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Kultur und Brauchtum bei den Temeswarer Heimattagen: Banater Schwaben im Mittelpunkt

Der Bundesvorsitzende Peter-Dietmar Leber mit Bischof em. Martin Roos und dem Archivar Dr Claudiu Călin Fotos: Nikolaus Dornstauder

Adi Ardelean und Anca Micluţa-Herbei moderierten die Veranstaltungen auf der Bühne des Dorfmuseums im Jagdwald.

Auf der Freilichtbühne des Banater Dorfmuseums im Jagdwald boten die aus ganz Deutschland angereisten Mitglieder der Deutschen Banater Jugend- und Trachtengruppen (DBJ) ein mitreißendes Programm.

Die offizielle Eröffnung der Heimattage der Banater Deutschen fand am Freitag Vormittag zunächst mit einem Platzkonzert und der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Banater Forums Johann Fernbach auf dem Domplatz und danach im römisch-katholischen Dom St. Gerhard statt. Das hatte seinen Grund, denn im Dom ist seit Mai eine Ausstellung aufgebaut, die im Hinblick auf das 1000-jährige Jubiläum der Diözese Csanad deren Geschichte aufarbeitet und erlebbar macht. Auf Initiative des emeritierten Bischofs Martin Roos haben sich die drei Nachfolge-Bistümer Temeswar in Rumänien, Szegedin (Szeged) in Ungarn und Großbetschkerek (Zrenjanin) in Serbien zusammengetan, um den Werdegang des Bistums anhand von außergewöhnlichen Exponaten in vier Sprachen nachzuerzählen.

Ausstellung im Dom

Die Ausstellung, die mit 26 Tafeln und acht Vitrinen mit Exponaten im Innenraum des Doms zu sehen ist, wurde den Besuchern des Heimattags vom Bistumsarchivar Dr. Claudiu Călin vorgestellt. Es handelt sich um den ersten Teil einer als dreiteilig konzipierten Dokumentationsschau, die bis zum Bistumsjubiläum im Jahr 2030 vollendet sein soll. Dieser erste Teil widmet sich den ersten 500 Jahren des vom ungarischen König Stefan gegründeten Bistums, der St. Gerhard als Bischof einsetzte. Eine Zeit, die weitab von der Geschichte der Banater Schwaben liegt, aber die regionale Präsenz der katholischen Kirche in all ihren Facetten erlebbar macht. Die dargestellte Periode endet 1552 mit der Eroberung des Gebietes durch die Osmanen, was eine schwere Zäsur in der Kontinuität des Bistums bedeutete. Dieser Periode wird der zweite Teil der Ausstellung im Jahr 2026 gewidmet sein. Der dritte Teil beginnt mit der habsburgischen Herrschaft im Banat und einer neuen Blüte des kirchlichen Lebens und verfolgt die Entwicklung bis in die Gegenwart. Nach den Erörterungen zur Ausstellung  durch den Bistumsarchivar ergriff Bischof Roos spontan das Wort, um den Gästen der Heimattage die Bedeutung dieses Projekts noch einmal vor Augen zu führen. Er habe es sich zum persönlichen Anliegen gemacht, die Zusammenhänge und Verflechtungen in der Region im Verlauf der 1000 Jahre gemeinsam mit den Schwesterdiözesen in den Nachbarländern zu vermitteln und festzuhalten. Das Jubiläum biete die Gelegenheit dazu, die man nutzen solle. Ein kleiner, aber feiner Ausstellungskatalog lag für die Besucher aus, der die einzelnen Exponate dieses ersten Ausstellungsteils erläutert.

Literatur im AMG-Haus

Im Großen Saal des Adam Müller-Guttenbrunn-Hauses präsentierten sich Mitglieder des Temeswarer Lietraturkreises „Stafette“. Anlässlich des 175. Todestages von Nikolaus Lenau hielt Dr. Arthur Funk zunächst einen informativen Vortrag über Leben und Werk des Dichters. Er konnte dabei auf umfangreiches bibliographisches Material aus der Temeswarer Österreich-Bibliothek zurückgreifen. Das bewegte Leben des österreichischen Dichters begann in Lenauheim, damals Csatad, deshalb fühlen sich die Banater Schwaben ihm und seiner Literatur nach wie vor verbunden. Liedvertonungen von Schumann und die rumänische Übersetzung eines Lenau-Gedichts durch den rumänischen Nationaldichter Mihai Eminescu rundeten den Vortrag ab.

Im Anschluss lasen aktive Mitglieder des Literaturkreises aus ihren Werken, oft auch mit Bezug zu Nikolaus Lenau. Darunter waren Balthasar Waitz, Arthur Funk, Benjamin Burkhard, die Leiterin des Literaturkreises Henrike Brădiceanu-Persem und ihre Schwester Lorette, aber auch sehr junge Literaturtalente, teilweise noch Schülerinnen, wie Bianca Barbu, Lara Moț oder Sara Chișăvescu. Das zeigt die gute Zusammenarbeit mit der Lenau-Schule, wo Lorette Brădiceanu-Persem Deutschlehrerin ist. Sie selbst las einen Text aus ihrer eigenen Schülerzeit zum Thema „Heimat“, ihre Schwester hatte zu dem Lenau-Gedicht „Trutz euch“, das seit Jahren im Torbogen der Lenau-Schule hängt, eine Paraphrase verfasst. Anwesend waren auch Mentoren und Förderer des Literaturkreises aus der älteren Generation, allen voran Ignaz Bernhard Fischer, Annemarie Podlipny-Hehn und der Forumsvorsitzende Johann Fernbach.

Ein Loch im Zaun

Im zweiten Teil des Nachmittagsprogramms stellte die Hochschuldozentin Ana-Maria Dascălu die Fotos von Johann Rothgerber vor. Der aus Billed stammende Fotograf hatte in den 80er Jahren mit Dias experimentiert und dadurch surreale Effekte erzielt, die den Fotos eine für damalige Zeiten subversive Note verliehen – zumindest für die, die „zwischen den Zeilen“ lesen konnten. Für die Bilder erhielt er zunächst einen Preis, danach waren sie auch der Zensur nicht mehr geheuer. Nun wurden sie erstmals nach der Wende in Temeswar gezeigt, bereits im Mai hatte die Vernissage der Ausstellung in der Bibliothek des Temeswarer Polytechnikums stattgefunden. Für die Besucher des Heimattages wurden sie – wie seinerzeit die Dias – mit musikalischer Untermalung an die Wand projiziert. Zuvor würdigte der Forumsvorsitzende Johann Fernbach jedoch den für seine Zeit mutigen Künstler Rothgerber, der heute mit diesen Bildern drei Generationen anspricht: die, die diese Zeiten selbst erlebt hat, dann die mittlere, die weiß, was es heißt, frei zu sein und schließlich die junge Generation der Nachgeborenen, die daraus über die Vergangenheit lernen kann. Astrid Ziegler, die mit Rothgerber einen Banat-Blog betreibt und die Bilder dabei in ihrer „Anti-Idylle“ entdeckt hat, gab einige Informationen zu den Fotos und zur Biografie des Künstlers. Ein hochwertiger Katalog mit einigen der gezeigten Bilder lag zur Mitnahme aus. 

Lebendiges Brauchtum

Hauptakteure der Heimattage der Banater Deutschen sind die Tanzgruppen, Musikkapellen, Chöre und andere, die sich der Brauchtumspflege verpflichtet fühlen. Die aus dem ganzen Banat und aus Deutschland angereisten und die in Temeswar selbst verorteten Gruppen hatten an zwei Abenden Gelegenheit, sich auf der Bühne des Dorfmuseums im Jagdwald zu präsentieren. Aus Temeswar war en die Gruppen „Banater Rosmarein“, „Banater Kranz“, „Bunter Herbstreigen“, „Temeswarer Liederkranz“ sowie „Die lustigen Lenauschüler“ beteiligt. Aus dem Kreis Temesch kamen „Buntes Sträußchen“ aus Großsanktniklaus, „Edelweiß“ aus Detta, die „Hatzfelder Pipatsche“, die „Heiderose“ aus Billed sowie „Vergissmeinnicht“ aus Busiasch. Aus dem Kreis Arad kamen „Banat-JA“-Tanzgruppen aus Arad, Hellburg und Sanktanna. Aus dem Banater Bergland bzw. Reschitza beteiligte sich die Volkstanzgruppe „Enzian“, der Chor „Franz Stürmer“ sowie die Musikgruppen „Intermezzo“ und „Resicza“. Aus Deutschland waren Mitglieder der Tanzgruppen aus München, Augsburg, Nürnberg,  Spaichingen, Würzburg, Esslingen und Karlsruhe angereist. Die an beiden Abenden von Adi Ardelean und Anca Micluța-Herbei moderierten Veranstaltungen umfasste alle Generationen, wobei erfreulicherweise viele junge Menschen auf der Bühne zu sehen waren. Beide Abende schlossen mit einem rauschenden Ball, musikalisch begleitet von den Banater Musikanten aus Temeswar im Wechsel mit den Blaskapellen aus Nadlak und Rekasch . Alle Mitwirkenden und noch einige Trachtenträger mehr formierten sich nach dem Sonntagsgottesdienst im Dom zu einem von vielen Zaungästen gesäumten Trachtenzug durch die Innenstadt. Auch der Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz war mit seiner Familie dabei, seine Tochter zum ersten Mal in banatschwäbischer Tracht und mit zünftiger Zopf-Frisur. An diesem Tag standen die Banater Schwaben für alle sichtbar  im Mittelpunkt des Stadtgeschehens.

Menschen. Zu verkaufen.

Aus Anlass der Heimattage und auf Anregung des Forums hatte das Deutsche Staatstheater das Doku- Stück: „Menschen. Zu verkaufen.“ Von Carmen Lidia Vidu auf den Spielplan gesetzt. Es behandelt das Thema der Auswanderung der Deutschen aus Rumänien vor dem Hintergrund der Enthüllungen, dass in Jahren 1969 bis 1989 ein systematischer Verkauf von Deutschen durch den rumänischen Staat an die Bundesrepublik stattgefunden hat. Ein Stück, das viele betroffen macht, die heute als Besucher in die alte Heimat reisen, das auch im Rückblick viele Fragen aufwirft: „Welches ist dein Preis?“ wird von der Bühne gefragt. Oder auch: „Soll man mit Diktatoren verhandeln?“ Ohne den Freikauf, der allein aufgrund von mündlichen Vereinbarungen und mit Bargeld erfolgte, wäre vielleicht einiges anders gelaufen in unserer Geschichte. Besser oder schlechter? Wer kann es wissen? Befangener Applaus und so mancher Kloß im Hals  war der Lohn für die eindringliche Darbietung der hervorragenden Darstellerinnen und Darsteller.

Orgelkonzert

Traditionell wird den Besuchern zum Abschluss der Heimattage der Banater Deutschen ein Orgelkonzert in der Domkirche angeboten, das war auch diesmal so. Der in München tätige Organist Tobias Schmid war nicht zum ersten Mal in Temeswar zu Gast, kam er doch durch seine musikalische und persönliche Bekanntschaft mit Dr. Franz Metz schon vor einiger Zeit mit Zeugnissen des Banater Musiklebens in Berührung. Zusammen mit dem Flötisten Vlad Colar, Mitglied des Temeswarer Philharmonischen Orchesters, erfreute er die Besucher, die sich für die Musik in die Kühle der Domkirche geflüchtet hatten, mit einem hochkarätigen und abwechslungsreichen Konzertprogramm. Neben Werken von Christoph Willibald Gluck (aus „Orpheus und Eurydike“), Georg Friedrich Händel (Sonate für Flöte und Orgel) und Johann Sebastian Bach (Toccata und Fuge in d-moll) standen Orgelpräludien lokaler Komponisten wie Johann Weber (geboren in Schöndorf, gestorben in Blumenthal) oder Franz Waschek (geboren in Weißkirchen, gestorben in Temeswar), den Anfang machte eine Orgel-Elegie von George Thalben-Ball. Das eingängige „Ave Maria“ von Giulio Caccini, bearbeitet für Flöte und Orgel, ging allen merklich zu Herzen. Zum Schluss improvisierten die beiden Musiker zunächst gemeinsam, danach setzte Tobias Schmid noch eine Improvisation zur Melodie der Banater Hymne drauf. Der begeisterte Applaus bewog die beiden Künstler noch zu einer Wiederholung des Ave Maria, bevor die ergriffenen Besucher wieder in die Hitze der Stadt entlassen wurden.