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Ein Leben für die Lothringer Mundart

Schmitthäuslers erstes Buch in Lothringer Mundart ist 1984 erschienen.

Lucien Schmitthäusler Quelle: Monique Schmitthäusler (Familienarchiv)

„Französisch und Deutsch sind meine liebsten Fremdsprachen.“ Lucien Schmitthäusler sagte das immer mit einem Augenzwinkern. Wer ihn kannte, wusste, wie es gemeint war. Natürlich beherrschte er beide Sprachen perfekt. Er schrieb in beiden Sprachen Gedichte und Erzählungen. Er übersetzte aus dem Französischen ebenso sicher und elegant wie aus dem Deutschen. Aber es stimmt schon, er betrachtete weder Französisch noch Hochdeutsch als seine Muttersprache. „Meine Muttersprache ist Lothringer Platt“, sagte er gern und meinte damit das in dem Städtchen Saargemünd (französisch Sarreguemines) gesprochene Rheinfränkisch. Für die Bewahrung dieser Mundart setzte er sich ein Leben lang ein. Sein Ziel war ein zweisprachiges Lothringen. Zweisprachig zumindest in dem Teil, der an Deutschland grenzt und in dem außer Französisch Lothringer Mundart gesprochen wird. Das ist das im Nordosten gelegene Département Moselle. Erreichen wollte er dieses Ziel vor allem mit den Mitteln der Literatur.

Mut machte ihm Anfang der 80er Jahre sein erster Erfolg. Da übersetzte er ein sehr berühmtes französisches Gedicht in seine Muttersprache: François Villons „Ballade des pendus“ („Ballade der Gehängten“). Seine Frau, der er es vorlas, war davon so überwältigt, dass sie meinte: „Das ist ja so schön wie der Urtext.“ Damit bestätigte sie, wovon er ohnehin überzeugt war: dass die Lothringer Mundart genauso ausdrucksstark ist wie das wunderbare Französisch. 1984 erschien sein erstes Buch, dessen Titel Programm war: „Bladd redde! Niedd bladd mache!“ (sinngemäß „Mundart sprechen statt sie niederzuwalzen“). Bis an sein Lebensende verlor er die beiden Ziele, die Lothringer Mundart zu bewahren und Lothringen zweisprachig zu machen, nicht aus dem Blick. Er verfolgte sie aber nie verbissen, sondern immer mit Augenmaß, was sicher auch an seiner Herkunft lag. „Ich bin zuerst Lothringer“, sagte er mal. „Aber ich fühle mich auch als Elsässer, weil ein Teil meiner Familie im Elsass lebte und lebt. Und den Franzosen fühle ich mich gefühlsmäßig auch verbunden.“

Lucien Schmitthäusler wurde am 5. Februar 1935 in Saargemünd geboren. Nach dem Ende seiner Schulzeit machte er eine Schlosserlehre, dann eine Ausbildung zum Krankenpfleger, schließlich eine Ausbildung zum Sozialpädagogen. Alle drei Ausbildungen schloss er erfolgreich ab und arbeitete anschließend auch in diesen Berufen. Als Sozialpädagoge kümmerte er sich um autistische Kinder.

Seine Bücher, von denen einige zwei- und dreisprachig waren, erschienen in französischen und deutschen Verlagen. In der Lothringer Zeitung „Le Républicain Lorrain“ hatte er lange Zeit eine eigene Rubrik. Daneben übersetzte er Werke anderer Autoren ins Lothringische, darunter Johann Wolfgang von Goethes „Erlkönig“. Sehr gern wurde er zu Dichterlesungen und Vorträgen eingeladen, die ihn nicht nur nach Lothringen führten, sondern auch nach Deutschland. In der Mediathek von Saargemünd las er jeden Monat eine Stunde lang Kindern Märchen und Erzählungen in Lothringer Mundart vor. Ein guter Geschäftsmann war er nie. Für seine Vorträge verlangte er kein Honorar. Sich um den Vertrieb seiner Bücher zu kümmern, war nicht seine Sache. Ihm war es nur wichtig, diese Bücher zu schreiben und sie gedruckt zu sehen. Um den Vertrieb sollten sich andere kümmern.

Am 6. April 2020 ist Lucien Schmitthäusler nach langer Krankheit im Alter von 85 Jahren in der Nähe seiner Geburtsstadt Saargemünd gestorben. Es war ihm bewusst, dass seine Lothringer Mundart nur noch eine begrenzte Zukunft hat. Umso wichtiger war ihm, diese Sprache in seinen Werken fortleben zu lassen.