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Jüdisches Theater in Rumänien: Deutsche Übersetzung im WaRo Verlag

Das Buch „Hundert Jahre jüdisches Theater in Rumänien“ von Israil Bercovici ist ein beeindruckendes Werk, das die reichhaltige Geschichte und Kultur der jüdischen Bevölkerung in Rumänien beleuchtet. Israil Bercovici, ein profunder Kenner der jüdischen Theaterlandschaft, schafft es, nicht nur die künstlerische Entwicklung, sondern auch die gesellschaftlichen und historischen Kontexte lebendig darzustellen.
Das Buch, 1976 auf Jiddisch und 1982 auf Rumänisch im Bukarester Kriterion-Verlag erschienen, zeichnet die Entwicklung von den Anfängen des jüdischen Theaters im 19. Jahrhundert bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach. Dabei werden zentrale Figuren wie Abraham Goldfaden, der als Begründer des modernen jiddischen Theaters gilt, ausführlich gewürdigt. Bercovici kombiniert historische Dokumente, persönliche Erinnerungen und literarische Analysen zu einem facettenreichen Bild, das die Herausforderungen und Erfolge dieser Kunstform nachvollziehbar macht. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie der Autor die Bedeutung des jüdischen Theaters für die rumänische Gesellschaft herausarbeitet. Trotz schwieriger historischer Umstände – von antisemitischen Repressionen bis hin zum Holocaust – war das jüdische Theater ein Ort der kulturellen Selbstbehauptung und Kreativität. Es spiegelt nicht nur die jüdische Identität wider, sondern interagiert auch mit der rumänischen Theatertradition und der europäischen sowie universellen Kulturgeschichte.
Nun ist das Buch im WaRo-Verlag des Banater Verlegers Walter Roth in deutscher Sprache erschienen. Walter Roth besorgte das Layout sowie die sorgfältige Bearbeitung der originalen Bilder und gestaltete auch das ansprechende Cover.
Die deutsche Übersetzung der aus Temeswar stammenden Maria Herlo, die an der dortigen Universität Germanistik studiert hat, macht dieses wichtige Werk zum ersten Mal einem breiteren Publikum zugänglich und bringt die lebendige Welt des jüdischen Theaters in Rumänien und weltweit in die Gegenwart. Es ist ein unverzichtbares Buch für alle, die sich für die Geschichte des Theaters und für jüdische Kultur interessieren. Mit zahlreichen Illustrationen aus der hundertjährigen Geschichte des Theaters sowie einem Vorwort von Joachim Hemmerle, langjähriger Redakteur beim „Mannheimer Morgen“, ist das Buch ein bewegendes Zeugnis kultureller Resilienz und künstlerischer Kraft. Der Beitrag der gegenwärtigen Leiterin des Jüdischen Staatstheaters Bukarest Maia Morgenstern zeigt die gegenwärtige Lage dieser in Europa einzigartigen Institution auf und wagt einen Blick auf ihre zukünftige Entwicklung.
Ein Bezug zum Banat ergibt sich auch durch die Schauspielerin und Sängerin Sidy Thal, geboren 1912 in Czernowitz, die erfolgreich am Jüdischen Staatstheater Jassy und Bukarest auftrat, bevor sie 1940 nach Czernowitz zurückkehrte. Während eines Gastauftritts im Deutschen Staatstheater Temeswar wurde am 26. November 1938 von Nationalisten der Eisernen Garde ein antisemitischer Anschlag auf sie verübt, bei dem sie mit dem Schrecken davon kam, aber vier Menschen starben und mehrere verletzt wurden. Diese Begebenheit wird in dem Buch von Bercovici, das in der Ceauşescu-Diktatur erschienen ist, nicht erwähnt, aber sie wurde 2023 vom Temeswarer Stadtschreiber Thomas Perle in dem Stück „Sidy Thal“ aufgegriffen. Dessen Uraufführung brachte im Kulturhauptstadt-Jahr die erste Kooperation des Deutschen Staatstheaters Temeswar mit dem Staatlichen Jiddischen Theater Bukarest. Es wurde auch beim Internationalen Donaufest in Ulm szenisch aufgeführt.
  

„Hundert Jahre jüdisches Theater in Rumänien“ von Israil Bercovici, aus dem Rumänischen übersetzt von Maria Herlo. WaRo Verlag Heidelberg 2024, 608 Seiten, 29,90 Euro (ISBN: 978-3-938344-55-2),