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Vorurteile abbauen helfen: Zum Tod von Nicu Covaci, Gründer der Rockband Phoenix

Nicu Covaci, Stuttgart 2022 Foto: C. Traian Pop

Nicu Covaci, Frontmann und Gründer der Rockgruppe Phoenix, ist am 2. August 2024 in Temeswar im Alter von 77 Jahren gestorben. Er steht wie kein anderer für den kometenhaften Aufstieg der legendären Temeswarer Band, die die Repressionen  geschickt umschiffte, die Jugendlichen der 1970er Jahre in ihren Bann zog, und schließlich doch verboten wurde.
Nicu wurde am 19. April 1947 in Temeswar geboren. Seine Mutter war aus Bessarabien zugewandert und sprach gut deutsch, er soll sie sogar „Mutti“ genannt haben. Sie sorgte dafür, dass der Sohn die deutsche Grundschule besuchte. Nicus Vater stammte aus dem Grenzgebiet zu Serbien und war in den ersten zehn Lebensjahren Nicus als politischer Gefangener am Donau-Schwarzmeer-Kanal zur Zwangsarbeit deportiert.
Schon früh kam Nicu mit Musik in Berührung, aber er war auch der bildenden Kunst und dem Sport zugeneigt, besuchte das Temeswarer Kunstlyzeum und studierte anschließend auch Bildende Kunst. Im Jahr 1962 gründete Covaci die Studentenband „Sfinții“ („Die Heiligen“), die zwar wegen ihres „unkommunistischen“ Namens argwöhnisch beäugt wurde, aber dennoch den Zweiten Preis beim Bukarester Studentenfestival gewann. 1965 wurde sie verboten und „Phoenix“ stieg aus der Asche. Neben Covaci als Leadsänger und Gitarrist war vor allem der Bassist Béla Kamocsa festes Gründungsmitglied. Zum Mitgliederstamm der Band aus dem multikulturellen Temeswarer Umfeld gehörten u.a. Josef Kappl, Mircea Baniciu, Günter Reininger, Florin Bordeianu, Valeriu Sepi, Dorel Vintilă und Costin Petrescu. Phoenix spielte dreimal wöchentlich in den Studentenkantinen des Polytechnikums und der Baufakultät. Ab 1968 wurde die Band wiederholt bei Studentenfestivals ausgezeichnet und erhielt auch den ersten Plattenvertrag. Einer ihrer Förderer war Adrian Păunescu, der damals in seinem Literaturkreis „Flacăra“ unkonventionelle  Jugendkultur zelebrierte. Ihren Durchbruch verdankt Phoenix der Mischung aus westlichem Rock und rumänischer Folklore. Trotz oder wegen der großen Erfolge im In- und Ausland  - unter anderem hatten sie 1973 auch einen legendären Auftritt im Festsaal des Lenau-Lyzeums, der vor dem Ansturm bewacht werden musste  – wurde Phoenix verboten. Nicu Covaci setzte sich 1976 ins Ausland ab, kam über Amsterdam nach Osnabrück. Als 1977 das Erdbeben in Rumänien war, kam er mit Hilfsgütern im LKW angereist und nutzte die Gelegenheit, einige  Band-Mitglieder bei der Rückfahrt über die Grenze zu schmuggeln. Darüber sprach er 1999 anlässlich eines Interviews mit Ernst Meinhardt für die Deutsche Welle: „Bei der Ausreise habe ich die Mitglieder von Phoenix (außer Mircea Baniciu) mitgenommen. Ich habe sie in den Marshall-Lautsprecherboxen versteckt. Die Lautsprecher habe ich vorher ausgebaut. Die Boxen mit den Jungs drinnen habe ich zugeschraubt. So sind wir mit der Technik der Gruppe im LKW aus Rumänien ausgereist. Und die ganze Truppe war in den Lautsprecherboxen versteckt.“ Sein schillerndes Leben erzählte Covaci auch Adriana Carcu für ihren Interview-Band “Die Geschichte unserer Tage“, das Interview mit ihm hat die Autorin unter dem Titel: „Wir lernen alle aus dem Schmerz“ veröffentlicht. Es beschreibt die Hartnäckigkeit, mit der sich Nicu Covaci zeitlebens der Musik verschrieben hat.
Im Westen wollte Covaci „Phoenix“ in wechselnden Besetzungen  im alten Geist weiterleben lassen. Nach der Wende sorgte er auch für Auftritte in Rumänien, doch an den früheren Kult-Status konnte die Band nicht anknüpfen. Obwohl er in den letzten Jahren hauptsächlich in Spanien lebte, hatte er Rumänien immer im Blick und unterstützte viele Aktionen. Im Interview mit Ernst Meinhardt sprach er über seine Motivation dafür: „Wie jeder Rumäne möchte auch ich, dass wir als zivilisiertes Kulturvolk wahrgenommen werden und dass wir die Vorurteile gegen uns abbauen.“ In Temeswar ist Nicu Covaci letztlich einem Hirntumor erlegen, sein Grab ist auf dem Heldenfriedhof.