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Deutsche Erstaufführung der Festmesse von Otto Sykora in München: Bischof Pacha gewidmet

Die Chorgemeinschaft und das Orchester der Pfarrgemeinde St. Willibald unter der Leitung von Tobias Schmid mit den vier Solisten und Dr. Franz Metz an der Orgel

Dr. Claudiu Călin, Archivar des Bistums Temeswar, referierte über den Banater Bischof Augustin Pacha Fotos: Karin Bohnenschuh

Als musikalische Begleitung des Festgottesdienstes zum Patrozinium in der katholischen Pfarrkirche St. Willibald am 7. Juli 2024 erklang in deutscher Erstaufführung die Festmesse Op. 225 von Otto Sykora. Dass dies möglich wurde, bedurfte es vieler engagierter Akteure: Musiker, Wissenschaftler, des Chors und nicht zuletzt finanzieller Unterstützung. Tobias Schmid leitete die Chorgemeinschaft St. Willibald, begleitet vom Kirchenorchester und unter Mitwirkung der Solisten Sol Lee (Sopran), Jennifer Crohns (Alt), Daniel Bertholdo (Tenor) und Wilfried Michl (Bass) sowie von Franz Metz an der Orgel.
Zu Beginn des Gottesdienstes zum Patrozinium begrüßte Pater Tadeusz Zielinski SDS die Anwesenden und als Ehrengäste die Vertreter der Landsmannschaft der Banater Schwaben, die mit ihrer Unterstützung die Aufführung dieser besonderen Festmesse ermöglicht haben.
Otto Sykora beweist in der Vertonung der Texte des Ordinariums (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei) sein Können im Bereich der Orchestration im Zusammenspiel mit dem Chor. Beim Kyrie, welches die Feier mit einer dreimaligen Anrufung des Herrn eröffnet, setzen die Chorstimmen nach einer kurzen orchestralen Einleitung zum „Kyrie eleison“ nacheinander ein, eine Kadenz leitet zum „Christe eleison“ über, in dem die tiefen Stimmen die Hauptmelodie singen, um die Verschiedenheit von Gott-Vater und Gott-Sohn zu verdeutlichen. Gegen Ende übernehmen der Chor und die Streicher das Kyrie-Thema von den Solisten zu einem vollen Klang, der in einem Decrescendo endet.
Das Gloria ist zugleich eine Ehrung Gottes und ein Gebet – eine Bitte. Es ist ein Wechsel der grundsätzlichen Weltordnung des christlichen Glaubens zwischen Gott im Himmel („Ehre sei Gott in der Höhe“) nach unten auf die Erde mit der Bitte um Frieden („Und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade“). Das „Gloria in excelsis deo“ wird mehrmals wiederholt, während der Chor das Hauptthema ausführt und die Violinen es umspielen. Beim Übergang zur Bitte um Frieden auf Erden erfolgt ein Wechsel von Takt, Tempo und Modulationen, der beim „Laudamus te“ wieder aufbraust, dann wieder nacheinander die einzelnen Stimmen einsetzen bis zum Majestoso des „Cum sancto Spiritu“, um dann mit einem „Amen“ des Chors im Tutti auszuklingen, gefolgt von einem Nachspiel des Orchesters, das im Trommelwirbel endet.
Im Credo ist das christliche Glaubensbekenntnis formuliert, wird Gott erneut verherrlicht und angerufen. Sykoras „Credo“ beginnt gedeckt, relativ ruhig, wobei der Ton immer höher steigt, um dann wieder im Pianissimo, begleitet von den Streichern und einzelnen Chorstimmen, in tiefem Moll bei „moriendo“ zu enden. Umso strahlender ist der Auftakt zur Auferstehung hin, es werden einzelne Bass-Stimmen und gekonnt auch Bläser eingesetzt, dann werden die Töne wieder gediegener bis sie sich zu Dur-Akkorden im „Venturus est cum gloria“ steigern. Das Credo endet mit einem eindrucksvollen „Amen“ des Chors, zusätzlich unterstützt vom Orchester in einem triumphartigen Finale.
Vor der Gabenbereitung sang der Chor „Lauda Sion Salvatorem“ in der Vertonung von Vincens Maschek, eines ebenfalls fast vergessenen böhmischen Komponisten. Der Text ist ein Gedicht des hl. Thomas von Aquin, in deutscher Nachdichtung als „Deinem Heiland, deinem Lehrer“ bekannt, das versucht, das Mysterium der Eucharistie fassbar zu machen, aber auch die Freude der Gläubigen über diese sichtbare Zuwendung Gottes ausdrückt. Gesungen als Bass-Solo von Wilfried Michl wurde es vom Orchester begleitet, die anderen drei Solisten schritten im zweiten Teil der dritten Strophe „Dies enim solemnis agitur“ ein, während die Bass-Stimme sich zurücknahm, um, begleitet vom Orchester, die neuen Zeiten und den neuen König zu begrüßen.
Das zentrale Lob- und Dank-Gebet in der Messe ist das Sanctus, es ist der kürzeste Teil von Sykoras Messe.  Nach einer kurzen Intonation der Streicher beginnen zunächst die Solostimmen, der Chor setzt erst beim „Dominus Deus Sabaoth“ ein und steigert sich strahlend mit dem ganzen Orchester zum „erfüllt sind Himmel und Erde“, um in einem hymnenartigen „Hosanna“ auszuklingen. Der zweite Teil des Sanctus, das Benedictus klingt sehr lyrisch, es wird von Beginn an von Solostimmen getragen begleitet von den Streichern. Der Chor folgt nach und steigert sich bis hin zum „Hosanna in Excelsis“.
Im letzten Teil seiner Festmesse, dem Agnus Dei, bearbeitet Sykora das Hauptthema, das von einzelnen Solostimmen übernommen wird. Am Anfang klingt es sehr getragen und ruhig, den Schmerz der Opferung darstellend und steigert sich beim dritten Mal, dem das „Dona nobis pacem“ folgt, eine gediegene Bitte, ein Gebet, fast ein Flehen nach Frieden.
Sykora hat seine Messe 1936 in den Wirren der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts komponiert, nur ein paar Jahre vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, und dennoch ist diese Bitte nach Frieden aktueller denn je. Möge sie erhört werden.
Ein großes Lob gebührt der Chorgemeinschaft und dem Orchester von St. Willibald, den Solisten und allen Mitwirkenden und Beteiligten für diese wunderbare Aufführung - und nicht zuletzt den beiden Initiatoren Dr. Franz Metz und Tobias Schmid. Die Mühe und die kostbare Zeit, die für die zahlreichen Proben aufgewendet wurde, kann nicht genug gewürdigt werden. Der Applaus am Ende des Gottesdienstes war nur ein kleines Dankeschön. Wir wünschen der Chorgemeinschaft eine gute Reise im Oktober nach Temeswar und auch dort viel Erfolg, wenn sie die Messe im Dom singen wird, wo sie zum ersten Mal zur Aufführung kam.
Zwei Banater Persönlichkeiten
Am Vorabend der Aufführung der Festmesse fanden im Pfarrsaal von St. Willibald zwei Vorträge zur Entstehungsgeschichte der Messe und zu deren Widmungsträger Bischof Dr. Augustin Pacha statt. Einleitend begrüßte der Vorsitzende des Förderkreises der Kirchenmusik in St. Willibald Michael Ricke die beiden Referenten Dr. Franz Metz und Dr. Claudiu Călin. Die Chorgemeinschaft St. Willibald probe schon seit einiger Zeit für die Aufführung der Messe, wisse aber wenig zu der Entstehungsgeschichte und den Hintergründen, begründete er die Veranstaltung. Er wies darauf hin, dass die Aufführung dieser Messe durch die Zusammenarbeit des Kirchenmusikers von St. Willibald Tobias Schmid mit Dr. Franz Metz zustande gekommen sei, dank tatkräftiger Unterstützung des Gerhardforums Banater Schwaben, des Kulturwerks der Banater Schwaben, der Gesellschaft für die deutsche Musikkultur im Südosten Europas und nicht zuletzt der Landsmannschaft der Banater Schwaben, die das Projekt aus der testamentarischen Zuwendung von Inge Wekerle-Steiner förderte.
Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Peter-Dietmar Leber begrüßte die Anwesenden und erklärte den Beweggrund der Förderung solcher Veranstaltungen. Die beiden Persönlichkeiten, Bischof Augustin Pacha und der Musiker Otto Sykora, seien eng mit dem Banat verbunden. „Wir im kommunistischen Rumänien hatten wenig Möglichkeit, von deren Wirken zu erfahren. Darum ist es begrüßenswert, dass zwei geschätzte Wissenschaftler über sie geforscht haben und in ihren Vorträgen deren Werk und Leben würdigen.“
Komponist  und Kapellmeister
Dr. Franz Metz stellte in seinem Vortrag Otto Sykora vor, einen Komponisten, der wie viele seiner Zeit aus dem Südosten Europas in den Wirren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen allen Fronten agierte und in Vergessenheit geriet. Er, Franz Metz, habe es sich zur Aufgabe gemacht, diesem zu Unrecht Vergessenen den gebührenden Platz in der Musikgeschichte einzuräumen. Die einzelnen Nationalstaaten reklamieren Komponisten jeweils für ihre Musikgeschichte. Durch dieses Raster fallen oft die Komponisten, die auf Territorien gelebt und gewirkt haben, die heute mehrere Nationalstaaten umfassen, die vertrieben wurden, die ausgewandert sind, die deportiert wurden oder gar in Konzentrationslagern gestorben sind. Sie gehören der europäischen, gar internationalen Musikgeschichte an und wären ganz vergessen worden, wenn nicht nach der politischen Wende ab 1990 damit begonnen worden wäre, nach ihnen zu forschen. Im Rahmen eines dieser Forschungsprojekte hat der Referent auch die Festmesse von Sykora wiederentdeckt. Er berichtete von den mühsamen Versuchen das in den Orgelemporen der Kirchen des Banats, auf Dachböden und Kammern zum Ende des 2. Weltkrieges und zu Beginn der kommunistischen Herrschaft versteckte musikalische Material meist deutschen Ursprungs nach dem großen Exodus der Banater Schwaben nach 1990 vor der endgültigen Zerstörung zu retten. Um 1995/96 fand er in der „Salvatorianer-Kirche“, der römisch-katholischen Pfarrkirche Heiliges Herz Jesu in der Elisabethstadt in Temeswar, das ganze Material der Messe samt dem Autograph des Komponisten. Durch eine Kette von Umständen hat es sich nun ergeben, dass diese Festmesse zum ersten Mal in Deutschland eben auch in einer Kirche der Salvatorianer, die enge Beziehungen mit den Salvatorianern in Temeswar pflegen, uraufgeführt wird. Otto Sykora gehört zu den zahlreichen Komponisten, die ab Beginn des 19. Jahrhunderts Böhmen verlassen haben und sich in Südosteuropa als Musiker, Komponisten oder Instrumentenbauern niedergelassen haben. So kam auch er nach Abschluss des Konservatoriums in Prag und Ableistung seines Militärdienstes zuerst nach Steierdorf/Anina, danach wirkte er als Leiter der Werkskappelle, als Komponist und Kapellmeister bis zu seiner Pensionierung 1930 in Reschitza. Anschließend zog er mit seiner Frau zur Tochter Alma nach Temeswar. Dort entstand auch die Festmesse. Seinen Vortrag illustrierte Metz mit zahlreichen historischen Fotos und brachte viele Informationen zum Musikleben des Banats und im Speziellen des Banater Berglands. Franz Metz hat zu den Musikern und Komponisten des Banater Berglands in der Edition Musik Südost, München im Jahr 2023 ein Buch veröffentlicht: „IN E-DUR. Otto Sykora und die heitere Musik des Banater Berglands“. Erfreulicherweise tauchen auch heute noch durch Zufall verschollene, auch unbekannte Werke auf.
Zu der Festmesse, die zur Aufführung kam, informierte Franz Metz, dass sie Bischof Augustin Pacha gewidmet ist und ursprünglich für ein großes Orchester komponiert wurde. Er nehme an, dass die kleinere Besetzung zur Aufführung kam, da die Orgelempore des Temeswarer Doms nicht mehr Platz für Sänger und Orchester gestattete. 1939 hat Sykora noch eine Orgelfassung dazu geschrieben. Danach gibt es keine Informationen mehr zu der Messe bis sie in den 90er Jahren wiederentdeckt wurde. Der Referent sprach auch noch von Vinces Maschek, dessen „Lauda Sion Salvatorem“ im Gottesdienst zur Aufführung kam, und der auch zur Riege der böhmischen Musiker gehört, die im südosteuropäischen Raum gewirkt haben. Eine verschollene Messe von ihm wurde erst vor Kurzem auf dem Dachboden der Pfarrkirche des Banater Ortes Gutenbrunn entdeckt und wird zum ersten Mal nach mehr als 150 Jahren zur 300-Jahr-Feier in Gutenbrunn aufgeführt werden.
Zum Schluss seines Vortrags stellte Franz Metz noch die Salvatorianer-Kirche in Temeswar vor, in der die Chorgemeinschaft St. Willibald bei ihrem Besuch im Oktober in Temeswar auch singen wird. Dann übergab er das Wort an Dr. Claudiu Călin, Archivar der Diözese Temeswar, der im Anschluss den Vortrag zu dem Widmungsträger der Festmesse, Bischof Dr. Augustin Pacha, einer der größten Banater Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, hielt.
Seelsorger und Oberhirte
Nach Informationen über die Geschichte der Diözese Temeswar, die aus dem Rumänien zugefallenen Teil des Bistums Tschanad entstand, ging der Referentauf die Biographie des Bischofs ein. Augustin Pacha wurde 1870 als vorletztes von 13 Kindern im banatschwäbischen Dorf Moritzfeld in einer „Kleinhäusler“-Familie geboren. Seine Mutter war Banater Schwäbin, die Familie seines Vaters stammte aus Böhmen. Er wurde 1893 im Dom in Temeswar zum Priester geweiht. Nach einer kurzen Zeit als Kaplan wurde er Protokollführer des Bischofs Alexander Dessewffy, danach Sekretär des Bischofs János Csernoch, 1927 wurde er zum Bischof geweiht. 1930 wurde der Rumänien zugefallene Teil der Diözese Tschanad zum Bistum Temeswar erhoben und Bischof Pacha im Temeswarer Dom zum Bischof des Bistums inthronisiert. Er war ein volksnaher Bischof, der gerne die Banater Dörfer besuchte, gerne seinen Heimatdialekt sprach, aber auch ungarisch und rumänisch, und der sich um alle Gläubigen des Bistums kümmerte. Erwähnenswert sei seine Zusammenarbeit mit den im Banat ansässigen Orden, besonders mit den Lioba-Schwestern, deren Priorin Sr. Hildegardis Wulff eine seiner engsten Mitarbeiterinnen war, aber auch mit den Notre-Dame-Schwestern, die in Temeswar die Mädchenschule betrieben, und mit den ungarischen Sozialschwestern sowie mit den Piaristen, Minoriten und Salvatorianern. Seine Präsentation enthielt auch ein Foto der letzten Bischofskonferenz 1948 mit den römisch- und griechisch-katholischen Bischöfen, die ab 1948 allesamt angeklagt und inhaftiert wurden. Der Referent ging auch auf das Verhältnis Pachas zur deutschen Volksgruppe des Banats ein und auf den Schauprozess 1950 vor dem Militärtribunal Bukarest, das den bereits 80-Jährigen zur Haft in das berüchtigte Gefängnis Sighet verurteilte. Kurz nach seiner Entlassung im Juni 1954 starb er im November des gleichen Jahres. Das Foto von dem Trauerzug anlässlich seiner Beerdigung zeigt, wie beliebt Bischof Pacha bei der Bevölkerung war.
Die nach den Vorträgen gestellten Fragen zeigten das Interesse der Anwesenden an der südosteuropäischen Musikgeschichte, aber auch an der Geschichte und der aktuellen Situation der Katholiken in Rumänien.