zur Druckansicht

Theaterspielen in Deutschland

Maria Dolores Schneiders, Vorsitzende der Deutsch-Brasilianischen Kulturstiftung

Die Gäste aus Brasilien bei ihrem Aufenthalt in Reutlingen

Szene aus dem Stück "Ja wo sind wir denn?"

Interview mit Maria Dolores Schneiders, Vorsitzende der Donauschwäbisch-Brasilianischen Kulturstiftung, anlässlich des Bühnenauftritts in Ingolstadt

Es ist ja nicht selbstverständlich, dass es in der brasilianischen Steppe regelmäßige Theateraufführungen in deutscher Sprache gibt. Seit wann spielt man deutschsprachiges Theater in Entre Rios?

Maria Dolores Schneiders: Unsere donauschwäbischen Großeltern und Eltern haben schon bald nach ihrer Ankunft in Brasilien vor knapp sechzig Jahren – nachdem sie die ersten großen Anfangsschwierigkeiten überwunden hatten – damit begonnen, Kulturprogramme zusammenzustellen. Dazu gehören neben Liedern und Tänzen auch kleine Theaterstücke in Mundart und in Hochsprache. Aufführungen dieser Art sind seit Mitte der fünfziger Jahre belegt. Die Donauschwäbisch-Brasilianische Kulturstiftung gibt es seit 2001. Sie ist Träger und Koordinator sämtlicher Kulturveranstaltungen der Donauschwaben in Entre Rios. Unsere Theatergruppe ist nach ihrem Gründer und lang-jährigen Leiter Thomas Schwarz benannt.

Wo finden diese Veranstaltungen statt?

Schneiders: Bekanntlich leben die Donauschwaben in fünf Dörfern. Im Hauptort „Vittoria“ haben wir ein Kulturzentrum, wo die Tanz- und Theatergruppe, der Chor und die Instrumentalformationen regelmäßig auftreten. 

Der kulturelle Hintergrund Ihrer Kulturarbeit ist offensichtlich das donauschwäbische Brauchtum der Herkunftsgebiete. Wo liegen diese?

Schneiders: Die Siedler kamen vor allem aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Slawonien. Andere kamen aus dem Banat, wie aus Tschanad, Schag und Keglewichhausen. Das spielt jedoch heute kaum eine Rolle mehr, denn längst sind wir zu einer neuen Gemeinschaft zusammengewachsen, die sich jedoch ihrer Herkunft bewusst ist und die Bindungen zur Herkunftsregion und besonders zum deutschen Sprachraum aufrecht erhalten möchte.

Inwiefern hilft Ihnen dabei das Theaterspielen in deutscher Sprache?

Schneiders: Sehr viel. Denn mit unseren Theaterauftritten wollen wir nicht nur unsere Landsleute unterhalten, sondern auch etwas für den Erhalt unserer Muttersprache tun. Von Vorteil ist, dass unsere Kinder hier eine deutsche Schule besuchen können und dass neben dem Portugiesischen der donauschwäbische Dialekt wie auch die deutsche Schriftsprache zu ihrem Recht gelangen. Theaterspielen in deutscher Sprache bereitet uns immer wieder Freude, und mit dieser Tournee durch Deutschland und Österreich wird ein langgehegter Traum wahr.

Was bedeutet Ihnen diese Tournee?

Schneiders: Sie ist sozusagen die Krönung unserer Arbeit der letzten Jahre. Für eine Gruppe wie die unsere ist ein Auftritt in Deutschland ein besonderes Ereignis, auf das wir uns besonders gefreut haben. Und dass wir hier so viele Landsleute treffen, mit denen wir uns prächtig verstehen und denen unser Spiel etwas sagt, das freut uns noch mehr. Auch trägt diese Reise viel dazu bei, dass sich unsere Sprachkenntnisse verbessern. In unserem unsichtbaren Gepäck, mit dem wir wieder nach Brasilien zurückkehren, nehmen wir viele herrliche Eindrücke von freundschaftlichen Begegnungen mit, Erinnerung an kulturelle Ereignisse und Sehenswürdigkeiten aller Art. Das Kennenlernen der ehemaligen Heimat unserer Großeltern, der Besuch in Slawonien, steht noch bevor. Darauf freuen wir uns besonders.  Damit beschließen wir unsere Reise durch Europa.

In welche Städte führt sie diese Tournee?

Schneiders: Auftritte gab es bislang in Pfungstadt, Mosbach, Albstadt, Ulm, Rastatt, Speyer und heute in Ingolstadt. Es folgen weitere Auftritte in Linz, Wien und Graz.

Welches sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Schneider: Ich bin mir sicher, dass diese Reise den Mitgliedern unserer Theatergruppe neue Impulse verleihen wird. Neben den Aufführungen auf der heimischen Bühne werden wir auch unsere Ausfahrten in andere deutsche Siedlungen Südamerikas fortsetzen. Die neu geknüpften Kontakte nach Europa werden wir gewiss pflegen und ausbauen. Wir freuen uns jetzt schon auf weitere Begegnungen mit Freunden und Landsleuten.

Zu Gast bei Freunden

Auf der Rundreise durch Deutschland weilte die donauschwäbische Kulturgruppe aus Entre Rios (Brasilien) auch in Reutlingen. Dazu eingeladen hatte die Trachtengruppe der Banater Schwaben unter der Leitung von Christine Neu. Nach einer herzlichen Begrüßung in der Stadthalle im Ortsteil Mähringen luden die Gastgeber zu einer Stadtrundfahrt ein. Mit dem Reisebus ging es nach Reutlingen, wo die Gäste aus Brasilien die Sehenswürdigkeiten der an der Achalm liegenden Stadt bewundern konnten. Die Stadt ist eine Perle der Schwäbischen Alb und vereint mittelalterliches Fachwerk und gotische Kirchenbaukunst mit moderner Stadtarchitektur. Der Rundgang durch die Altstadt führte an den mittelalterlichen Toren vorbei zum Peinturm und schließlich in die Katharinenstraße, wo die Gäste die herrlichen Fachwerkhäuser bewunderten. Nach einem Abstecher auf dem Marktplatz wurde das Heimatmuseum besucht. Beeindruckend war hier die Ausstellung über die lokale Migrationsgeschichte, durch die Claudia Eisenrieder, die Initiatorin des Projektes, führte. Durch das Museum führte anschließend Katharina Habel (Mitglied der Trachtengruppe). Weitere Stationen auf dem Rundgang waren die Marienkirche und die Spreuerhofstraße. Letztere ist als engste Straße der Welt in das Guinessbuch der Rekorde eingegangen, zumal sie an manchen stellen nicht breiter als 31 Zentimeter ist. Über die Wilhelmstraße ging es weiter, vorbei an verschiedenen Brunnen bis zur Nikolaikirche. Der Abend klang mit Vorbereitungen für den Besuch des Heimattages in Ulm und einem gemütlichen Beisammensein aus. Die gemeinsame Fahrt nach Ulm und noch ein weiterer gemeinsam verbrachter Tag führten „Brasilianer“ und „Reutlinger“ noch enger zusammen, ließen die donauschwäbischen Herzen höher schlagen und viele neue Freundschaften schließen.

Theater – wie einst Zuhause

Donauschwäbische Theatergruppe aus Entre Rios (Brasilien) zu Gast in Ingolstadt - Wer hätte es gedacht: Irgendwo auf halbem Weg zwischen Rio de Janeiro und Porto Alegre, ganz tief im Herzen Brasiliens, wird deutsch gesprochen und auch Theater in deutscher Sprache gespielt. Hier gibt es eine deutsche Schule, einen kleinen Radiosender und ein reges donauschwäbisches Gemeindeleben. Wir befinden uns in der Siedlung Entre Rios im Bundesstaat Parana, wo seit den frühen fünfziger Jahren durch den Krieg entwurzelte Donauschwaben eine neue Heimat gefunden haben. Über diese Siedlung wurde auch in der Banater Post schon öfter berichtet. Besonders in den letzten Wochen gab es immer wieder Meldungen über den Besuch der donauschwäbischen Theatergruppe „Thomas Schwarz“ aus Entre Rios in Deutschland und Österreich und über deren Aufführungen. 

Zu einer schönen Feier und zu einem landsmannschaftlichen Treffen gestaltete sich der Auftritt in Ingolstadt. Zur Eröffnung begrüßte Maria Dolores Schneiders, die Vorsitzende der Donauschwäbisch-Brasilianischen Kulturstiftung, die vielen Gäste und informierte über die Entstehung der Siedlung vor rund sechzig Jahren: „Unsere Eltern und Großeltern kamen in ein unbekanntes Land, in ein weites, leicht hügeliges, fast menschenleeres Gebiet ohne jegliche Infrastruktur auf über tausend Meter Höhe. Da gab es weder Straßen noch Häuser oder elektrisches Licht; die nächste Stadt lag rund 20 km entfernt und hatte gerade einmal 4000 Einwohner. In Gemeinschaftsarbeit entstanden in den fünf Dörfern von Entre Rios Siedlerhäuser, Kirchen und Schulen und das Genossenschaftsgebäude der Agraria.“

Weiter berichtete Maria Dolores Schneiders kurz über den wirtschaftlichen Aufschwung, den die Siedlung im Laufe der Zeit erfahren hat, über die Impulse, die von Entre Rios aus für die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Region von Guarapuava ausgehen. Eine exemplarische landwirtschaftliche Produktion und eine hochwertige industrielle Verarbeitung der erzielten Produkte sind kennzeichnend für das Wirtschaftsleben in Entre Rios. Es sichert den 2000 hier lebenden Donauschwaben wie auch weiteren 8000 brasilianischen Mitbürgern eine sichere Existenz. In den Dörfern der Donauschwaben gibt es mittlerweile Supermärkte, Apotheken, Banken, Gasthäuser, Geschäfte, Tankstellen, Pensionen und ein eigenes Krankenhaus.

Die Kinder der hier heimisch gewordenen Donauschwaben besuchen die deutsche Privatschule, die bis zur Hochschulreife führt, und haben dann die Möglichkeit, an den Universitäten in Guarapuava oder Curitiba zu studieren. Das Schulwesen, der Medienbereich, das Sozialwesen wie auch die kulturellen Betätigungen sind wichtige Bestandteile des gemeinsamen Lebens. Im Rahmen der Kulturstiftung gibt es Chöre, Tanzgruppen, Blas- und Tanzkapellen und eine Theatergruppe.

Die Pflege der Muttersprache und des heimatlichen Brauchtums ist eines der wichtigsten Ziele der Deutsch-Brasilianischen „Mathias Leh“. Und dass diese Arbeit von Erfolg gekrönt ist, davon konnte man sich bei der Theateraufführung in Ingolstadt voll und ganz überzeugen. Die Laienspieler aus Brasilien boten ein zweistündiges Programm, das keinen Wunsch offenließ. Es war ein Theaternachmittag, wie man ihn vom Banat noch in Erinnerung hat. Eventuell vermutete Verständigungsschwierigkeiten gab es nicht, denn die Gäste aus Brasilien gaben sich größte Mühe, korrektes Hochdeutsch zu sprechen.

Zur Aufführung kam die Verwechslungskomödie „Ja wo sind wir denn?“ von Erika Elisa Karg. Die Handlung des Stückes spielt in einem Krankenhaus. Hauptpersonen sind zwei Patienten, ein Mann aus der Unterschicht und ein Fabrikant. Beide werden nach einem Unfall eingeliefert, und beide haben ähnliche Verletzungen. Die ständigen Verwechslungen und die sich daraus ergebenden Situationen sind Auslöser für humorvolle Einlagen am laufenden Band. Für ihren Auftritt kann man die Gruppe nur beglückwünschen. Die Darsteller gaben ihr Bestes und ernteten immer wieder Szenenapplaus.

Links:
> Informationen über die in Brasilien lebenden Donauschwaben www.agraria.com.br