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Tagung in Frankenthal: Neue Impulse für die Verbandsarbeit (1)

Die Tagungsteilnehmer folgen interessiert den Ausführungen von Halrun Reinholz über „Kaiserin“ Maria Theresia und deren Bezüge zur Banater Geschichte. Foto: Cornel Simionescu-Gruber

Rund 170 Funktionsträger unserer Landsmannschaft – so viele wie noch nie – fanden sich am 25. März im Donauschwabenhaus in Frankenthal zu einer zweitägigen Kultur- und Organisationstagung ein. Zu dieser traditionellen Verbandstagung treffen sich alljährlich die Vorsitzenden der landsmannschaftlichen Gliederungen: Landesverbände, Kreisverbände und Heimatortsgemeinschaften.

Franz Schlechter, HOG-Sprecher im Bundesvorstand, begrüßte den Oberbürgermeister der Stadt Frankenthal, Martin Hebich, die Mitglieder des im Februar neugewählten Bundesvorstandes unserer Landsmannschaft, den Ehrenbundesvorsitzenden Bernhard Krastl, die Landesvorsitzenden Josef Prunkl (Baden-Württemberg) und Adam Lulay (Rheinland-Pfalz), den Vorsitzenden des Hilfswerks der Banater Schwaben, Nikolaus Rennon, die Referenten der Tagung sowie alle Teilnehmer. Dem Kreisverband Frankenthal mit seinem Vorsitzenden Johann Schmaltz und dem Helferteam dankte Schlechter für den organisatorischen Beitrag zum guten Gelingen der Tagung. Anschließend wurde mit einer Schweigeminute unserer Verstorbenen gedacht.

Nach dem gemeinsamen Singen der Banater Hymne band der Chor der Donaudeutschen Landsmannschaft Frankenthal unter der Leitung von Katharina Eicher-Müller einen symbolischen bunten Strauß an Melodien, den die Sängerinnen und Sänger den Gästen zur Begrüßung  überreichten.
Das Kürzel „FT“ sei nicht nur das Autokennzeichen von Frankenthal, sondern stehe auch für das Motto dieser Stadt: „Freunde treffen“, sagte Oberbürgermeister Hebich in seinem Grußwort. Die Banater Schwaben in Deutschland und weltweit seien freundschaftlich miteinander verbunden, sie bemühten sich gemeinsam um die Bewahrung ihrer kulturellen Identität und die Pflege ihrer Traditionen. Begegnungen wie die alljährlichen Tagungen in Frankenthal böten die Möglichkeit, die freundschaftliche Verbundenheit und den Austausch zu pflegen. Die Stadt Frankenthal werde den Banater Schwaben immer ein freundlicher Gastgeber sein, versicherte Hebich.

„Kaiserin“ Maria Theresia und die Schwaben

Nachdem sich 2017 der 300. Geburtstag der „Kaiserin“ Maria Theresia jährt, widmete sich der erste Vortrag der diesjährigen Tagung dieser großen geschichtlichen Persönlichkeit und ihren Bezügen zur Banater Geschichte. Halrun Reinholz, die neue Betreuerin des Kultur- und Dokumentationszentrums der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Ulm, bot einen konzisen Abriss über Leben und Familie der Regentin der Habsburgischen Länder, die sich aufgrund ihrer Heiratspolitik den Beinamen „Schwiegermutter Europas“ einhandelte. Die Referentin schilderte die Umstände der Regierungsübernahme im Jahr 1740, die Durchsetzung ihrer Herrschaftsansprüche infolge jahrelanger kriegerischer Auseinandersetzungen sowie die strategisch-politischen Ziele ihrer 40-jährigen Regentschaft. Breiten Raum nahmen in den Ausführungen der Referentin die zahlreichen von Maria Theresia durchgesetzten Reformen in den Bereichen Verwaltung, Militär, Justiz, Bildung und Wirtschaft ein, die zur Modernisierung des Reiches führten und langlebige Auswirkungen hatten. Ein weiteres Kapitel des Vortrags war der Siedlungspolitik Maria Theresias gewidmet, mit deren Namen das Ansiedlungspatent von 1763 und der zweite, sogenannte Große Schwabenzug (1763-1772) verbunden sind. Als Ergebnis dieser Kolonisationspolitik entstand ein relativ geschlossenes deutsches Siedlungsgebiet auf der Banater Heide. Die damals neu angelegten Ortschaften feiern derzeit ihr 250-jähriges Gründungsjubiläum.

Zum Schluss verwies Halrun Reinholz auf die große Sonderausstellung „300 Jahre Maria Theresia: Strategin – Mutter – Reformerin“, die zurzeit an vier Standorten in Wien und Niederösterreich gezeigt wird (wir berichteten in unserer vorherigen Ausgabe). Ein Beitrag zum 300. Geburtstag Maria Theresias aus der Feder von Halrun Reinholz wird in einer unserer nächsten Ausgaben erscheinen.

Diözese Temeswar: Geschichte und Gegenwart

Thema des zweiten Vortrags war die aktuelle Lage des Bistums Temeswar unter besonderer Berücksichtigung der auch für die Tagungsteilnehmer relevanten Fragen in Zusammenhang mit dem Kirchenbesitz, Friedhofsangelegenheiten und Kirchenrenovierungen. Diözesanarchiv Claudiu Călin streifte zunächst die Geschichte der aus dem alten Bistum Tschanad hervorgegangenen Diözese Temeswar, die mit etwa 100000 Gläubigen die drittgrößte unter den sechs römisch-katholischen Bistümern des Landes ist, wonach er über die Leitung der Diözese, das Bischöfliche Ordinariat und dessen Aufgabenbereiche sowie über die Struktur der Diözese (vier Erzdekanate, acht Dekanate und 72 Pfarreien) zu sprechen kam. Von den 96 Priestern des Bistums seien drei im Ausland und einer als Theologieprofessor in Karlsburg/ Alba Iulia tätig, zehn seien in Rente und nicht mehr in der Seelsorge tätig, teilte der Referent mit.  Im Banat wirkten zurzeit fünf Frauen- und zwei Männerorden mit insgesamt 36 Ordensleuten. Călin berichtete sodann über die Priesterausbildung, die Jugendarbeit innerhalb des Diözesanjugendzentrums, den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, der oft von Priestern erteilt werde, und die Kirchensteuer, die auf Freiwilligkeit beruhe und ein Prozent des Jahreseinkommens, aber mindestens 60 Lei pro Jahr betrage.

Die Situation des Kirchenbesitzes stelle sich unterschiedlich dar; einiges sei rückerstattet worden, in vielen Fällen müssten noch Klärungen herbeigeführt bzw. die Rechte erkämpft werden, betonte der Diözesanarchivar. Bischof Roos habe in einem Rundschreiben vom Dezember 2016 den Priestern nahegelegt, die Situation der zurückgegebenen Grundstücke und die rechtliche Lage der Friedhöfe zu klären und das Eigentum entsprechend auch im Grundbuch eintragen zu lassen. Für die Friedhöfe, die Eigentum der Kirche sind, gelten die Bestimmung der allgemeinen Friedhofssatzung von 2002. Vielerorts sei es schwierig, die Pflege dieser Friedhöfe sicherzustellen. Deshalb sei man für die diesbezügliche Unterstützung seitens der Heimatortsgemeinschaft sehr dankbar, sagte der Referent. Es sei wichtig, nicht eigenständig zu handeln, sondern sich mit dem Pfarrer vor Ort abzusprechen. Bei den Friedhöfen, die sich in Gemeindebesitz befinden, hätten die betreffenden Pfarreien bzw. das Bistum kaum Mitspracherechte.

Ein nach wie vor aktuelles und brennendes Thema seien die Kirchenrenovierungen, so Claudiu Călin. Die Diözese versuche, Finanzierungszusagen von verschiedenen Stellen zu erhalten und, soweit möglich, sich auch selbst finanziell zu beteiligen. Sehr wichtig sei zudem die Beteiligung der Heimatortsgemeinschaften, denen der Referent für ihre materielle und moralische Unterstützung dankte. Auch hinsichtlich der Kirchenrenovierung gelte, im Vorfeld Absprachen mit dem Bistum zu treffen, das durch sein Bauamt die Projekte beratend und unterstützend begleiten kann.

Abschließend stellte Claudiu Călin sein eigenes Tätigkeitsfeld – das Diözesanarchiv und dessen Bestände – kurz vor und wies noch auf die große Jubiläumsausstellung zum 300. Jahrestag der Befreiung Temeswars im vergangenen Jahr hin, an deren Zustandekommen das Römisch-Katholische Bistum maßgeblich beteiligt gewesen sein. Nach seinem Vortrag stand der Referent den Tagungsteilnehmern Rede und Antwort.

Fotoarchiv der HOG Guttenbrunn

Über Ziele und Aufbau des Fotoarchivs der Heimatortsgemeinschaft Guttenbrunn und bisher erzielte Ergebnisse referierte nach der Pause HOG-Kassenwart Erwin Berg. Ohne zu wissen, was auf ihn zukomme, habe er Mitte 2014 damit begonnen, ein Fotoarchiv der HOG Guttenbrunn aufzubauen. Dies umfasse mittlerweile rund 4700 Bilder und ein Ende sei noch nicht in Sicht. „Mit großer Begeisterung sind meine Frau und ich immer noch bei der Arbeit“, sagte Berg. Ziel dieses Projekts sei es, die Geschichte seines Heimatortes, das Leben der Menschen, ihre Sitten und Bräuche fotografisch zu dokumentieren. Er habe dabei große Unterstützung seitens seiner Landsleute erfahren und dies habe die Realisierung des Projekts vorangetrieben.

Erwin Berg beschrieb die Vorgehensweise von der Beschaffung und Digitalisierung der Fotografien über deren Bearbeitung und Beschriftung bis hin zur thematischen Zuordnung und erläuterte die Modalitäten der Weitergabe von Bildmaterial aus dem Fotoarchiv der HOG. Der Referent präsentierte eine Vielzahl von Bildern zu diversen Themenbereichen, darunter sehr alte und einzigartige Aufnahmen.

Projekte, Initiativen, Zielsetzungen

Die anschließende Veranstaltungseinheit war der Vorstellung von Projekten und Initiativen, Vorschlägen und Anregungen vorbehalten. Zur Sprache kamen folgende Punkte: Veranstaltungen und Projekte des Landesverbandes Baden-Württemberg (Josef Prunkl), des Landesverbandes Bayern (Peter-Dietmar Leber) und der DBJT (Harald Schlapansky), Anforderungen an das Text- und Bildmaterial für die „Banater Post“ (Walter Tonţa), Mitgliedschaft in der Landsmannschaft und Mitgliederwerbung (Harald Schlapansky), Herausgabe des digitalen Archivs der „Banater Post“, Jahrgänge 2012-2016, auf USB-Stick (Jürgen Griebel), Flyer der Arbeitsgruppe „Projekt Tracht“ und Leitfaden zum Tragen der Tracht (Christine Neu), Anerkennungsleistung an ehemalige deutsche Zwangsarbeiter (Ewald Kühn, Peter Krier), Initiative „Banater Frauentreff München“ (Hiltrud Leber), Treffen der Gruppe „Frauen – Ehrenamt in der Landsmannschaft“ (Christine Neu), Realisierung einer Rollup-Ausstellung zum 300. Jahrestag der Befreiung des Banats durch die Übersetzung der Texte der im vergangenen Jahr in Temeswar gezeigten Jubiläumsausstellung ins Deutsche (Peter-Dietmar Leber), Busreise der Landsmannschaft zur Deutschen Wallfahrt in Maria Radna  vom 29. Juli bis 5. August 2017 (Franz Schlechter), Erneuerung der Trachtenpuppen im Heimatmuseum Lenauheim (Werner Griebel).

Nach einem deftigen Abendessen wohnten die Tagungsteilnehmer einer Theateraufführung bei. Die Laienspielgruppe des Kreisverbandes Frankenthal brachte das Stück „Kreizfahrt im Schweinstall“, eine Komödie in drei Akten von Carsten Lögering, auf die Bühne. Der in banatschwäbischer Mundart gespielte Schwank wurde vom Publikum begeistert angenommen. Über den Theaterabend und die am Sonntag präsentierten Vorträge berichten wir in der nächsten Ausgabe.