Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

1944-1948: Die Banater Schwaben am Abgrund

Die Tagungsteilnehmer verfolgten mit aufmerksamem Interesse die Darbietungen des Konzertabends, in dessen Mittelpunkt das Werk des Komponisten Heinrich Weidt stand. Fotos: Walter Tonţa

Ministerialdirigent Herbert Hellstern richtet ein Grußwort an die Tagungsteilnehmer.

51. Kulturtagung in Sindelfingen widmet sich dem Themenkomplex „Flucht, Deportation, Enteignung“ - Die historischen Ereignisse am Ende des Zweiten Weltkrieges haben die Existenz der Banater Schwaben als Volksgruppe in ihren Grundfesten erschüttert. Wie die Deutschen in Rumänien insgesamt, standen auch sie nach dem Front- und Regimewechsel Rumäniens am 23. August 1944 vor dem Abgrund. Ihrer staatsbürgerlichen Rechte verlustig geworden, befanden sie sich bis 1948 in
einem Ex-lex-Zustand. Ohne gesetzlichen Schutz, waren sie Willkürmaßnahmen, Verfolgungen, Diskriminierungen, Enteignungen ausgesetzt. Die Geschehnisse jener Jahre, deren Hintergründe und Folgen waren Thema der 51. Kulturtagung des Landesverbandes Baden-Württemberg der Landsmannschaft der Banater Schwaben, die am 21. und 22. November 2015 im Haus der Donauschwaben in Sindelfingen stattfand. Konzeptionell gestaltet und moderiert wurde die Tagung auch diesmal von Dr. Walter Engel.

51 Kulturtagungen bedeuteten ein halbes Jahrhundert „Erforschung und Präsentation von Bedeutsamem aus dem Schaffen der Banater Schwaben“ und insbesondere „Rückbesinnung auf geschichtliche Entwicklungen und auf kulturelles Geschehen in über zwei Jahrhunderten Banater Daseins“, hob der Vorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg, Josef Prunkl, in seiner Eröffnungsansprache hervor. Er zeigte sich über den regen Zuspruch zur diesjährigen Tagung erfreut und hieß alle Teilnehmer, Referenten und Ehrengäste herzlich willkommen. Namentlich begrüßt wurden Ministerialdirigent Herbert Hellstern vom Innenministerium Baden-Württemberg, Henriette Mojem, Geschäftsführerin des Vereins Haus der Donauschwaben Sindelfingen, Dr. Swantje Volkmann, Kulturreferentin für Südosteuropa am Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, Dr. Mathias Beer, Geschäftsführer des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde Tübingen, Dr. Hans Dama, Bundesobmann des Vereins Banater Schwaben Österreichs, Günther Friedmann, Vorsitzender des Heimatverbandes Banater Berglanddeutscher, sowie Christine Neu, stellvertretende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben. Prunkl dankte Landesgeschäftsführer Hans Georg Mojem und seiner Mitarbeiterin Gudrun Reitz für die organisatorischen Vorarbeiten und Dr. Walter Engel für die Vorbereitung der Tagung.

Es gelte, der donauschwäbischen Geschichte eine neue Nähe zu geben, sagte Ministerialdirigent Herbert Hellstern in seinem Grußwort. Er persönlich habe die Nähe der ferner oder etwas näher zurückliegenden donauschwäbischen Geschichte im Laufe dieses Jahres bei der Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag der Russlanddeportation in Ulm, beim Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 20. Juni sowie bei Besuchen im Banat und in Serbien in Begleitung von Innenminister Reinhold Gall miterlebt. Hellstern erinnerte an die „Eckpunkte“ der unvergesslichen Banat-Reise Ende Juli Anfang August: Temeswar, Sankt-anna und Maria Radna. Er habe ein Stück deutscher Kultur im Banat erlebt, wo man bemüht sei, „die Flamme am Brennen zu halten“. Und auch hier, bei dieser Tagung, verspüre er die Wärme der Banater Kultur in ganz besonderem Maße.

Henriette Mojem hieß die Tagungsteilnehmer zu „zwei bereichernden und anregenden Banater Kulturtagen“ in ihrem Haus, also „daheim“, herzlich willkommen. Dank kontinuierlicher Förderung durch das Patenland Baden-Württemberg entfalte sich im Haus der Donauschwaben seit über 45 Jahren ein reges kulturelles Leben, so Mojem. Sie wies auf die vielen Veranstaltungen im Haus hin und hob die Highlights des Jahres 2015 hervor. Ein besonderer Schwerpunkt liege auf dem weiteren Ausbau der donauschwäbischen Bibliothek, die dank ihrer einmaligen Bestände von Schülern, Studenten und Forschern aus dem In- und Ausland besonders geschätzt werde.

Den Einführungsvortrag zum Thema ,Flucht und Vertreibung‘ aus Rumänien am Ende des Zweiten Weltkrieges. Kontext, Charakteristika, Folgen hielt der Historiker Dr. Mathias Beer (Tübingen). In seinem Beitrag mit dem Titel Im (un)freien Fall sprach der Historiker Josef Wolf (Tübingen) anschließend über die
Repressionsmaßnahmen gegen die Banater Deutschen 1944/45. Die verheerenden Auswirkungen der 1944 einsetzenden Ereignisse auf das Selbstverständnis und das soziale Gefüge der Banater Schwaben skizzierte der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Anton Sterbling (Görlitz) in seinem Beitrag „Zeitbruch“ in der Geschichte der Banater Schwaben. Soziologische Betrachtungen. Der
Musikwissenschaftler Dr. Franz Metz (München) erinnerte sodann an das Liedgut der Banater Schwaben aus der Zeit der Russlanddeportation in seinem mit Beispielen daraus begleiteten Vortrag Heimat in hartbedrängter Zeit.

Zum Abschluss des ersten Tagungsteils fand das traditionelle Abendkonzert unter der bewährten Leitung von Dr. Franz Metz statt. In dessen Mittelpunkt stand diesmal das Werk des Komponisten Heinrich Weidt (1824-1901). Dank jahrelanger intensiver Forschungen konnte Dr. Metz 24 Wirkungsstätten des Musikers quer durch Europa belegen, wovon vier im Banat liegen: Temeswar, Kubin, Weißkirchen und Werschetz. In Temeswar war er von 1867 bis 1872 als Opernkomponist und Theaterkapellmeister tätig. Die jungen Solisten Nina Laubenthal (Sopran) und Wilfried Michl (Tenor), am Klavier von Dr. Franz Metz begleitet, brachten mehrere Kompositionen von Heinrich Weidt zu Gehör, aber auch Stücke von Mozart, Brahms, Weber und Verdi. Die Interpreten bescherten dem Publikum auch diesmal einen unvergesslichen musikalischen Abend, wofür es reichlich Beifall spendete.

Am Sonntag wurde das Tagungsprogramm mit dem Vortrag von Hannelore Baier (Hermannstadt) fortgesetzt, die zum Thema Zwangsarbeit, aber keine Umsiedlung. Die deutsche Minderheit in Rumänien 1944-1948 referierte. Zum Abschluss der Tagung stellte Gertrud Laub (Berlin) ihren zum 70. Jahrestag der Russlanddeportation erschienenen Roman Namenlos in der Fremde (Südwestbuch Verlag Stuttgart 2015) vor, der das so folgenschwere Ereignis thematisiert. Anschließend las die Autorin einige Ausschnitte daraus. In der Schlussdiskussion wurde ein positives Fazit der 51. Kulturtagung gezogen.

(Ein weiterer Bericht folgt in der nächsten Ausgabe.)