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Vielfältige Hilfen für die deutsche Minderheit

Die beiden Ko-Vorsitzenden der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission Hartmut Kosschyk MdB und Alexandru Victor Micula (Mitte) mit den Vertretern der Landsmannschaften Peter-Dietmar Leber und Dr. Bernd Fabritius MdB (links) sowie dem DFDR-Vorsitzenden Dr. Paul-Jürgen Porr (rechts). Foto: privat

In Fortsetzung des Beitrags "Brückenpfeiler der bilateralen Beziehungen" soll nachfolgend auf einige Schwerpunktthemen der 19. Sitzung der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission für Angelegenheiten  der deutschen Minderheit in Rumänien näher eingegangen werden.

Deutschsprachiger Unterricht, duale Ausbildung

Für den Fortbestand der deutschen Minderheit in Rumänien ist der Erhalt des muttersprachlichen Unterrichts von vitalem Interesse. Dieses Anliegen erfreut sich der vollen Unterstützung durch beide Regierungen. Im laufenden Schuljahr  besuchen 6019 Kinder deutschsprachige Kindergärten. Die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler, die Schulen und Abteilungen mit deutscher Unterrichtssprache besuchen, beträgt 18079 (14593 in Grundschulen und Gymnasien, 3486 in
Lyzeen). Das Hauptproblem ist nach wie vor der Mangel an sprachlich und fachlich kompetenten Lehrern. Um einer Abwanderung deutschsprechender Lehrer in besser bezahlte Branchen entgegenzuwirken, hat der Deutsche Bundestag für die Gehaltsaufbesserung der Lehrer, die an muttersprachlichen Schulen unterrichten, 750000 Euro im vergangenen Jahr und 1 Million Euro in diesem Jahr  zur Verfügung gestellt. Zudem unterrichten im Rahmen des von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen geförderten Lehrerentsendeprogramms derzeit 36 Lehrkräfte aus Deutschland an deutschsprachigen Schulen in Rumänien.
Kritisch äußerte sich der Abgeordnete Ovidiu Ganţ zu dem Problem der fehlenden Lehrbücher in deutscher Sprache, zumal verschiedene Schulbücher seit 15-20 Jahren nicht mehr neu aufgelegt wurden, und zu den mangelhaft ausgeführten Renovierungsarbeiten an der Temeswarer Lenauschule. Dank seines Einsatzes konnten die Pläne der Arader Kommunalverwaltung, das Adam-Müller-Guttenbrunn-Lyzeum und das Forstlyzeum zusammenzulegen (die beiden Lyzeen sind im gleichen Gebäude in Neuarad untergebracht), abgewendet werden.
Bezüglich des dualen Berufsausbildungssystems nach deutschem Modell stellte die Regierungskommission erste Erfolge fest. Maßgeblichen Anteil daran tragen die Berufsschule Kronstadt als erste Bildungseinrichtung dieser Art in Rumänien sowie die Berufsschulen in Temeswar, Hermannstadt und Mühlbach. Die Kommission begrüßte die Unterstützung der beruflichen Ausbildung im dualen System durch die deutschsprachigen Wirtschaftsclubs sowie die Einrichtung dualer Studiengänge mit Unterstützung der deutschen Wirtschaft an Universitäten in Rumänien.

Hilfen im sozial-humanitären Bereich

Einen erheblichen Anteil an der Gesamtfördersumme des BMI haben die Hilfen im sozial-humanitären Bereich. Die Altenheime und Sozialstationen im Banat und in Siebenbürgen werden zu einem großen Teil aus Bundesmitteln finanziert. Dafür stellte das BMI im Jahr 2015 insgesamt 1,162 Millionen Euro zur Verfügung. Der Finanzierungsanteil des rumänischen Staates beträgt 250 RON pro Heimbewohner und Monat. Nachdem die Löhne im staatlichen Gesundheitswesen in Rumänien ab 1. Oktober 2015 um 25 Prozent gestiegen sind, ist – will man eine Abwanrung gut ausgebildeter Kräfte verhindern – eine Lohnangleichung für das Personal in den (privaten) Einrichtungen der Adam-Müller-Guttenbrunn-Stiftung im Banat und im Dr.-Carl-Wolff-Altenheim in Hermannstadt dringend erforderlich. Die sich daraus ergebenden Mehrkosten belaufen sich auf rund 254000 Euro. Die rumänische Seite wurde gebeten, sich daran zu beteiligen und die Möglichkeit einer Anhebung des monatlichen Zuschusses zeitnah zu prüfen.

Wirtschaftshilfen über die Stiftungen

Die Kommission würdigte die Tätigkeit der von Deutschland unterstützten fünf regionalen Wirtschaftsstiftungen. Allein 2015 wurden 475000 Euro an zinslosen oder zinsverbilligten Darlehen zur Gründung von klein- und mittelständigen Betrieben gewährt. Die Finanzierungshilfen dienen der Verbesserung von Wirtschaft und Infrastruktur in den von Angehörigen der deutschen Minderheit bewohnten Gebieten, der Erhaltung bestehender und der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Seit Beginn der Förderung wurden mit deutschen Mitteln insgesamt 2627 Betriebe mit 3027 Kreditverträgen unterstützt. Dadurch konnten rund 13400 Arbeitsplätze geschaffen werden, was vielen Regionen einen deutlichen Wohlstandsgewinn einbrachte.
Die Kreditrückzahlungen, sogenannte Rückflussmittel, verbleiben bei der jeweiligen Stiftung und werden größtenteils wieder zur Kreditvergabe verwendet (2015: rund 1,65 Millionen Euro). Zusätzlich werden von diesen Rückflussmitteln in einem bestimmten Umfang gemeinschaftsfördernde Maßnahmen finanziert.

Erhalt der Kirchenburgen und anderer Kulturgüter

Ein wichtiges Diskussionsthema war der Erhalt der Kirchenburgen in Siebenbürgen, der – wie der Einsturz von zwei Kirchtürmen innerhalb einer Woche im Februar 2016 zeigte – vielerorts akut bedroht ist. Die neugegründete Stiftung Kirchenburgen will über Konservierungs- und Reparaturmaßnahmen hinaus Konzepte zur Um- und Nachnutzung der Kirchenburgen entwickeln und den Kulturtourismus fördern. Die rumänische Seite schlug vor, ein gemeinsames Programm zur Überwachung historischer Bauten der deutschen Minderheit einzurichten. Auf diesem Wege sollen rechtzeitig Notfallmaßnahmen zur Rettung von kirchlichen und privaten Gebäuden ergriffen werden können.

Restitution von konfisziertem Eigentum

Die Vertreter der Landsmannschaften und des DFDR monierten die systematische Verzögerung und Behinderungen in der Erledigung offener Restitutionsverfahren nach Konfiskationen, die sowohl Güter der deutschen Minderheit und der evangelischen Kirche als auch Individualansprüche betreffen. Die Kommission forderte eine Beschleunigung dieser Verfahren.
Das Protokoll der Sitzung kann unter www.aussiedlerbeauftragter.de eingesehen werden.     BP