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Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt

»Anbetung« (unbekannter Meister). Foto: Archiv Kulturzentrum Ulm

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dieses war im Anfang bei Gott.“ So beginnt das Evangelium der Heiligen Nacht (Joh 1,1 ff). Diese Worte verkündet uns die Kirche als Frohbotschaft des Hochfestes der Menschwerdung Gottes. Jesus, dieses kleine Kind in der Krippe, war schon vor aller Zeit gezeugt, in der Ewigkeit. Dieses ewige Wort ist in die Zeit gekommen und hat den Himmel mit der Erde erneut verbunden, hat den Menschen wieder mit Gott versöhnt in seiner Gottmenschlichkeit. „Durch das Wort ist alles geworden, und nichts, was geworden, ward ohne das Wort“, fährt der Evangelist in seinem Bericht weiter. Alles, die ganze Schöpfung, hat also seinen Ursprung und damit seinen geheimnisvollen Sinn in der Ewigkeit. Der Sinn unseres Lebens, der Sinn unserer Welt, der Sinn der ganzen Geschichte! Von diesem Ursprung berichtet der Anfang des Johannes-Evangeliums, dass er wahres Leben in sich trägt, das fähig ist, das Leben der Menschen zu erleuchten.

Wir kennen wohl alle den Sinnspruch, in dem es heißt: „Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ Dieses Wort macht nur dann Sinn, wenn wir es vom Zeugnis des hl. Apostels und Evangelisten Johannes her verstehen, der im Evangelium der Weihnachtsnacht auf den hinweist, in dem das Leben wesenhaft ist – und der es nicht erst empfangen hat. „Er ist das Licht, das in der Finsternis leuchtet.“ Dieses Licht ist göttliches Licht; es ist im Gnadengeschehen der Heiligen Nacht in Jesus Christus zu uns gekommen. Hier, und letztlich hier allein, hat denn auch das „irgendwo“ des Sinnspruches seinen wahren und endgültigen Ort. In Gott, der in Jesus Christus zu uns kommt, ist das Licht für alle Menschen erschienen. „Er ist das Licht, das in die Welt, in sein Eigentum kam“ – Licht, das nicht trügt, das die Nebel der Unwissenheit verscheucht und menschlichem Leben „ein Lichtlein“ aufstellt. Die ersten Christen hatten allen Grund, den Herrn als die wahre und unbesiegbare Sonne zu preisen, weshalb sie auch nach der Katakombenzeit schnell das alte heidnische Sonnenfest Roms, der „sol invictus“ (Fest der unbesiegbaren Sonne) durch das Geburtsfest Jesu in Bethlehem ersetzten. Im Vergleich mit dem heidnischen Fest der sichtbaren Sonne in ihrem Auf und Ab am Sternenhimmel sahen sie ein zutreffendes Gleichnis für die Kraft des göttlichen Lichtes von Bethlehem.

All die Lichter in der Weihnachtszeit wollen – oder besser sollten – davon künden, dass im Kind in der Krippe Gottes befreiendes Licht über unserem Leben aufgegangen ist. Oft hat man den Eindruck, wenn das Fest vorbei ist, wir hätten nicht nur Weihnachten, sondern erst recht den Advent hinter uns gebracht. Obwohl es vom Datum her stimmt, so stimmt es doch nicht von der Sinngebung her. Dass Gott sich selbst mit der Welt verbunden hat, ist nämlich nicht nur aus der geschichtlichen Perspektive, sondern vielmehr von der Sinn-Perspektive her zu betrachten. Die Geburt des Kindes in Bethlehem war der Anfang. Gottes Ankunft in Knechtsgestalt auf dieser Welt ist daher der Vorausschein und das Vorzeichen für seine endgültige und siegreiche Ankunft am Ende der Zeiten. Darum kann man sagen: Der wahre Sinn des Weihnachtsfestes entstammt zwar dem geschichtlichen Geschehen in Bethlehem, Sinn und Zweck dieses Geschehens aber zieht mit der Menschheitsfamilie durch die Jahrhunderte, um in die zweite Ankunft Jesu zu münden. Wenn wir im Verlauf dieser „Fortschreibung“ Weihnachten nicht immer wieder neu als Geschenk aus Gottes Hand empfangen, haben wir den Sinn jeder Weihnachtsfeier verfehlt. Denn mögen wir noch so oft im Leben Weihnachten feiern, wir werden nie über Weihnachten hinaus- und aus dem Advent herauskommen bis zur Wiederkunft des Herrn.

Gott bleibt im Kommen! Zwischen-zeitlich sind wir mit dem „Rufer in der Wüste“, Johannes dem Täufer, aufgefordert, Künder und Zeugen dieses Lichtes aus Bethlehem zu sein, von dem der Evangelist sagt, es sei „voll Gnade und Wahrheit“. Nie können Menschen aus eigener Kraft „Licht der Welt“ sein, sondern nur „Zeugen des wahren Lichts“, wie das Evangelium Johannes den Täufer beschreibt. So wie damals Gott unter alltäglichen und armseligen Verhältnissen zu uns gekommen ist, so sollen wir Zeugen dafür sein, dass Gott auch heute im Alltag des Menschen im Kommen ist. Darin liegt ein großer Trost und der eigentliche Friede des Weihnachtsfestes, von dem die Engel in Bethlehem sangen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind!“ Denn einerseits dürfen wir darauf vertrauen, dass auch in der Unscheinbarkeit unseres Alltags das Licht der Gnade Gottes leuchtet, und andererseits brauchen wir nichts Spektakuläres zu vollbringen, um Zeugen des Lichtes zu sein. Weihnachten wird sicher unser Leben nicht einfach vergolden, aber es schließt unser Leben auf für jenes göttliche Licht, das unserem Leben letztlich Sinn und Trost zu geben vermag.