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Eindrücke einer unvergesslichen Gemeinschaftsreise

Die Teilnehmer der von der HOG Nitzkydorf organisierten Gruppenreise zur 230-Jahr-Feier vor dem Schwabenhaus in Alexanderhausen. Foto: Helene Eichinger

Die Gäste aus Deutschland werden vor der Schule von Direktorin Emilia Marta und Bürgermeister Ioan Mașcovescu „zu Hause“ herzlich willkommen geheißen. Einsender: Tiberiu Buhnă-Dariciuc

Dreißig Trachtenpaare mit den Vortänzern Hella und Franz Gerber verliehen dem Nitzkydorfer Kirchweihfest besonderen Glanz. Foto: Tibi Nicolaevici

„Möchte wieder in die Gegend wo ich einst so glücklich war, wo ich lebte, wo ich träumte meiner Jugend schönstes Jahr!“ Für die im Banat geborenen Teilnehmer der von der HOG Nitzkydorf organisierten Reise zur 230-Jahr-Feier in Nitzkydorf sind diese Verse von Nikolaus Lenau  Wirklichkeit geworden, für die anderen war es, wie ein Teilnehmer es ausdrückte, eine schöne Kulturreise. Jedenfalls war es eine Reise mit vielen Eindrücken und Erlebnissen, mit netten Begegnungen, mit wunderbaren, lange nachwirkenden Erinnerungen.

Erste Reiseeindrücke wurden bereits in der Banater Heide gesammelt. Nach einer Stärkung im Schwabenhaus in Alexanderhausen ging es weiter nach Lenauheim. Bevor das  Lenau- und Heimatmuseum besichtigt wurde, fand die Übergabe der liebevoll restaurierten bzw. neugestalteten Trachtenpuppen aus Nitzkydorf und Jahrmarkt in Anwesenheit des Lenauheimer HOG-Vorsitzenden Werner Griebel und der Museumsbetreuerin Elfriede Klein statt. Am späten Nachmittag erreichte die Reisegruppe Temeswar und bezog Quartier im Hotel Continental. Der erste Tag klang mit einem wunderbaren Benefizkonzert unter der Leitung von Dr. Franz Metz im Hohen Dom zu Temeswar aus.
Zu den  Hauptprogrammpunkten der Reise gehörte die Teilnahme am  Pontifikalamt zur Segnung der Renovierungsarbeiten der Wallfahrtskirche Maria Radna. Es war eine bewegende Feier, mit zu Herzen gehenden  Gebeten und Gesängen. Die HOG Nitzkydorf war mit einer Fahnenabordnung auch offiziell vertreten, und die mitgereiste Musikkapelle der Banater Schwaben Augsburg umrahmte zusammen mit der Blaskapelle der HOG Sanktanna die Segnungszeremonie im Außenbereich. Im Herzen berührt und seelisch gestärkt ging es am späten Nachmittag zurück nach Temeswar.

Am nächsten Tag (3. August) begannen die großen Feierlichkeiten zum 230-jährigen Bestehen der Gemeinde Nitzkydorf. Inzwischen war die Zahl der Gäste durch die mit Pkw und Flugzeug angereisten Landsleute weiter gewachsen. Und die Gemeinde hatte sich zur Feier herausgeputzt, wie früher zur Kirchweih. Die gemeinsame Jubiläumsfeier der ehemaligen und jetzigen Bewohner wurde bei strahlendem Sonnenschein unter den Klängen der Blaskapelle der Banater Schwaben Augsburg eingeläutet.

Die Gäste – ehemalige Dorfbewohner und deren Freunde – wurden von den jetzigen Bewohnern, mit Bürgermeister Ioan Mașcovescu und Schuldirektorin Emilia Marta an der Spitze, mit Brot und Salz vor der Schule herzlich empfangen. Kindergarten- und Schulkinder hatten die rumänische und zu unserer Freude auch die schwäbische Festtagstracht angelegt. So viel Aufmerksamkeit hat uns tief berührt. Vor zwei Monaten, bei einem Vorbereitungsgespräch in der Schule, war in einem Nebensatz erwähnt worden, das die Nitzkydorfer Kirchweihtracht in Pastellfarben gehalten war. Und nun staunten wir nicht schlecht, als uns zwei vierjährige Mädchen, die eine Tochter des Rumänischlehrers und die andere Tochter eines Gemeinderats, in rosaroter Nitzkydorfer Kirchweihtracht  empfingen. Bürgermeister Mașcoves-cu hieß die Gäste herzlich willkommen „zu Hause“. Und zu Hause haben wir uns auch gefühlt. Schul-direktorin Emilia Marta konnte bei ihrer herzlichen Begrüßung ihre Rührung kaum verbergen. Die HOG-Vorsitzende Dr. Hella Gerber präsentierte sodann in deutscher und rumänischer Sprache einen Rückblick auf die 230-jährige Geschichte des Dorfes.

Zwölf ehemalige Absolventen der deutschen und rumänischen Abteilung, Jahrgang 1970, waren der Einladung von Pfarrer Sorin Ghilezan und Dipl.-Ing. Franz Gerber gefolgt. Zu den Klängen des Radetzky-Marsches wurden sie zur Klassenstunde geleitet. Sie hatten sich viel zu erzählen, sodass die Gespräche am Abend beim Gulaschessen fortgeführt wurden.

Anschließend wurde das von Rumänischleher Tiberiu Buhnă-Dariciuc und seinem Team gestaltete Schulmuseum eröffnet, das wertvolle Dokumente über die Nitzkydorfer Schwaben, das Schulwesen im Dorf und aus der Schulzeit der Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller präsentiert. Die Begeisterung der Gäste war beim Rundgang durch das Museum zu spüren, ebenso bei der Besichtigung der Ausstellungen: „Auf den Spuren von Herta Müller, Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin“ (Herbert Zirk, Biberach a.d.Riß), „Nitzkydorf durch die Linse eines Fotografen“ (Tiberiu Buhnă-Dariciuc und Alex Zarin) und „Brunnen aus Nitzkydorf“ (Maler Puiu Marinescu).

Großer Aufmerksamkeit erfreute sich auch das Symposium „Nitzkydorf im Spiegel der Literatur“, das im vollbesetzten Festsaal der Schule   stattfand. Lehrer Tiberiu Buhnă-Dariciuc stellte zunächst die von ihm verfasste umfangreiche „Monografie der Nitzkydorfer Schule (1785-2015)“ vor, wonach der in Nitzkydorf geborene Schriftsteller und Zeitungsredakteur Balthasar Waitz in deutscher und rumänischer Sprache aus seinen Werken las und dabei auch so manche heitere Geschichte zum Besten gab.

Bei diesem ersten Festtag stand eigentlich die Schule im Mittelpunkt, zumal diese gleichzeitig mit der Dorfgründung errichtet wurde und somit auch ihr 230-jähriges Bestehen feierte. Daran erinnert eine am Schulgebäude angebrachte zweisprachige Gedenktafel, die von der Schulleiterin und der HOG-Vorsitzenden enthüllt wurde.

Bei der anschließenden Besichtigung der von Sanda Korom geleiteten Tagesstätte „Stern der Hoffnung“ konnten sich die Gäste aus Deutschland, darunter das Lehrerehepaar Erny aus Walldorf als Vertreter des Vereins „Hilfe zur Selbsthilfe Walldorf“, ein Bild vom Wirken dieser Einrichtung machen. Über vierzig Kinder bekommen hier täglich ein Mittagessen. Das gute Benehmen und das freundliche Miteinander der Kinder hat die Gäste beeindruckt.

Nach einem Imbiss in der Schule folgte die Prozession zum Friedhof, wo ein Totengedenken mit Kranzniederlegung stattfand. Das Ergebnis der Friedhofspflege, wofür der orthodoxe Pfarrer Laurian Popa zuständig ist, kann sich sehen lassen. Der Tag klang bei einem Gulaschessen im Kulturheim aus. Die Augsburger Musikanten begleiteten den geselligen Abend.

Am 4. August wurde bei strahlendem Sonnenschein Kirchweih gefeiert – mit viel Glanz und bewegenden Momenten. Dreißig Trachtenpaare reihten sich in den Kirchweihzug ein, darunter Gruppen aus Temeswar (Jugendtrachtengruppe „Banater Rosmarein“), Busiasch und Warjasch („Warjascher Spatzen“), Vertreter der HOG Bakowa, ehemalige Nitzkydorfer und jetzige Dorfbewohner, Angehörige der deutschen Minderheit und der rumänischen Mehrheitsbevölkerung.

Mitgefeiert haben auch viele Ehrengäste (siehe Teil 1 des Berichts in der vorigen Ausgabe). Am Rathaus wurden sie mit je einem mit Rosmareinsträußchen geschmückten Apfel zur Kirchweih eingeladen. Feierlich wurde das Fest mit der rumänischen und deutschen Hymne und dem  Hissen der rumänischen, deutschen und Europafahne eingeleitet. Groß war die Freude auf beiden Seiten, und so manch älterer Gast meinte begeistert: „Das wir das noch erleben durften!“ Und auch das Vortänzerpaar Hella und Franz Gerber war angesichts des stattlichen Kirchweihzugs und der heimatlichen Blasmusikklänge überglücklich und fühlte sich nach eigenem Bekunden um zwanzig Jahre jünger.

Zunächst marschierte der Kirchweihzug zur orthodoxen Kirche, um die Ortsgeistlichen zum Fest einzuladen. Warmherzig war der Empfang  durch die beiden Priester Laurian Popa und Sorin Ghilezan. Letzterer  hieß die Gäste auf Deutsch mit schwäbischem Akzent herzlich willkommen. Gemeinsam ging es dann zur katholischen Kirche, die gar nicht alle Besucher fassen konnte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, hier wieder einen Kirchweihgottesdienst feiern zu können und die Orgel nach mehr als 25 Jahren wieder zu hören. Die heilige Messe wurde sehr feierlich von Kanzleidirektor Nikola Lauš, Ortspfarrer Szilárd Vodila und Diözesanarchivar Claudiu Călin gestaltet und musikalisch von Dr. Franz Metz (Orgel), Dr. Johann Fernbach (Violine) und Wilfried Michl (Bariton) wunderbar umrahmt.

Ein weiterer bewegender Moment war die Enthüllung einer von der HOG Nitzkydorf gestifteten Gedenktafel an der Kirche zur Würdigung dreier herausragender Söhne des Dorfes: Diözesanbischof Sebastian Kräuter, Dr. theol. Franz Kräuter und Dr. phil. Franz Kräuter. Die Enthüllung der Gedenktafel nahmen  die HOG-Vorsitzende Dr. Hella Gerber und Kanzleidirektor Nikola Lauš vor. Danach wurden am Kriegerdenkmal Kränze niedergelegt. Theresia Hahn trug das Gedicht „Unsere Helden“ vor. Geschrieben wurde es von Ortspfarrer Otmar Gehl zur Einweihung des Kriegerdenkmals 1925 und vorgetragen hatte es, damals, vor neunzig Jahren, ihre Großmutter.

Danach wurde in Anwesenheit einiger hundert Gäste aus dem In- und Ausland vor dem Kulturheim Kirchweih gefeiert mit Kirchweihspruch, Straußversteigerung, Ehrentänzen und Tanzvorführungen der Trachtengruppen.

Beim Festessen wurden die Gäste kulinarisch verwöhnt, auch mit den guten rumänischen Spezialitäten. In seinem Grußwort zeigte sich der Bundesbeauftragte für nationale Minderheiten und Aussiedlerfragen, Hartmut Koschyk MdB, sehr beeindruckt von diesem „deutsch-rumänischen Feundschaftsfest“ mit seinen vielen symbolischen Elementen. Er wies auch darauf hin, dass aus dem Banat zwei deutsche Nobelpreisträger hervorgegangen seien. Koschyk  meinte: „Es wäre gut, wenn wir uns hier in Nitzkydorf eines Tages mit Herta Müller, der bekanntesten Tochter des Dorfes, treffen würden“. Bürgermeister Mașcovescu fügte hinzu, dass es ihn freuen würde, Herta Müller eines Tages die Ehrenbürgerurkunde ihres Geburtsortes persönlich zu überreichen.

Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Peter-Dietmar Leber, hob in seinem Grußwort hervor, dass die Aussiedlung der Banater Schwaben ein Verlust gewesen sei, der sowohl von den Betroffenen selbst als von den Verbliebenen oft erst später als solcher empfunden wurde. Er lobte das gemeinsame Bestreben der ehemaligen und jetzigen Dorfbewohner, an die deutsche Präsenz in Nitzkydorf zu erinnern und der jüngeren Generation ein schlüssiges Bild von der Geschichte des Ortes zu vermitteln.

Das von Herbert Zirk gestaltete Rahmenprogramm im Außenbereich mit Kegeln und Spielen für Kinder erfreute sich regen Besuchs. Die Gewinner von Schafbock sowie von Tuch und Hut wurden am Abend, wie früher, mit Blasmusik „nach Hause gespielt“. Nach einem stimmungsvollen Kirchweihball ging das Fest nach Mitternacht zu Ende.

Es war eine großartige Feier mit vielen gegenseitigen Aufmerksamkeiten, mit beeindruckendem Entgegenkommen und immer wieder mit rührenden Momenten. Sie wird uns allen noch lange in Erinnerung bleiben.

Viele haben zum Glanze dieses Festes beigetragen, sei es als Organisatoren, Mitwirkende oder Teilnehmer, sei es als Helfer. Ihnen allen möchten wir Danke sagen, vor allem auch der Kapelle der Banater Schwaben Augsburg, die die zweitätige Feier ganztags hervorragend musikalisch umrahmt hat. Unser ganz besonderer Dank gilt den Hauptorganisatoren Bürgermeister Mașcovescu und Direktorin Marta mit ihren Teams sowie dem Vorstand der HOG Nitzkydorf.

Die Heimreise traten wir mit vielen schönen Erinnerungen an. Und es gebe noch so viel zu erzählen...