Der raue, unfreundliche Winter ist vorüber und der schöne, liebliche Frühling hält seinen Einzug. Reges Leben und Treiben beginnt wieder im Dorf, Garten, Weinberg und Feld. Die Frühjahrssaaten sind schon zum Teile bestellt, doch in den Häusern wird gescheuert, geweißt, so wie es vor einem hohen Festtage Brauch ist. Es ist die Karwoche, die Tage der Erinnerung an die Leidensgeschichte unseres Herrn und mit den kirchlichen Riten haben sich verschiedene Sitten und Gebräuche eingebürgert. Es ist bereits Gründonnerstag, die Schuljungen haben sich versammelt, um, während die Glocken verstummt sind, die Gläubigen mit ihren Ratschen zu verständigen. Es sind die Ministranten, die von ihrem Messner in jede Gasse verteilt worden sind. Die Jungen sind gut adjustiert: feste Schuhe oder gesohlte Socken an den Füßen, einen Stock in der Hand, um die Hunde abzuwehren. Sie warten, um ihrer ersten Funktionen Genüge leisten zu können. Während der Heiligen Messe verstummen die Glocken, die nach dem Volksmunde nach Rom flogen, um zu beichten.
Vom Turme schlägt es zwölf. Die Ministrantenschar, wohl an die anderthalb bis zwei Dutzend, kniet sich nieder und beten den Engel des Herrn. Nach dem Gebet verteilen sie sich in die Gassen, ihre Ratschen (auch Klewr genannt) drehend, wobei von Zeit zu Zeit gleichmäßig der Ruf erschallt: „Ihr Leut, ihr Leut, die Betglock läut, / Ihr lieben Christen, seid bereit, / Fallet nieder auf eure Knie / Und betet den Engel des Herrn, Ave Maria.“ Desgleichen am Abend nach dem Aveläuten, nur mit dem Unterschiede, dass ihrer zwei in einiger Entfernung hinter der ersten Rotte mit dem Rufe folgen:
„Das ist zum Gedächtnis des bitteren Leidens Christi.“
Karfreitag. Alle Arbeit ruht, es wird nicht einmal zum Kochen Feuer gemacht, außer zum Brot backen. Mit dem Karfreitagsbrote hat es seine eigene Sage, nämlich als unser Herr auf seinem Leidenswege zum Kalvarienberge dahinschritt, da wurde er durch die Kreuzeslast zu Boden gedrückt. Doch stets nur dort, wo man wusch oder sonstige Arbeit verrichtete: hingegen war er erquickt und gestärkt, wenn ihn der Geruch frisch gebackenen Brotes labte. Bezüglich dieser Sage gibt es Familien, die am Karfreitag. ein Karfreitagsleibchen backen, welches sie dann an Ortsarme verschenken.
An den kirchlichen Handlungen wirken die Jungen mit ihren Ratschen mit.
Karsamstag. Ruhte am Vortag die Arbeit, so wird jetzt mit erhöhter Tätigkeit das Versäumte nachgeholt. Die Buben ratschen zum Aveläuten, zur Aussetzung, zur Feuer- und Wasserweihe, ferner zur Heiligen Messe. Nach dem Gloria ist bekanntlich ihre Dienstleistung beendet. Nun gehen gehen die Jungen ihren Lohn einzusammeln, und zwar in jeder Gasse, Haus für Haus. Jede Gasse durchstreift eine Rotte: zwei tragen einen Korb, ein dritter dreht die Ratsche, mit welcher der Eintritt in den Hof angekündigt wird. Dieser führt auch an einer papierenen Kette den Fuchs, einen herausgeputzten Jungen. Sie beginnen:
„Wir hören die Jungfrau klingen, / Sie wird uns etwas bringen, / Eier oder Geld oder was euch sonst gefällt, / Nur keine Schlä‘, denn die tut sehr weh. / Eier heraus, Geld heraus! / Sonst schicken wir den Fuchs ins Hühnerhaus.“ Ein Dutzend Eier, mitunter auch gefärbte, und Geld, das ist ihr Lohn, welchen sie nicht nur für die Karwoche, sondern für die Dienstleistung des ganzen Jahres empfangen. Dass spekulative, hinterlistige Weiber trachten, den Jungen ihre karge Bezahlung zu schmälern, kommt auch vor. Und als einst die Wirtschaftsfrau eines Grundherrn denselben faule und ausgebrütete Eier gab, hatte sie dieselben tags darauf an den Wänden des Kastells kleben. „Wir danken für die Gaben, Die wir empfangen haben.“ Mit diesem Vers entfernen sich die Jungen.
Der Glanzpunkt des Heiligen Osterfestes bildet stets die Auferstehungsprozession, die im Dorfe mit der größten Feierlichkeit begangen wird. Vor Sonnenuntergang in der Dämmerung zieht die Prozession an den hergerichteten Gassenecken vorüber. Die Musikbande spielt fromme Weisen, die Fenster sind beleuchtet, mit Blumen und Sträußen geschmückt. Fast das ganze Dorf ist auf den Beinen.
Beim Verlassen der Kirche wird den Gläubigen noch mitgeteilt, dass in der Morgendämmerung des Ostersonntag eine Prozession in den Friedhof geht, um einen Akt der Pietät auszuüben.
Nach der Auferstehungsprozession spielt die Musik für den morgigen Tag den Festgruß.
Die Prozession in den Friedhof wird stets nur von jüngern Personen mitgemacht, da das Wetter kühl und für ältere Personen nicht ratsam ist. Nach dem Kreuzwegbeten kehrt die Prozession unter dem Gesang: „Der Heiland ist erstanden“ und „Großer Gott, wir loben dich“ ins Dorf zurück. Draußen im Korn schlägt bereits eine Wachtel und eine Lerche schwingt sich auf. „Sie trillert in die Lüfte, gar hoch empor und schwirrt / Vom künftig schönen Lenze, der einst uns allen wird.“
Die Kinder haben sich bereits am Abend vorher die Nester gerichtet, in welche der Osterhase seine Geschenke hineinlegt. Wie nun Freund Lampe zu dieser Auszeichnung kam, ist mir unbekannt. Von Paten und Godt erhalten die Kinder bis zum 13. Lebensjahre stets Ostergeschenke, an farbigen Eiern, Lebzeltern und dergleichen. Wenn sie jedoch aus der Schule bleiben, erhalten sie ein Kleidungsstück, dann nichts mehr, bis sie heiraten.
Diese Skizze von Josef Gabriel dem Älteren erschien in der Erstausgabe der Banater Deutschen Zeitung, am Ostersonntag, den 12. April 1925.