden einer Kirchweihtracht vorführten.

Aber wer arbeitet, darf auch feiern, und so ließen alle den arbeitsintensiven und lehrreichen Samstag mit Musik und Tanz ausklingen. Bevor jedoch die Weinbergmusikanten zünftig aufspielten, zeigte die Theatergruppe, was sie gemeinsam erarbeitet hatte.

Der Weckruf am nächsten Morgen kam wie immer viel zu früh und riss alle aus ihren Träumen. Nach dem Frühstück gab es traditionell von allen Gruppen eine Vorführung des Neuerlernten und Aufgefrischten. Ein Dank an dieser Stelle allen Dozenten und Referenten für die Arbeit, Mühe und Zeit, die sie in die Vorbereitungen, aber auch während des Wochenendes investiert haben. Gedankt sei aber auch allen Teilnehmern fürs Mitmachen. Ein besonderer Dank geht zudem an das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Frauen, das über das Haus des Deutschen Ostens München dieses Seminar gefördert und somit ermöglicht hat.

„Das Wochenende war sehr intensiv, aber, wie ich finde, auch sehr erfolgreich. Einen Wunsch hätte ich jedoch für das nächste Seminarwochenende im Herbst. Wenn wir einen Salzkipfel-Backkurs für Jugendliche auf die Beine stellen könnten, wäre das toll“, resümierte Harald Schlapansky.

Wie immer ging die Zeit viel zu schnell vorbei. Umso mehr freuen sich alle auf ein baldiges Wiedersehen beim DBJT-Jugendball am 6. Mai in Wendlingen, auf den Schlapansky nochmals besonders hingewiesen hat: „Die DBJT feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Das muss gefeiert werden und dazu möchte ich alle Ines S ganz herzlich einladen. Ich freue mich auf ein Wiedersehen.“