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Schön war’s und schade, dass es vorbei ist

Die Kirchweihgesellschaft, darunter zwölf Paare in der typischen schwarz-weißen Sanktannaer Tracht, mit den „Weinbergmusikanten“, die das Fest klanglich begleiteten.

Der stattliche Kirchweihzug auf dem Weg zur St.-Willibald-Kirche war eine Augenweide für die zahlreichen Zuschauer.

Früh übt sich, was ein Meister werden will: Auch die Kleinsten unter den Trachtenträgern machten begeistert mit. Fotos: KV Nürnberg

Einmal im Jahr, wenn der Zug der Kirchweihpaare sich in aller Öffentlichkeit Richtung Kirche schlängelt, wird unsere Arbeit in der Trachtengruppe zum kulturellen Manifest. Kein anderes Fest, keine andere Veranstaltung legitimiert das Tragen unserer Trachten so wie die Kirchweih. An diesem Fest sind die Trachten an ihre Wurzeln zurückversetzt und tragen das zur Schau, wofür sie entworfen wurden: ein besonderer Schmuck für den Besuch im Haus des Herrn am Weihefesttag der Kirche und Zeichen von Freude am Leben mit Gott und der Welt. Bei jeder sonstigen Veranstaltung sind die Trachten, die wir tragen, die sogenannten Kirchweihtrachten. Einzig an der Kirchweih sind sie unabdingbarer Teil des Festes, da dieses ohne die Trachten seine einzigartige Charakteristik, etwas ganz Besonderes sein zu wollen, verlieren würde.

Neben den Trachten ist der Rosmarin an diesem Fest in einer besonderen Fülle zugegen. Zwar war bzw. ist dieser im Lebens- und Jahreszyklus allgegenwärtig, aber niemals so omnipräsent wie an der Kirchweih – ein Zeichen dafür, dass dieses Fest, wie kein anderes, neben der Freude an der Weihe des Gotteshauses auch das Fest des Lebens selbst sein will.

Wenn das Kirchweihfest so sehr an das Haus Gottes geknüpft ist, ist die Legitimation, es tausend Kilo-meter entfernt zu feiern, nicht unumstritten. Sicherlich, die äußeren Symbole (Tracht und Rosmarin) sind zwar vor Ort, aber das gefeierte Gotteshaus zerfällt unter Umständen längst unter der Last der Einsamkeit. Großmütig betrachtet, kann die Legitimation durch die Abstraktion des Begriffs „Kirche“ gerechtfertigt werden, besteht Kirche doch nicht nur aus Stein und Mauerwerk, sondern hauptsächlich und vor allem aus den Gläubigen. Eine Ausrede nur? Vielleicht. Aber immerhin ein Argument, trotzdem weiter zu machen und zumindest mit der Kopie an alte Zeiten zu knüpfen und sich die vertrauten Bräuche zu vergegenwärtigen und zu pflegen.

Der Kreisverband Nürnberg hat sich dies auf die Fahne geschrieben und feiert schon seit Jahren Kirchweih nach Art und Brauch einer Banater Ortschaft. Aus den oben genannten Gründen scheint naturgemäß einiges wie eine Miniatur des Originals und anderes wirkt behelfsmäßig überbrückt, aber die Grundzüge, die kleinen unterschiedlichen Details in der Art und Weise wie jedes Dorf sein eigenes Fest feierte, werden dabei immer wieder wach-gerufen und zur Schau gestellt, vor allem aber vor dem gänzlichen Vergessen bewahrt. Daher ist die Kirchweihfeier in Nürnberg auch ein beliebter Termin bei der alten und mittleren Generation. Der Versuch, die junge Generation dafür zu begeistern, ist bisher – bis auf die wenigen jungen Trachtenträger – leider noch nicht gelungen. Mit der Kirchweih ist es scheinbar wie mit den großen Klassikern der Literatur. Diese werden von der jungen Generation auch nur „gezwungenermaßen“ gelesen. In die Ecke gestellt und verstaubt, sind die klassischen Werke trotz
allem der Grundstein unserer Kultur. Doch besteht Hoffnung, denn viele entdecken sie im reiferen Alter. So in etwa ist es auch mit der Kirchweih. Mag das Fest inzwischen manchen verstaubt und überholt daherkommen, es ist trotzdem eine feste Größe, wenn man unseren Volksstamm charakterisieren oder beschreiben will. Wir in Nürnberg halten daher noch immer an der Kirchweih fest und keiner anderen Veranstaltung im Laufe des Jahres wird so viel Aufmerksamkeit und Akribie gezollt wie diesem jährlichen Ereignis.

In diesem Jahr fiel die Wahl auf Sanktanna. Nun ist Sanktanna keine Banater Ortschaft im eigentlichen geografischen Banat, liegt es doch nördlich der Marosch. Zudem gab und gibt es einige erhebliche Unterschiede zwischen Sanktanna und den Ortschaften im Banat. Diese beruhen vor allem auf der gesonderten Art der Besiedlung, setzen sich dann in dem eigenwilligen Dialekt und nicht zuletzt in der Form der Kirchweihtracht fort. Wenn in den Banater Dörfern die Trachten der Mädchen meistens farbig bis bunt gehalten wurden, begnügt sich die Kirchweihtracht in Sanktanna mit den Farben Schwarz und Weiß, sowohl bei den Mädchen als auch bei den Burschen. Einzige Ausschweife hin zu den Farben des Regenbogens sind die Rosmarinzweige mit bunten Bändchen in den Händen der Mädchen und der an Farbenvielfalt nur vom Kirchweihstrauß selbst übertroffene Hutschmuck der Kirchweihburschen. Die Frage, worauf die spartanische Farbwahl der Sanktannaer Kirchweihtracht zurückzuführen sein mag, wäre einer Dissertation würdig. Aber damit nicht genug, denn das Herrichten der Trachten für die Mädchen ist eine Kunst für sich. Ein Prozedere, das selbst in den besten Jahren nur wenige Frauen im Ort beherrschten. Und heute? Einen Patschur (die Leinen-Schopfbluse) perfekt zu stärken und zu bügeln soll Stunden in Anspruch nehmen und erfordert eine besondere Technik und noch mehr Geschicklichkeit. Eine Handvoll Frauen – ihnen sei hiermit ein dickes Lob und herzlicher Dank ausgesprochen – nahm ihren Mut und all ihre Geschicklichkeit zusammen und wagte sich, die Trachten herzurichten. Daher war es ein besonderes Erlebnis, in Nürnberg zwölf Paare in Sanktannaer Kirchweihtracht laufen zu sehen, angeführt von zwei Kirchweihsträußen, dank Veronika Wiesenmayer original wie in Sanktanna. Der stattliche Kirchweihzug, mit Paaren in schwäbischer Tracht ergänzt, war eine Augenweide für die zahlreichen Zuschauer.

Und auch sonst wurde versucht, auf die Eigenart der Sanktannaer Kirchweih ein Augenmerk zu werfen. Der Festgottesdienst, zelebriert von Pfarrer Karl Zirmer, ein gebürtiger Sanktannaer, der eigens dafür aus Gustavsburg angereist war, erinnerte schon sehr an die einstigen an den Kirchweihsonntagen beeindruckenden Messfeiern. Auch die Kantorin Maria Adelmann geb. Brunner, ebenfalls ein „Gewächs“ aus Sanktanna, spielte auf der Orgel, und es klang wie einst in der Herz-Jesu-Kirche in Altsanktanna oder der Mutter-Anna-Kirche in Neusanktanna. Wer frühere Kirchweihfeiern aus der alten Heimat im Gedächtnis hat, konnte sich wirklich zurückversetzt fühlen in die Zeit, als alles noch im Lot war. Den Höhepunkt erreichte die Messfeier beim Vortrag des Kirchweihspruchs durch Alexander Zimmermann. Selbst ein Haar, wäre eines gefallen, hätte die Andacht der Zuhörer gestört.

Zwar wurde im Saal die Feier der Kirchweih etwas verkürzt, um den anwesenden Gästen die Gelegenheit zum Tanz zu geben, trotzdem fehlte der Kirchweihspruch nicht (Günther Stummer trug den zweiten Kirchweihspruch vor) und es fehlten nicht Hut und Tuch am grün geschmückten Kirchweihbaum mit stolzer Krone. Selbstverständlich fand auch der Kirchweihstrauß eine neue Besitzerin (Anna Janson, gebürtig aus Sentlein), auch wenn er diesmal verlost und nicht wie einst versteigert wurde. Auch Hut und Tuch wurden verlost. Glückliche Gewinnerinnen waren Theresia Gößl (geboren in Sentlein) bzw. Eveline Mayer (aus Altsanktanna stammend).

Ach ja, und Musik gab es selbstverständlich auch. Die „Weinbergmusikanten“ unter der Stabführung von Johann Wetzler spielten traditionell Walzer und Polka. Wie gewohnt, begleitete die Blaskapelle den Trachtenzug zur Kirche. Als i-Tüpfelchen erweiterte die Band „Klang-voll“ unter der Leitung von Fredy Szebrag das Repertoire des Abends hin zu Tango und Fox, sodass alle Tänzerinnen und Tänzer unter den Gästen auf ihre Kosten kamen.

Wollte man von dieser Kirchweihfeier ein Fazit ziehen, was könnte man wohl sagen? Vielleicht, dass die Mühe, die es gekostet hat, das Fest auf die Beine zu stellen, sich gelohnt hat, dass bestimmt einige wunderbare Eindrücke im Gedächtnis der Besucher haften bleiben werden, oder einfach nur: Schön war’s und schade, dass es vorbei ist.