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Stadttheater Freiburg inszeniert Julius Vollmers Biographie

Julius Vollmer

Mit „Liebesgrüße aus Temeswar“ feiert das Stadttheater Freiburg am 30.  November eine etwas andere Premiere. Das Ensemble aus dem Breisgau inszeniert das Leben des mittlerweile 85-jährigen Schauspielers und Ensemblemitglieds Julius Vollmer. Die Theaterleute in Freiburg haben das Leben des Gründungsmitglieds des Temeswarer Staatstheaters als so „exemplarisch zwischen den Diktaturen, Ideologien und Identitäten“ empfunden, dass sich Regisseur Klaus Gehre und die Dramaturgin Heike Müller-Merten auf Spurensuche nach Temeswar begeben haben. Sie haben die Banater Hauptstadt als eine inzwischen wieder moderne europäische Stadt empfunden. Als Vollmer 1983 nach Deutschland ausgesiedelt ist, sah es dort anders aus: Die kommunistische Mangelwirtschaft war allgegenwärtig.

Regisseur und Dramaturgin folgten mit Kamera und Diktiergerät den Spuren ihres Kollegen Vollmer durch Temeswar, wo dieser Theater spielte, bis er wegen
seines Ausreiseantrags aus dem Ensemble entfernt wurde. Sie begaben sich auf Friedhöfe, wo sich der arbeitslose Vollmer als Sänger auf Beerdigungen verdingte, wo in der marmornen Familiengruft seine geliebte Schwester Alice, ebenfalls Schauspielerin, beigesetzt ist. „Die Koordinaten seines Lebens leiten uns durch die einstmals prachtvollen Meierhöfe – hier wurde der blondgelockte Erstgeborene für ein Leben als deutschstämmige Ausnahmeerscheinung erzogen –, bis seine jüdischen Spielgefährten verschwanden und ihm der »Arm herunterfiel«, schreibt die Dramaturgin in der Premieren-Ankündigung. Dort, im Garten vor der großväterlichen Holzhandlung, versteckte er sich 1945 im Erdloch vor der Russland-Deportation. Von einer Nacht zur anderen wurde ihm seine Herkunft, das blaue Blut, die großbürgerliche Abstammung zum Makel: Sein Leben war fortan eine Anpassungsleistung an extreme, ideologisch motivierte Grundsätze einer unberechenbaren Diktatur. Als Theaterschauspieler Vollmer, der Mann mit den vielen Gesichtern, überlebte Szabó von Szathmáry in Rollen.

Auf ihrer Sechs-Tage-Reise werden die beiden Theaterleute aus Freiburg zu Geheimagenten in eigener Sache. Sie erkennen rasch: „Wer fragt, stört“. Sie stellen fest, dass es die einfache Wahrheit nicht gibt. In Temeswar „ist das Schweigen mit Händen zu greifen“, schreibt Heike Müller-Merten. „Es rächt sich, wenn man nie angefangen hat, zu reden. Hier im Banat, in Rumänien, wurden zwei Diktaturen totgeschwiegen“, sagt eine Schauspielerin der Kollegin aus Deutschland. Die beiden Spurensucher sind verwirrt, denn in der pulsierenden und europäisch anmutenden Stadt gibt es keine Vergangenheit. Sie suchen sie vergebens im Gespräch mit Leuten. In der Architektur jedoch ist die Vergangenheit noch anwesend. Dass in den Dezembertagen 1989 die Kugelhagel über die Lloydzeile pfiffen, bezeugen die noch nicht restaurierten Häuserfassaden. Julius Vollmer hat den Aufstand von Temeswar von Deutschland aus im Fernseher verfolgt – zerrissen zwischen brüllendem Heimweh und dem guten Gefühl einer äußeren Sicherheit.

Nach sechs Tagen Banat-Aufenthalt sind sich die beiden Spurensucher sicher: Die Stadt Temeswar – einstiges in k.u.k-Architektur verpacktes städtebauliches Kleinod und mit ihr das Staatstheater – sucht ihre Identität. Aber auch die Rechercheure suchen weiter, und zwar „nach Julius Vollmer, dem Mann mit den vielen Leben. Manchmal ist die Suche bedrückend. Manchmal komisch. Und manchmal schmeckt das Ganze nach James Bond. Ein Stoff für das Theater“, schreibt die Dramaturgin.

Mitwirkende sind: Marie Bonnet, Iris Melamed, Charlotte Müller und natürlich Julius Vollmer. Für die Regie zeichnet Klaus Gehre, für die Dramaturgie Heike Müller-Merten.

Aufführungstermine
Feste Termine: Freitag, 30. November, 20 Uhr (Premiere); Dienstag, 4. Dezember, 20 Uhr; Donnerstag, 13. Dezember, 20 Uhr. Geplante Termine (bitte informieren Sie sich in den aktuellen Medien): Samstag, 12. Januar 2013, 20 Uhr; Samstag, 26. Januar, 20 Uhr; Freitag, 15. Februar, 20 Uhr; Freitag, 22. Februar, 20 Uhr.