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Im Spannungsfeld zwischen Geschichte und Emotion - Verbandstagung in Frankenthal (3)

Dr. Florian Kührer-Wielach, Direktor des Instituts für Kultur und Geschichte der Deutschen in Südosteuropa an der Ludwig-Maximilians-Universität München (IKGS)

Die traditionelle Verbandstagung im Donauschwabenhaus in Frankenthal, an der die Vorsitzenden der Landesverbände, der Kreisverbände und der Heimatortsgemeinschaften teilnahmen, beschäftigte sich mit aktuellen Fragen der landsmannschaftlichen Arbeit und ermöglichte einen intensiven Informations- und Erfahrungsaustausch. Foto: Cornel Simionescu-Gruber

 Das IKGS München:
Auftrag und „Angebot“
Nach dem Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde Tübingen, dem Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm (DZM) und der Kulturreferentin für Südosteuropa am DZM stellte sich in diesem Jahr das Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Südosteuropa an der Ludwig-Maximilians-Universität München (IKGS) vor. Der neue Institutsleiter Dr. Florian Kührer-Wielach legte den Schwerpunkt seiner Ausführungen auf den Auftrag des IKGS und seine zentralen Aufgabenbereiche.
Das Institut ging aus dem 1951 gegründeten Südostdeutschen Kulturwerk hervor. Im Zuge der Verwissenschaftlichung dieser Einrichtung erfolgte 2001 die Gründung des
Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, das drei Jahre später den Status eines An-
Instituts an der LMU München erhielt. Das IKGS bezieht seinen Auftrag aus dem sogenannten Kultur-paragraphen des Bundesvertriebenengesetzes und wird auf dieser Grundlage durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und
Medien institutionell gefördert. Es erforscht Geschichte, Kultur, Literatur und Sprache der ostmittel- und südosteuropäischen deutschen Siedlungs- und Herkunftsgebiete in ihren unterschiedlichen historischen und regionalen Kontexten. In Kooperation mit Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen in Deutschland, Österreich, Ostmittel- und
Südosteuropa fördert es durch Ini-
tiierung von Forschungsprojekten, Durchführung von Fachveranstaltungen und Herausgabe von Publikationen den wissenschaftlichen Diskurs. Überdies pflegt es die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit den Verbänden und Vereinen der deutschen Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler sowie Partnereinrichtungen in Deutschland und dem
Donau-Karpaten-Raum. Das Credo des Institutsleiters: „Wenn man wie das IKGS zeitgeschichtlich bezogen arbeitet, bringt es nichts, wenn man nicht mit den Leuten redet, über die man forscht.“
Sodann ging Dr. Kührer-Wielach im Detail auf die drei Arbeitsbereiche des IKGS ein: Bewahren, Erforschen und Vermitteln. Der Bewahrung von Kulturgut widmen sich Bibliothek und Archiv des Instituts, die einschlägige Literatur und Quellen sammeln, aufbewahren und bearbeiten. Die Spezialbibliothek umfasst 17000 Einheiten und an die 1000 Zeitungen und Zeitschriften. Den Bestand des Archivs bilden Vor- und Nachlässe deutschsprachiger Autoren aus dem südöstlichen Europa sowie verschiedene Sammlungen. Der IKGS-Direktor machte darauf aufmerksam, dass sein Institut auch sogenannte „graue Literatur“ sammle, also Publikationen von Vereinen und Verbänden, und appellierte an die Heimatorts-
gemeinschaften, die von ihnen herausgegebenen Bücher, Periodika und sonstigen Medien dem IKGS zur Verfügung zu stellen.
Eine der Kernaufgaben des Instituts ist die wissenschaftliche Forschung zu Themen der deutschen Kultur und Geschichte im Donau-Karpaten-Raum. Die am IKGS tätigen Literaturwissenschaftler und Historiker sowie die wissenschaft-
lichen Projektmitarbeiter arbeiten an verschiedenen Forschungsprojekten, deren Ergebnisse auf Fachtagungen präsentiert werden und in die Publikationen des Instituts einfließen. Letztere zählen bereits zum Arbeitsbereich „Vermitteln“. Hierzu gehören universitäre Lehre, Nachwuchsförderung, breitenwirksame Veranstaltungen, die Herausgabe der IKGS-Buchreihe und der Zeitschrift „Spiegelungen“ sowie die Bereitstellung von Informationen auf der Home-page des Instituts (www.ikgs.de) und auf seiner Facebook-Seite.
Das IKGS wolle enger mit den landsmannschaftlichen Verbänden zusammenarbeiten, sich auch für Heimatforscher öffnen und mehr
Publikumsveranstaltungen anbieten, so Dr. Kührer-Wielach. Das dies-
bezügliche „Angebot“ des IKGS umfasse gemeinsame Veranstaltungen (erwähnt wurde der zusammen mit der Landsmannschaft der Banater Schwaben veranstaltete Themenabend „Banat, aus der Ferne“ im November 2015), die wissenschaftliche „Flankierung“ der Arbeit der Landsmannschaft und ihrer Gliederungen (unter anderem durch Vorträge und Seminare), die Benutzung von Bibliothek und Archiv, das Sammeln, Archivieren und Zurverfügungstellen von Publikationen der Verbände, Vereine und Organisationen, die Bereitstellung von aktuellen Informationen zur Kultur und Geschichte des Donau-Karpaten-Raums sowie die Herausgabe von Publikationen zum Banat und zur deutschen Kultur und Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas.
Aktuelle Fragen
des Verbandslebens
Walter Keller, in Gerolsheim in Rheinland-Pfalz zuhause, bot einen kurzen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der vor 65 Jahren gegründeten Donaudeutschen Landsmannschaft in Rheinland-Pfalz. Dieser Landesverband weist  die Besonderheit auf, dass ihm Banater Schwaben, Deutsche aus dem ehemaligen Jugoslawien sowie Ungarndeutsche angehören. 1982 kam es zu einer bis heute gültigen Vereinbarung mit der Landsmannschaft der Banater Schwaben bezüglich Mitgliedschaft und Mitgliedsbeitrag. Mittelpunkt des Gemeinschafts-
lebens sind das „Haus Pannonia“ in Speyer und das „Donauschwabenhaus“ in Frankenthal. Besonders
aktiv ist der Kreisverband der Banater Schwaben in Frankenthal.
Die Mitgliedschaft im Verband
unter Berücksichtigung der Satzungsbestimmungen thematisierte die stellvertretende Bundesvorsitzende Christine Neu. Sie stellte dar, wie die Mitgliedsbeiträge verwendet werden und präsentierte aktuelle Zahlen zum Mitgliederstand sowie zur Verteilung der Mitglieder auf Landes- und Kreisverbände, auf Heimatortsgemeinschaften und einzelne Länder. Unter dem Stichwort „Mitglieder werben Mitglieder“ wurden – auch anhand konkreter Beispiele aus einigen Kreisverbänden – Möglichkeiten aufgezeigt, Landsleute für eine Mitgliedschaft zu gewinnen, Potentiale zu erkennen und zu fördern.
„Die DBJT – die Zukunft unserer Landsmannschaft“ lautete der Titel der nächsten Kurzpräsentation.
Harald Schlapansky, Vorsitzender der DBJT, wies anhand vieler Beispiele auf die erfolgreiche Arbeit der knapp 540 Mitglieder umfassenden Jugendorganisation sowie auf das engagierte Wirken der Vorstandsmitglieder hin. Er appellierte an die Vorstände der Kreisverbände und Heimatorts-
gemeinschaften, Jugendliche in die Verbandsarbeit einzubinden, ihnen Vertrauen zu schenken und Verantwortung zu übertragen. Dies sei eine unabdingbare Voraussetzung für den Fortbestand unseres Verbandes, so Schlapansky.
Die Internetseite unserer Landsmannschaft war Gegenstand der Ausführungen von Jürgen Griebel, stellvertretender Bundesvorsitzender und Administrator der Seite. Mit durchschnittlich knapp 7000 Besuchern pro Monat erweist sich die Webpräsenz als wichtige Informationsplattform. Griebel bedauerte es, dass ein Teil der landsmannschaftlichen Gliederungen bis heute das Angebot nicht wahrgenommen hätte, sich mit einer kurzen Selbstdarstellung auf der Internetseite zu präsentieren. Er rief die namentlich aufgeführten Gliederungen auf, dies nachzuholen. Präsentiert wurden auch Daten bezüglich Termineintragungen, Anzeigenaufträgen und Bestellungen über die Internetseite.
Anleitungen zur Organisation einer Veranstaltung gab sodann der stellvertretende Bundesvorsitzende Johann Metzger. Maßgeblich für die Einladung von Ehrengästen und den formellen Ablauf (Begrüßung, Grußworte, Festrede) sind Thema und Anlass der Veranstaltung. Der Redner wies auf die Notwendigkeit hin, Veranstaltungen mit Musik bei der GEMA und solche im öffentlichen Raum bei der Stadt oder Gemeinde anzumelden. Das Recht am eigenen Bild und das Urheberrecht sind zu befolgen.
Am Beispiel der HOG Glogowatz zeigte Franz Schlechter, HOG-Sprecher im Bundesvorstand, Strategien auf, um mehr Teilnehmer für die Veranstaltungen der Heimatortsgemeinschaften zu gewinnen. Ausgehend von einer Analyse der Gründe für sinkende Teilnehmerzahlen unterbreitete er einige Lösungsansätze: aktive Einbindung der jungen und mittleren Generation (auch in die Vorstandsarbeit); moderne, zeitgemäßere Gestaltung der Programme und Anpassung der Musik an das Publikum; Auslastung/Wirtschaftlichkeit der Veranstaltungslokalität prüfen und sich gegebenenfalls nach kostengünstigeren Optionen umschauen; Anreise der Landsleute mit Bussen aus Ballungsgebieten subventionieren.
Über politisches Engagement, besonders auf kommunaler Ebene, referierte der stellvertretende Bundesvorsitzende Georg Ledig. Als Stadtrat in Waldkraiburg, dem er in dritter Amtsperiode angehört, hat Ledig langjährige kommunalpolitische Erfahrung.  Politisches Engagement sei eine Form des bürgerschaftlichen Engagements und bedeute, sich an politischen Willenbildungs- und Entscheidungsprozessen aktiv zu beteiligen, so Ledig.  Dabei gelte es zwischen dem „Mitmachen“ und dem „Machen“ zu unterscheiden. Der Referent ging auf Motivation, Voraussetzungen und Ziele des politischen Engagements ein. Als Kommunalpolitiker könne man das Gemeinschaftsleben mitgestalten und  auch einiges in Bezug auf die eigene Gruppe bewirken, sagte Ledig.
Zum Schluss erläuterte Werner Gilde, Beisitzer im Bundesvorstand und Vorsitzender der HOG Billed, was ein gutes Heimatblatt ausmache. Als Beispiel präsentierte er das Billeder Heimatblatt, dessen Entwicklung von 1988 bis heute er als eine Erfolgs-
geschichte bezeichnete. Das jährlich erscheinende Heimatblatt habe sich von einem schmalen schwarz-weiß Heftchen zu einer zeitgemäßen Broschüre im Katalogformat mit durchgängigem Farbdruck entwickelt. Gilde hob die Bedeutung des Heimatblattes als wichtiges Bindeglied der ehemaligen Dorfgemeinschaft, als Informations- und Dokumentationsmedium und als „Visitenkarte“ der HOG hervor. Er wies auf die zukünftigen thematischen Schwerpunkte sowie die vorteilhafte Aufmachung hin, in der das Heimatblatt seit Ausgabe 28/2015 erscheint.