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Was schaffen wir uns da gerade?

Endlich in einem Land zu leben, wo Freiheit, wo Recht und Ordnung herrschen, wo wir nicht mehr Minderheit sind, wo wir dazu gehören wollen und können – das waren unsere Vorstellungen von Deutschland, irgendwann in den siebziger und achtziger Jahren. Damals, als wir noch im Banat lebten. Dass Freiheit die Freiheit des Einzelnen, des Anderen, in einer unbegrenzten Vielfalt bedeutet, lernten wir bald. Ebenso, dass Recht haben und Recht bekommen sprichwörtlich zwei Paar Stiefel sind. Und dass die Ordnung in Deutschland nicht immer mit unseren schwäbisch anerzogenen Ordnungsbegriffen übereinstimmen musste, auch das nahmen wir wahr. Wir lernten das nicht nur zu akzeptieren, sondern zum Teil auch zu schätzen. Und heute? Heute sorgen wir uns um diese Ordnung und sehen sie in Gefahr.

Mit ihrem Mantra „Wir schaffen das“ hat Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr Geschichte geschrieben. Sie hat die Grenzen für mehr als eine Million Flüchtlinge geöffnet und geltendes Recht außer Kraft gesetzt. Das sagen mittlerweile auch die Verfassungsrichter, vorerst jene
außer Dienst. Gewiss stand ein hehrer Gedanke hinter der Entscheidung der Kanzlerin, ein moralischer Anspruch. Niemanden konnten die Bilder von den Flüchtlingen unbeeindruckt lassen. Die Menschen halfen, auch Banater Schwaben, die Bilder gingen um die Welt. Ebenso die Nachricht von hohen Sozialleistungen und anderen Wohltaten, die ihre Wirkung in den Elendsquartieren Afrikas, der arabischen Staaten oder Asiens nicht verfehlten.

Die Menschen kamen und kommen, sie bleiben. Mit sich bringen sie ihre Art zu leben, ihre Art von Freiheit, Religion und Ordnung, die oft mit der unseren nicht übereinstimmt. Und weil es viele sind, weitere bereits auf dem Weg, die Grenzen weiterhin offen stehen, drängt sich die Frage auf, was wir uns da gerade schaffen? Ein neues Gemeinwesen, eines, das wir so vielleicht gar nicht wollen? Hilflos und unglaubwürdig wirkt der Hinweis auf eine europäische Lösung, auf Grenzsicherung in der fernen Türkei und den Inseln der Ägäis und das dem Schaffen vorausgestellte „wir“, zu dem sich immer weniger bekennen wollen und können. Der Kitt unserer Gesellschaft ist in Frage gestellt und brüchig geworden, Umkehr tut not. Dafür ist mehr Ehrlichkeit nötig sowie die Einsicht, dass nicht alle Probleme der Welt von und bei uns gelöst werden können.