Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

Das Banat: Wandel – Erinnerung – Identität

Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB (Vierter von rechts) mit Vertretern der Deutschen Gesellschaft, des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat und der Landsmannschaft der Banater Schwaben sowie Referenten und Teilnehmern der Konferenz. Foto: HOG Nitzkydorf

Die Schriftsteller Horst Samson (oben) und Balthasar Waitz (unten) bestritten den Literarischen Abend mit Lesungen aus ihren Werken. Fotos: Leber

Soziologen, Anthropologen, Historiker, Schriftsteller, Politiker und Zeitzeugen haben sich Ende August in Temeswar eingefunden, um das Thema „Banat“ in den Blick zu nehmen. Während der zweitägigen Konferenz, zu der die Deutsche Gesellschaft e.V. eingeladen hatte, fanden Vorträge, Podiumsdiskussionen und Ausstellungsbesichtigungen statt. „Wandel“, „Erinnerung“ und „Identität“ waren die drei Kernthemen, die die Referenten dem Publikum näherbrachten. Die Konferenz wurde mit Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung, des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien und des Regionalforums Banat sowie der Landsmannschaft der Banater Schwaben im Karl-Singer-Saal des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses veranstaltet.

„Wir wollten unbedingt einen Blick auf das Banat richten und versuchen, auf mehrere Fragen Antworten zu finden. Welche Identitäten bestehen, wie definieren sich die Menschen in einer multiethnischen Gesellschaft, wie gehen sie mit ihrer Vergangenheit um und wie meistern sie die Gegenwart“, sagte Dr. Andreas H. Appelt, der Bevollmächtigte des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft e.V. mit Sitz in Berlin. Es war nicht von ungefähr, dass Temeswar als Austragungsort für die Tagung gewählt wurde. Heuer werden 300 Jahre begangen, seitdem das Banat durch die Habsburger von der osmanischen Herrschaft befreit und anschließend von Deutschen besiedelt wurde. Nicht nur das Banat, sondern auch die Banater Schwaben standen im Mittelpunkt der Gespräche in Temeswar.

„Der weit gespannte, zeitliche und geographische Bogen vom historischen Banat des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart erzählt offensichtlich eine Geschichte. Mir geht es in meinem Vortrag darum, die diese Geschichte maßgeblich strukturierenden und kennzeichnenden Elemente herauszuarbeiten. Drei Faktoren haben die Identität der Banater Schwaben im Laufe der Jahrhunderte bestimmt: Migration, Grenzziehung und Krieg“, sagte der aus Hermannstadt stammende Historiker Dr. Matthias Beer, Geschäftsführer des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen.

Der Banater Soziologe und Mitbegründer der Aktionsgruppe „Banat“, Prof. Dr. Anton Sterbling, sprach über das Banat „zwischen Realität und Mythos“. „Unsere Erinnerung funktioniert in einem mehrschichtigen Zusammenhang. Wir verknüpfen Realitäten oder das, was wir dafür halten, auch mit anderen Elementen, die den Mythos auszeichnen, unter anderem einer Ursprungserklärung von Zusammenhängen, einer symbolischen Erweiterung und Erhöhung des Realen und einer emotionalen Grundierung dieser Wissenszusammenhänge. Das versuchte ich einerseits als eine Grundform der kollektiven Erinnerung darzustellen, und andererseits – was ich ,Dekonstruktion‘ nannte – die historisch nachgewiesenen Elemente von dem zu trennen, was der Sinnprojektion und der Ausdeutung angehört“, erklärte Professor Sterbling, der auch feststellte, dass jede der im Banat lebenden Ethnien ihren eigenen „Mythos Banat“ habe.

Über das religiöse Erbe der Banater Schwaben und der Berglanddeutschen referierte Claudiu Călin, der für die Konferenzteilnehmer auch eine Führung durch die Ausstellungen „Kathedrale Sankt Georg zu
Temeswar: 280 Jahre 1736 – 2016“ im Hohen Dom sowie „Die Anfänge einer europäischen Stadt“ in der Theresien-Bastei anbot. „Ich wollte die Hörer darauf aufmerksam machen, dass es ein religiöses Erbe für uns alle gibt, dass unsere Vorfahren mit ihrem Glauben ins Banat gekommen sind und diesen Glauben hier gelebt und entwickelt haben. Im Laufe der Jahrhunderte haben die Katholiken ihre Präsenz im Banat sichtbar gemacht – unter anderem durch die vielen Sakralbauten, die es überall im Banat gibt“, sagte Claudiu Călin, der Archivar der Römisch-Katholischen Diözese in Temeswar.

Um den deutschen Unterricht in Rumänien ging es in dem Vortrag von Dr. Cristina Bojan aus Klausenburg, zur  deutschen Schule im Banat am Beispiel Nitzkydorf, dem Geburtsort von Nobelpreisträgerin Herta Müller, referierte Tiberiu Buhnă-Dariciuc, Lehrer und Autor der Monografie der Nitzkydorfer Schule. In Temeswar zugegen war auch der Intendant des Deutschen Staatstheaters Temeswar (DSTT) und aktuell Staatssekretär im rumänischen Kulturministerium, Lucian Vărşăndan, der einen Vortrag über das DSTT hielt.

Der Höhepunkt des ersten Abends war die Lesung der Banater Autoren Balthasar Waitz und Horst Samson. Balthasar Waitz las aus seinem unveröffentlichten Roman „Das rote Akkordeon“, auch einige Gedichte, alle Texte angepasst an die historischen Etappen des umfassenderen Banat-Themas und an die spezielle Problematik der banatschwäbischen Dorfwelt. Der Lyriker Horst Samson erwies sich erneut als ein Banater deutscher Autor von Format. Die präsentierten Auszüge aus seinem Lyrikband „La Victoire“ führten durch die neuere rumäniendeutsche Geschichte, von der Ceauşescu-Epoche bis zur Auswanderung der Banater Schwaben.

Einer der Zeitzeugen, die im Rahmen der Konferenz zu Wort kamen, war Ignaz Bernhard Fischer, Vorsitzender des Vereins der ehemaligen Russlanddeportierten. Der fast 90-Jährige erzählte auf seine humorvolle Art über sein Leben im Banat, angefangen von der Kindheit in Bakowa über die Schulzeit in Temeswar bis hin zur Verschleppung in die ehemalige Sowjetunion. Von Prof. Dr. Smaranda Vultur, die an der Temeswarer West-Universität unterrichtet, erfuhren die Konferenzteilnehmer mehr zum Thema „Trauma und Identität bei den Banater Schwaben“. Die Podiumsdiskussionen zwischendurch moderierten Robert Schwartz von der Deutschen Welle und Christel Ungar-Ţopescu vom rumänischen Fernsehsender TVR.

An der Konferenz teilgenommen hat auch Peter-Dietmar Leber, der Vorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben aus Deutschland. „Es war eine sehr interessante Tagung mit sehr guten Referaten. Das Interessante für mich war, dass man sich diesem Thema unterschiedlich genähert hat. Wir hatten Historiker, Soziologen, Kulturanthropologen und Zeitzeugen, die über ihr Leben berichteten. Die einzige Konstante war ein immerwährender Neuanfang. Wenn man die Verwerfungen der Zeit Revue passieren lässt, so hat sich gezeigt, dass es immer wieder Neuanfänge gegeben hat“, sagte Leber. Auch heute stünde die deutsche Minderheit vor einem Neuanfang. „Was die Banater Schwaben angeht, so haben auch wir eine neue Trägergruppe. Diesbezüglich ist nicht die Herkunft bestimmend, sondern das Interesse für das Thema“, fügte Leber hinzu. Auch Johann Fernbach, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, hatte in seiner Eröffnungsrede über den Identitätsneustart der Deutschen in Rumänien gesprochen und diesbezüglich die Rolle der Jugendlichen hervorgehoben.  „Wir sind zwar als Gruppe kleiner geworden, aber das Interesse für das Banat ist immer noch ganz bewusst da. Heimatortsgemeinschaften suchen gezielt nach historischen Daten, damit sie einen Anlass finden, um ins Banat zu kommen –  eine Situation, die wir vor 20-25 Jahren nicht hatten. Das Banat ist Teil ihrer Identität“, sagte Peter-Dietmar Leber, der vor allem den Austausch bei der Konferenz als sehr wichtig empfand.

Hartmut Koschyk MdB, der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft e.V., war ebenfalls bei der Konferenz zugegen. „Mich hat vor allem die intensive Befassung der Wissenschaftler aus Rumänien mit dem Banat beeindruckt. Interessant war auch die Frage, ob sich heute – egal, ob ich deutscher, ungarischer, serbischer oder kroatischer Herkunft bin, ob ich katholisch, orthodox oder Protestant bin – nicht doch, aufgrund dieser Geschichte der Multiethnizität und -religiosität, so etwas wie ein gemeinsames Banater Bewusstsein herausbildet, wobei jeder seine Teilidentität hat“, sagte Koschyk. „Es hat sich auch jetzt gezeigt, dass wir in einer Zeit leben, wo die Menschen nach Wurzeln und Ankerpunkten suchen“, fügte er hinzu.

Allgemein empfanden die Konferenzteilnehmer die Gespräche als sehr fruchtbar. „Das Feedback war äußerst positiv, das Thema hat vor Ort großes Interesse gefunden. Das ist ein Ansporn für uns, mal zu überlegen, was für Akzente wir für die Zukunft setzen könnten, was künftige Konferenzen betrifft. Themen wie Heimat, Identität, Weggehen, Wiederkommen sind im Grunde europäische Themen“, sagte Dr. Andreas H. Apelt von der Deutschen Gesellschaft. Die Tagung klang in der Theresien-Bastei mit der Besichtigung der Ausstellung zum 300-jährigen Jubiläum seit der Befreiung Temeswars von der Osmanenherrschaft aus.