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Franz Liszt im Banat (Teil 1)

Franz Liszt 1846 (nach Kriehuber, Wien)

Zum 200. Geburtstag des Klaviervirtuosen

Franz Liszt (1811–1886) kam im damals ungarischen Raiding zur Welt, einem Besitz der Eszterházys. Seinen ersten Klavierunterricht erhielt er von seinem Vater, und mit zwölf Jahren gab er bereits als Schüler Carl Czernys – als Wunderkind und Klaviervirtuose – Konzerte in Pressburg, Budapest und Wien. Um das Studium seines Sohnes fortsetzen zu können, zog Adam Liszt mit ihm nach Paris. Als „petit Litz“ wurde Franz in vielen Salons der französischen Hauptstadt wie ein großer Star gefeiert, bis er schließlich sein turbulentes Leben als Konzertpianist kreuz und quer durch ganz Europa begonnen hat. Er spielte vor Kaisern und Königen, vor Fürsten und Prinzessinnen, fast immer in überfüllten Salons und Konzertsälen, wie es sich nicht mal der große Geigenkünstler Paganini erträumte. Fast an jedem zweiten Abend ein Konzert und immer die gleichen Erfolge: Empfang durch die Honoratioren der Stadt, minutenlange Begrüßung durch das Publikum, nicht enden wollender Applaus, Reigen von Blumen und Gedichten, Fackelzug nach dem Konzert und Begleitung des Künstlers zu seinem Hotel, Festessen und Galaempfänge, Überreichung von Ehrendiplomen, von silbernen und goldenen Lorbeerkränzen, Feuerwerk und Ehrenbekundungen, Ernennungen zum Ehrenbürger oder zum Ehrenmitglied des jeweiligen Musikvereins, etc. etc. Viele seiner Konzerte waren Benefizkonzerte für notleidende Menschen, für Kinderheime, für neu gegründete Musikschulen, für karitative Institutionen, für Opfer von Überschwemmungen oder für in Not geratene Musikerkollegen. Ein großer Teil seines durch die Konzerte gewonnenen Vermögens schenkte Liszt für gute Zwecke.

Liszt wollte aber mehr aus seinem Leben machen, und bereits mit dreißig Jahren dachte er schon an eine weitere Tätigkeit als Komponist oder Kapellmeister. Im Jahre 1846 schrieb er an den Großherzog Carl Alexander von Weimar: „Mit 35 Jahren kommt für mich der Moment, den Puppenzustand meines Virtuosentums zu zerbrechen und meinen Gedanken freien Lauf zu lassen, natürlich mit dem Vorbehalt, weniger herumzuflattern ...“ Und wie er das Virtuosentum zu hassen begann, schildert er in seinem Brief an Frau von Moukhanoff: „Ich bin so weit gegangen, das polternde Gerümpel zu spielen, das Erlkönig heißt. Es ist ohne Zweifel ein Meisterwerk, doch ist es mir vom Publikum verdorben worden, das mich zur ewigen Gymnastik der tobenden Oktaven verurteilt hat. Was ist das doch für eine widerliche Notwendigkeit in dem Virtuosenberufe – dieses unausgesetzte Wiederkäuen derselben Sachen!“

Franz Liszt war auf der Höhe seines Ruhmes angekommen und wollte 1846 nur noch eine letzte Konzerttournee durch kleinere Orte seiner ungarischen Heimat geben und für seine Landsleute spielen. Diese Konzertreise wurde durch seinen Sekretär Jean Belloni in die Wege geleitet und begann bereits im Frühjahr 1846 in Wien und in Pest. Es folgten Konzerte in Prag, Agram, Ödenburg mit dem Besuch seines Heimatdorfes Raiding, Grätz, Fünfkirchen und Szekszárd, wo man auf dem Anwesen seines Freundes und Gönners Baron Antal Augusz seinen 35. Geburtstag gefeiert hat. Nach diesem glänzenden Fest ging die Reise Ende Oktober 1846 weiter nach Banlok (Banat), wo er auf dem Gute des Grafen Guido Karácsony wie ein Fürst empfangen wurde. Im Banat wurde er von den bedeutenden ungarischen Magnaten Teleki, Batthyány, Karácsony und später auch Ambrozy begleitet.

In Temeswar

Das Temesvarer Wochenblatt kündigt Mitte des Jahres 1846 bereits die große Konzerttournee Franz Liszts an, von einem Auftritt in der Banater Metropole selbst war noch keine Rede: „Liszt wird, bevor er seine Reise nach Constantinopel antritt, am 19. September in einer von Lazar v. Petrichevich-Horváth arrangierten musikalischen Akademie sich hören lassen. Der Betrag soll für wohltätige Zwecke verwendet werden. Ob er wohl Temesvár auch beglücken würde?“

Die Banater Metropole erlebte ihren ersten kulturellen Aufschwung unter dem Kapellmeister Franz Limmer. Künstler aus der ganzen Monarchie konzertierten damals in Temeswar. Keine Gelegenheit wurde versäumt, die Feste zu glänzenden musikalischen Ereignissen zu gestalten. Schon 1750 hatte die Landesadministration dem Temeswarer Stadtmagistrat den Auftrag erteilt, in der Festung für gute Musik zu sorgen. Seit 1780 gab es im Theater regelmäßig Singspiele und Opernaufführungen. Seit 1845 bestand der Temeswarer Musikverein, dessen Ziel es war, „die Kunst der Musik zu verbreiten“. Dieser Musikverein eröffnete 1846, als Liszt nach Temeswar kam, eine eigene Musikschule. Ihr Siegel bestand aus einem Musiker an einer Orgel spielend und darunter die Inschrift in deutscher Sprache „Temeswarer Musikverein“. Das Temesvarer Wochenblatt galt als ständiger Begleiter der damaligen Temeswarer Musikszene. Der Redakteur des Temeswarer Wochenblattes, Dr. Gottfried Feldinger, kam nach den ersten Auftritten Liszts mit einem eindrucksvollen und detaillierten Bericht, in dem alle Einzelheiten genauestens festgehalten wurden. Von diesen zeitgenössischen Beschreibungen werden sich später Desiderius Braun und Josef Brandeisz inspirieren lassen, um über Liszts Konzerte in Temeswar zu berichten. Am 1. November 1846 konnte Liszt schließlich von einer großen Menschenmenge auf dem Domplatz erwartet werden. Desiderius Braun schreibt darüber: „Die Banater Metropole prangte in Blumenschmuck und Kerzenbeleuchtung. Siegestore waren aufgestellt, das Publikum festlich gekleidet ...“ Franz Limmer, der aus Wien stammende Dom- und Theaterkapellmeister, komponierte eigens zu diesem Anlass eine Serenade nach einem Gedicht von A. Halvey in ungarischer Sprache, die vom Männerchor dargeboten wurde. Liszt zeigte sich sehr erfreut über diese Geste und lobte den Komponisten, dessen Name ihm bereits aus seiner Wiener Zeit bekannt war. Weiter lesen wir im Wochenblatt: „Zur Verherrlichung des Abends war auf dem Domplatze ein glänzend illuminierter Triumphbogen, an welchem die Aufschrift „Willkommen Franz Liszt“ prunkte, aufgestellt. Der ersehnte Tag, der größte Tag des Konzerts, erschien mit dem 2. November, und nur morgens waren noch einige Billette für das erste Konzert im hiesigen Comitatsaale zu bekommen.“

Das Programm seines ersten Konzertes bestand aus Paraphrasen nach der Opern Donizettis und Bellinis (Lucia de Lammermoor, Norma), Andante mit Variationen von Beethoven, den beiden Klavierbearbeitungen Ave Maria und Erlkönig von Franz Schubert, Ungarische Melodien und dem effektvollen Rákóczy-Marsch. Der Erfolg war einmalig: „Schon bei seinem Erscheinen im Konzertsaal sowie nach dem Vortrag jeder Komposition wollte der Beifallssturm kein Ende nehmen, den Liszt allenthalben fand.“ Dieser Komitatssaal befindet sich im heutigen Barocken Palais auf dem Domplatz und wurde vor einigen Monaten zum Besuch freigegeben. Es ist ein prunkvoller Raum mit einem Balkon und einem breiten Ausblick auf den Domplatz mit ungefähr 250–300 Plätzen. Liszt musste für das zweite Konzert in den etwas größeren Saal des städtischen Theaters ausweichen. Dieser stand damals auf dem Platz des heutigen Lenau-Gymnasiums. Auch dieses Konzert mit einem veränderten Programm brach alle bis dahin erlebten Konzertereignisse Temeswars, und euphorisch schrieb die Wochenzeitung: „Auch in diesem Konzert erntete der gefeierte Klavierheros einen nicht endenwollenden Applaus, und seine zahlreichen Verehrer waren bemüht, ihm die entsprechenden Beweise verdienter Würdigung und unbegrenzter Hochachtung nach Beendigung seiner zaubervollen Melodien durch die feierliche Überreichung eines goldenen, schön gearbeiteten Kranzes zu bethätigen; es folgen Blumensträußchen und Gedichte dem geliebten vaterländischen Künstler von allen Seiten entgegen, und der Bewillkommnungschor, welcher schon am ersten Abend vor seiner Wohnung gesungen wurde, erhöhte durch die Weihe einer schönen Harmonie die stille Feier des erhebenden Augenblicks. Liszt wurde nach dem Konzerte mit einem schönen Fackelzug bei jubelnder Musik von Tausenden nach dem Comitatssaale begleitet, wo ihm zu Ehren ein großes Bankett von seinen Verehrern und Freunden gegeben wurde. Den auf ihn gebrachten schönen Toast erwiderte er voll Geist, Empfindung und mit Gesinnungen, die den Künstler wie den edlen Vaterlandsfreund in ihm auf das ehrenvollste neuerdings zu erkennen gaben.“

Am 5. November wird Liszt auf Einladung seines Freundes Guido Karácsony dessen Gut in Großremete neben Temeswar besuchen und hier musizieren. Das schlossartig erbaute Landhaus ist auch heute noch von der Straße aus zu sehen, die von Temeswar nach Lugosch führt. Nach den beiden folgenden Konzerten in Arad wird Liszt am 13. November 1846 ein drittes und letztes Konzert in Temeswar geben, diesmal als Benefizkonzert zugunsten der Armen der Stadt, dem Musikverein und der neu zu gründenden evangelischen Schule. Bei diesem Konzert trat aber Liszt nicht alleine auf: der Geiger und Dommusiker Michael Jaborszky trat auf, der Chor des Temeswarer Musikvereins unter Franz Limmer und der aus Budapest mitgereiste Redakteur des Blattes Honderü, Lazar Petrichevich-Horváth, trug Gedichte vor. Auch bei diesem Konzert wollten die Begeisterungskundgebungen des Publikums kein Ende nehmen. Franz Liszt wurde am Ende dieses Konzertes zum Ehrenmitglied des Temeswarer Musikvereins ernannt. Die Urkunde konnte vor wenigen Wochen in seinem Nachlass in Weimar (heute „Klassik-Stiftung Weimar“) entdeckt werden. Diese äußerst üppig bemalte Urkunde wurde in ungarischer Sprache verfasst und von bedeutenden Temeswarer Persönlichkeiten unterschrieben: Bischof Joseph Lonovics, Franz Weldin, Ferdinand Prenner und Dr. David Wachtel.

Am 10. November 1846 schrieb Liszt aus Temeswar einen Brief in französischer Sprache an seinen Freund Antal Augusz in Szekszárd, in dem er seiner Überraschung und Freude über den triumphalen Empfang in Temeswar und im Banat Ausdruck verlieh. Hier einige Auszüge daraus: „Ich vermisse Sie auch in Temeswar, Arad und Lugosch, die, wenn es möglich wäre, auch Szekszárd und Székesfehérvár übertreffen würden in Hinsicht auf die mir gegenüber erwiesene Güte und Zuneigung. Bischof Lonovich zeigte mir gegenüber wahrlich eine außerordentliche Gnade und Güte, aber auch die Ambrozys bleiben nicht gegenüber den Mailath zurück. Guido Karácsonyi empfing mich in Banlok mit einem fürstlichen Pomp und stellte mir außerdem noch von einer Station zur anderen die prächtigsten Pferde seines Gestüts zur Verfügung, nicht mitgerechnet die glänzende Illumination und die Feuerwerke, mit denen sie mich in Banlok, Temeswar und Arad geradezu in Staunen versetzten. Mit einem Wort, es ist eine phantastische Triumphreise, von welcher einst ein Künstler nur träumen konnte, und es geschah alles so, daß ich davon vorher nicht ahnen konnte (...). Der nach meinem in Temeswar veranstalteten zweiten Konzert erhaltene Goldene Lorbeerkranz ist großartig gelungen und wird wahrlich einen würdigen Platz unter den fünf/sechs Erinnerungsgegenständen einnehmen, welche die wichtigsten Stationen meiner Laufbahn bezeichnen. (...) Nach drei Tagen reise ich nach Hermannstadt und Brassó weiter.“

Domherr Joseph Gabriel aus Temeswar sprach nach dem dritten Konzert Liszts den Dank der ganzen Temeswarer Bürgerschaft in Form eines offenen Briefes aus: „Öffentlichen Dank. Der gefeierte Klavierheros und wohlthätige Menschenfreund Franz Liszt hat auch hier Beweise seines Wohlthätigkeitsinnes gegeben, indem er 300 Gulden Sr. Excellenz dem Hochwürdigsten Diözesanbischof Joseph Lonovics mit der Bitte übersandte, selbe nach Hochdew. Einsicht unter die Wohlthätigkeitsanstalten zu vertheilen. Sr. Excellenz geruhten hundert Gulden der Josephstädter und Altmeierhöfer Kleinkinderbewahranstalt gnädigst zukomm zu lassen, was hiemit mit dem innigsten Dank zu allgem. Kenntniss gebracht wird. Temeswar den 17. Nov. 1846, Joseph Gabriel, Domherr, Vereins-Präses.“

Diese letzte Konzertreise Liszts fand in einer Zeit statt, in der bereits die revolutionären Ereignisse von 1848 vorauszusehen waren. Er selbst war nicht gerade ein Freund der Habsburger. Bereits 1830 hat er sich in Paris den Aufständischen während der Juli-Revolution angeschlossen und war ein Anhänger der revolutionären Bewegung. So kann man sich auch vorstellen, was für Gefühle der von ihm bearbeitete und vorgetragene Rákóczy-Marsch in den Reihen des ungarischen Publikums erwecken konnte. Es ist deshalb auch verständlich, dass die ihn begleitenden ungarischen Magnaten Liszts Auftritte für die Propagierung ihrer politischen Interessen verwendet haben. Erstaunlich ist auch, dass im damaligen noch deutsch geprägten Temeswar sowohl die Triumphbögen für Liszts Empfang in ungarischer Sprache beschrieben wurden als auch das Ehrendiplom in dieser Sprache verfasst wurde. Die Ansprachen und Dankesreden Liszts waren jeweils in französischer Sprache, nur selten in Deutsch. Obwohl er kaum ungarisch sprechen konnte, trat er als Ungar auf, und in unzähligen seiner Briefe und Schriften bekennt er sich – trotz seiner weltbürgerlichen Einstellung – zu seinem Ungarntum.

Fortsetzung folgt