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Im Spannungsfeld zwischen Geschichte und Emotion - Verbandstagung in Frankenthal (2)

Martin Hebich, Oberbürgermeister der Stadt Frankenthal, überbrachte die Grüße seiner Stadt und ihrer Bürgerschaft.

Rolf Maruhn, Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar

Ramona Lambing, im Banat tätige Tourismusunternehmerin

Willkommensgruß der Stadt Frankenthal

Martin Hebich (CDU) hieß die Teilnehmer der Verbandstagung in Frankenthal erstmals als Oberbürgermeister dieser Stadt willkommen. Nach gewonnener OB-Wahl war Hebich, der sich davor als Bürgermeister bewährt hatte, im Dezember vergangenen Jahres in das Amt eingeführt worden. Aus diesem Anlass hatte er vor Beginn der Tagung eine Abordnung der Landsmannschaft der Banater Schwaben zu einem Antrittsbesuch im Rathaus empfangen. Vor dem Hintergrund der Flüchtlingsproblematik sei gerade aktuell das Thema Heimat und Ursprung in besonderer Weise präsent, betonte Hebich. Auch die Geschichte der Banater Schwaben sei wesentlich von Migrationsprozessen und Integrationsbestrebungen geprägt. „Sie ist eine Kolonisations- und Siedlungsbewegung, eine Geschichte von Umzug und Eingliederung, von Fortbestand und Erhalt“, sagte das Stadtoberhaupt, und es gelte, die Gemeinschaft aufrechtzuerhalten, deren kulturellen Werte und Traditionen zu bewahren. Frankenthal und sein hier ansässiger Kreisverband sei „ein gutes Beispiel dafür, wie ein Miteinander gelingen kann“. Er bereichere „auf vielfältige Art und Weise das
gesellschaftliche Leben in unserer Stadt“.

Oberbürgermeister Hebich gratulierte zum 65-jährigen Bestehen der Donaudeutschen Landsmannschaft Rheinland-Pfalz und wies auf die wichtigsten Aufgaben hin, die von den landsmannschaftlichen Verbänden wahrgenommen werden: „Sie binden viele Menschen mit ein, sie fördern das gesellige Leben, die landsmannschaftliche Verbundenheit und das heimatliche Brauchtum und sind das Bindeglied zwischen der neuen Heimat in Deutschland und der alten Heimat im Banat“. Daraus ergebe sich die Verantwortung, die landsmannschaftliche Arbeit unter Einbindung der jungen Generation weiterzuführen, zumal doch gerade auch junge Leute nach ihren Wurzeln, nach Orientierung suchten, nach ihrer Herkunft und Identität fragten.

Aufgaben und Ziele der Landsmannschaft

Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber umriss in seinem Vortrag die Aufgaben, Zielsetzungen und Perspektiven landsmannschaftlicher Arbeit. Unter Hinweis auf die Gründungsurkunde unseres Verbandes aus dem Jahr 1950, die seine Bildpräsentation eröffnete, sagte Leber: „Die Landsmannschaft der Banater Schwaben ist der älteste und der größte Verein, den die Banater Schwaben je hatten. Das darf ich Ihnen mit Stolz sagen, natürlich auch unter dem Aspekt, dass Sie, die Nachkommen der Gründungsmänner und -frauen von 1950, heute diese Verantwortung forttragen“.

Der Verbandsvorsitzende richtete sodann den Blick auf das Banat und auf die Situation der dort lebenden kleinen deutschen Minderheit, die laut Volkszählung von 2011 knapp 15000 Personen zählt. Trotz des grundlegenden demografischen und strukturellen Wandels, verfügten die im Banat verbliebenen Deutschen nach wie vor über eine gute Infrastruktur; die kulturelle und gemeinschaftsfördernde Arbeit des Regionalforums werde substantiell von der rumänischen Regierung finanziell unterstützt, ebenso von der Bundesregierung, den Ländern Baden-Württemberg und Bayern und der Republik Österreich.

Bei unseren Reisen ins Banat stellten wir fest, dass gerade auf dem Lande ein starker Bevölkerungsaustausch stattgefunden und sich das Ortsbild stark verändert habe. „Lediglich Kirche und Friedhof stehen meist noch so, wie wir sie in Erinnerung behalten haben“, so Leber. „Und in solchen Momenten verspürt jeder von uns im tiefsten Innern, dass uns doch noch viel mit diesen Marksteinen unserer Biografie verbindet. Es ist zwar schon Geschichte, aber doch auch noch Emotion und in diesem Spannungsfeld bewegen wir uns in unserer landsmannschaftlichen Arbeit.“ Die Kirchen seien für uns nun nicht mehr „Sakralgebäude gelebter Gläubigkeit, sondern vielmehr Stätten wohliger Erinnerung“. Auch das Bild der Friedhöfe verändere sich langsam aber stetig, „mit wachsendem zeitlichen Abstand auch in der Bedeutung für uns“. Die Friedhöfe im Banat würden für viele immer mehr in den Hintergrund treten. „Wichtig für uns und sicher auch für die nächste Generation werden aber die herausragenden Zeugnisse sakraler Kultur im Banat bleiben, die Domkirche und Maria Radna, Zeichen unseres einstigen Gemeinschaftslebens, die Gedenkstätten und Heimatmuseen in Lenauheim, Hatzfeld und Guttenbrunn und vielleicht noch einige weitere, deren Entstehung zurzeit diskutiert wird beziehungsweise die schon im Aufbau begriffen sind.“

Mittels einer Bildpräsentation erinnerte der Bundesvorsitzende an herausragende Veranstaltungen und Projekte des Bundesverbandes, der Landesverbände und einiger Heimatortsgemeinschaften im Jahr 2015 und verdeutlichte damit die Schwerpunkte der Verbandsarbeit sowie die Vielfalt, die das landsmannschaftliche Geschehen auszeichnet.

Zu den künftigen Aufgaben des Verbandes sagte Peter-Dietmar Leber: „Wir brauchen ein generationen- und grenzüberschreitendes Verständnis für unsere Kultur und Geschichte“, zumal schon bald ein Übergang von der Erlebnis- zur Bekenntnisgeneration stattfinden werde. Daher laute für uns die Frage: Wie können wir sicherstellen, dass die nächste Generation auf unser kulturelles Gedächtnis zugreifen kann? Wie transferieren wir Erinnerung in den Heimatortsgemeinschaften und Kreisverbänden? Das große Stichwort für die nächsten Jahre laute Digitalisierung der Erinnerung. In diesen Prozess müssten die Heimatblätter und -briefe, die vielen Zeugnisse der Anfangszeit dieser Gliederungen, die Zeitzeugenberichte einbezogen werden. Zudem sei es nötig, ein stärkeres
Augenmerk auf die Historisierung der Nachkriegszeit zu richten.

Das Deutsche Konsulat Temeswar

Mittlerweile ist es eine Selbstverständlichkeit, dass im Rahmen der Verbandstagung auch unserer Herkunftsregion gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird. Diesmal standen zwei diesbezügliche Vorträge auf der Tagesordnung. Zunächst umriss der Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar, Rolf Maruhn, die Aufgaben und Tätigkeitsfelder der von ihm geleiteten konsularischen Vertretung. Der gebürtige Pfälzer arbeitet seit 1976 im Auswärtigen Dienst und war von 2004 bis 2009 schon einmal Leiter des Konsulats in Temeswar. Nach einem Intermezzo in Aschgabat (Turkmenistan) kehrte er 2013 dorthin zurück.

Zunächst ging Konsul Maruhn auf die Aufgaben der Auslandsvertretungen im Allgemeinen ein, um dann die Frage zu beantworten, weshalb es Konsulate gibt und warum in Rumänien Konsulate in Hermannstadt und Temeswar eingerichtet wurden. Die Neugründung des Deutschen Konsulats in Temeswar nach der Wende von 1989 hänge mit der Präsenz der deutschen Minderheit im Banat und im Sathmarer Gebiet sowie zahlreicher deutscher Investoren in der wirtschaftlich aufstrebenden Region Temeswar zusammen, ebenso mit dem hohen Bedarf im Rechts- und Konsularwesen, so Maruhn. Der Amtsbezirk des Konsulats umfasst die acht entlang der rumänischen Westgrenze liegenden Kreise von der Maramuresch im Norden bis zur Donau im Süden.

Gehörten anfangs humanitäre Hilfe, Visa-Angelegenheiten und entwicklungspolitische Zusammenarbeit zu den vorrangigen Aufgaben des Konsulats, konzentriere es sich heutzutage auf folgende Tätigkeitsfelder: Unterstützung der deutschen Minderheit im Banat und Nordsiebenbürgen und enge Kooperation mit den Deutschen Foren; konsularische und beratende Betreuung der im Amtsbezirk niedergelassenen deutschen Unternehmen und deutschen Staatsangehörigen; Förderung der deutsch-rumänischen Wirtschaftsbeziehungen, enge Zusammenarbeit mit den deutschsprachigen Wirtschaftsklubs in Temeswar, Arad und Sathmar und Beratung deutscher Investoren; Förderung der deutsch-rumänischen kulturellen Beziehungen (Unterstützung des Deutschen Kulturzentrums in Temeswar sowie Zusammenarbeit mit deutschsprachigen Einrichtungen wie dem Deutschen Staatstheater Temeswar, den deutschsprachigen Medien sowie der Universitäten mit deutschsprachigem Studienangebot); flankierende Unterstützung bei der Durchführung von lokalen (Entwicklungs-) Projekten, insbesondere jener, die von der EU gefördert werden.

Konsul Maruhn wies auf die Veranstaltungen des Konsulats zum Tag der Deutschen Einheit und zum Volkstrauertag sowie auf das alljährliche Weihnachtskonzert im Temeswarer Dom hin und erwähnte auch die Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen der deutschen Minderheit oder der Heimatortsgemeinschaften im Banat.

Tourismus im Banat: Ist-Zustand und Chancen

„Wirtschaftsfaktor Tourismus im Banat. Chancen und Herausforderungen“ lautete das Thema des Vortrags von Ramona Lambing. Die gebürtige Orzydorferin ist seit dreißig Jahren in der Tourismusbranche tätig. 1976 wanderte sie mit ihrer Familie nach Deutschland aus, wo sie auch ihre Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau absolvierte. Heute ist sie Geschäftsführerin der Reiseagentur „Passage Travel“ in Saarbrücken, seit 2006 mit Ableger auch in Temeswar. Mit ihrer Firma hat sich die seit 2010 selbständige Unternehmerin in der Banater Tourismus-Branche und mit guten Erfolgen in einer Nische des rumänischen Tourismus etabliert. Trotz moderner Fachausbildung und langjähriger Erfahrung in der Branche, trotz Banater Wurzeln und Rumänisch-Kenntnissen sei der Weg dahin alles andere als leicht gewesen, betonte Ramona Lambing. Als vorteilhaft habe sich ihre Mitgliedschaft im Deutschsprachigen Wirtschaftsclub Banat erwiesen, was ihr ermöglicht habe, Kontakte zu knüpfen und ein Netzwerk aufzubauen. Zudem setze sich der Wirtschaftsclub seit einigen Jahren verstärkt für die Förderung des Tourismus in der Region ein.

Betrachte man die 2014 registrierten Besucherzahlen aus Deutschland und insgesamt im Vergleich mit Ländern wie Bulgarien, Ungarn oder der Türkei, spiele der Tourismus in Rumänien als Wirtschaftsfaktor eine untergeordnete Rolle, so Lambing. Die Branche stoße auf erhebliche Hemmnisse, von denen die Referentin einige anführte: mangelnde Tradition des Tourismus in Rumänien, defizitäre touristische Infrastruktur, geringe Professionalität durch fehlende Berufsausbildung, wenig ausgeprägtes Umweltbewusstsein, Verständnis- und Interesselosigkeit in den kommunalen Verwaltungen, fehlende Konzepte im regionalen Bereich, mangelhafte Werbung, schlechte Vermarktung usw.

Anhand von Beispielen verdeutlichte Lambing, wie sich die Situation in der Tourismusbranche im
Banat konkret darstellt. Temeswar und die Region seien in den deutschen Veranstaltungskatalogen nicht vertreten und fehlten auf den Fachmessen. Um die Tourismuswerbung sei es schlecht bestellt, die Vermarktung sei nicht gut genug auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten. Und das intelligente, professionelle Zusammenspiel aller Beteiligten (Reiseveranstalter, Reisende, Leistungsträger, Institutionen usw.) – unabdingbare Voraussetzung für einen modernen Tourismus in der Region – funktioniere nur mangelhaft.

Die Referentin berichtete zum Schluss von den Bemühungen um einen maßgeschneiderten Tourismus in Temeswar und der Westregion. Als positive Beispiele nannte sie die Herausgabe einer von ihr konzipierten Tourismusbroschüre über das Banat, die sich weniger als Reiseführer, sondern vielmehr als eine Kontakt- und Imagebroschüre versteht, sowie das kürzlich fertiggestellte Touristeninformationszentrum in Maria Radna, das als erste öffentliche Veranstaltung Anfang Februar dieses Jahres die traditionelle „Worscht-koschtprob“ beherbergte. Hier habe man mit dem Aufbau einer touristischen Infrastruktur begonnen und als Ergebnis der Zusammenarbeit mit den örtlichen Leistungsträgern eine „Regiothek“ eingerichtet, in der man regionale Produkte kaufen kann. Es werde angestrebt, regionale Tourismuspakete anzubieten und überregional in die Werbung zu gehen.

Lambings Fazit: „Es ist viel Überzeugungs-, Pionier- und Fleißarbeit erforderlich. Es ist jedoch besser, das kleinste Lichtlein anzuzünden, als über Dunkelheit zu klagen.“