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Buwe, was ham’mer heit? (1)

Bei der Kirchweih, dem größten Volksfest der Banater Schwaben, war das gesamte Dorf auf den Beinen. Ölgemälde von Stefan Jäger

Kirchweihpaar aus Orzydorf in den dreißiger Jahren: Michael Gross und Barbara Kierer. Einsenderin des Fotos: Elisabeth Gaug

»Geputzter« Rosmareinstrauß als Symbol des Kirchweihfestes.

Vom Ursprung und Inhalt der Banater Kirchweih - Unser größtes Volksfest, die Kirchweih, wurde im ganzen Banat und gleichfalls im gesamten deutschen Kulturraum gefeiert, vom Elsaß und von Lothringen bis Ostpreußen und von der Schweiz bis Schleswig. Die drei Hauptvarianten des Namens (von Norden nach Süden): Kirmes (Kirchmesse), Kirchweih und Kirchtag werden dialektal Kerweih, Kirweih, Kirmess, Kermess, Kärm, Kirm, Kilbi, Kärbe oder Kirtag gesprochen, bezeichnen aber immer dasselbe. Auch wenn sich die einzelnen Brauchtumselemente des Festes im Laufe der Zeit geändert haben und es von Gebiet zu Gebiet und von Dorf zu Dorf Unterschiede im Ablauf des Festes gibt, hat es dennoch zwei Hauptelemente: ein kirchliches und ein weltliches.

Bestandteile des Kirchweihfestes

Das erste Hauptelement ist der kirchliche Teil. Das Fest der Kirchenweihe oder das Patrozinium (Patronatsfest), der Namenstag des Kirchenpatrons, an dessen Tag die Kirche feierlich vom Diözesanbischof geweiht wurde, wird fortan jährlich begangen und ist der Ausgangspunkt des Festes. (1) Das kirchliche Fest umfasst ein feierliches Hochamt, zu dem der Ortspfarrer Mitzelebranten aus den Nachbardörfern einlädt. An dem Gottesdienst nimmt die Kirchweihjugend mit der ganzen Gemeinde teil. Predigt und Gesang sind dabei heimat- und volksbezogen, am Schluss segnet der Priester die Kirchweihpaare, den Kirchweihstrauß und den Kirchweihwein. Kirchen wurden vom Frühjahr bis zum Herbst eingeweiht; somit gab es eine Vielzahl von Patrozinien und von Kirchweihfeiern. Da man auch zu den Verwandten in Nachbarorte fuhr und gewöhnlich drei Tage lang feierte, kam es zur Behinderung der Erntearbeiten. Kaiser Joseph II. wollte 1786 mit der Reduzierung der Feste im Jahreslauf das Kirchweihfest streichen bzw. alle Kirchweihfeste auf einen Sonntag nach dem Ernteabschluss verlegen. Wie manche seiner anderen Reformen hatte auch diese keinen Bestand. Somit blieb es auch im Banat beim Kirchweihfest, bloß dass man die kirchliche Feier am Patronatstag beließ, jedoch in den meisten Dörfern die weltliche Kirchweih auf den Herbst verlegte. Dagegen konnte die Obrigkeit in Bayern, wegen „überhandgenommenem Alkoholkonsum“ und der großen Anzahl von Kirchweihfesten, 1866 durchsetzten, alle Kirchweihfeste im Land auf einen Tag zu verlegen, den dritten Sonntag im Oktober.

Die weltliche Kirchweih ist das große Volksfest des Jahres, in dessen Mittelpunkt die Kirchweihjugend steht. Zwei junge Menschen finden sich als Paar zusammen, das Mädchen schmückt dem Burschen den Hut und dieser schenkt seinem Kirchweihmädchen ein Tuch oder ein Kleid. Arm in Arm treten sie nun in den Kreis der Kirchweihjugend und feiern nach altem Brauch das Fest. Häufig wurde aus dem Kirchweihpaar ein Ehepaar. Gefeiert wurde das Fest jedoch vom ganzen Dorf; man lud dazu Verwandte und Freunde aus den Nachbargemeinden ein. Auf die einleitenden rituellen Tänze der Kirchweihpaare um den geschmückten Baum und um die Musikanten folgte der allgemeine Tanz. Die drei Kirchweihtage mit Festessen und Verwandtenbesuchen wurden durch Großreinemachen und ein Vorfest eingeleitet und durch die Nachkerweih der Kirchweihgesellschaft abgeschlossen. Das Banater Kirchweihfest war das größte weltliche Volksfest des Jahres in allen Dorfgemeinden und auch in Kleinstädten. Die Bezeichnung Kirmess besagt, dass zum Kirchweihfest auch eine Mess, ein Markt, stattfand. Handwerker boten ihre Waren an, zum Marktbetrieb kam bald ein Rummelplatz mit Verkaufsbuden, Schießständen und Ringelspiel.

Motivsymbiose im Kirchweihbrauchtum

Als komplexes Fest hat die Kirchweih Brauchtum aus allen Jahreszeiten an sich gezogen. Außerdem hat sich das relativ einheitliche Banater Kirchweihbrauchtum erst mit der Zeit herausgebildet, da die Ahnen der Banater Schwaben und Berglanddeutschen aus ihren Ursprungsländern nicht nur voneinander abweichende Dialekte, sondern auch unterschiedliche Sitten und Bräuche mitgebracht hatten. In jedem Dorf hat sich wohl das kräftigste Element durchgesetzt. Dennoch ist bei genauerer Untersuchung des Banater Kirchweihbrauchtums eine große Vielfalt an kleinen Abweichungen und Bezeichnungen für die Akteure und ihre Handlungen festzustellen. Lediglich eine Dissertation oder wenigstens eine Diplomarbeit könnte, auf der Grundlage von Befragungen in allen Ortschaften und einer inhaltlich-sprachlichen Darstellung in einem besonderen Kirchweihatlas, dieser Vielfalt gerecht werden. Dafür ist es jetzt längst zu spät, so dass man sich mit der Darstellung wesentlicher Merkmale begnügen muss. Lokale Besonderheiten sind übrigens in den meisten Ortsmonografien zu finden. Der allgemeine Ablauf der Banater Kirchweih ähnelt in wesentlichen Punkten dem oberfränkischen Ablauf des Festes, wie ihn Eduard Rühl (2) und Franz Klein (3) beschreiben und wie er auch meinen Beobachtungen entspricht. Doch manche Kirchweihelemente entstammen auch anderen Gebieten und wandern im Jahreslauf. Wie im Mai werden auf der herbstlichen Kirchweih geschmückte (auch mit Girlanden umwundene) Bäume mit grünem Gipfel (in waldlosen Gegenden eine verzierte Stange) ähnlich wie in Niederösterreich aus dem Wald geholt und als Maibaum auf dem Tanzplatz aufgestellt. Aus Frühlingsbräuchen übernahm die Kirchweih Blumensträuße, Heischgänge wie in Rheinfranken (auch das Einladen der Dorfhonoratioren zum Fest), Lieder, Tänze und das symbolische Ausgraben und Begraben der Kirchweih (Flasche, Puppe), während der Ährenkranz, das Fass neben dem aufgestellten Kirchweihbaum, das Hahnenschlagen (im Banater Bergland und in Semlak) und Bockauskegeln (wie in Niederösterreich) von den Herbstfesten stammen. Dennoch ist die Kirchweih keinesfalls ein Erntefest.

Der pfälzische Kerweihstrauß, gewöhnlich Symbol des Festes in verschiedenen Ausformungen, wie der meterhohe, bändergeschmückte Rosmarinstrauß, der in den Banater Heidegemeinden gewöhnlich in einer Quitte steckt und neben Seidentuch und Hut versteigert wird, fehlt dennoch beim Aufmarsch der Glogowatzer Buschebuwe und Buschemaadle. Dagegen fehlt im Alemannendorf Saderlach der Baum. Die als Kirchweihende begrabene Flasche Wein stammt wohl von den pfälzischen Nachbardörfern, und der Chilbistruuß ist der geputzte Hut der Chilbijungen. (4)

Dem Ernst der badischen Kirch-weih entspricht der Friedhofbesuch am Festtag, um die Verstorbenen einzubeziehen. Hier fehlt das ausgelassene Treiben der pfälzischen Kerwe. Dazu eine entsprechende Episode aus der Kerweihbeschreibung von Ludwig Schwarz: »Ich sin dann – noch immer bloßkoppich – uf de Dollwig Michl zu, un han gsaat: „Michl, dei Großvater is gstorb.“ „Gott gib em die ewichi Ruh“, hat de Michl uf des gsaat, hat uf die Erd gschaut, hat awer dann sei Hut runerghol un noh ihm die Kerweibuwe eene noh em anre, wie se halt erfahr han, was passieert is. Dann is es Bärwl kumm, em Michl sei Kerweihpaar, hat scheen die Streiß, die Rosmarinzwacke un die Bandle vum Michl seim Hut runerghol, hat de Michl dann an der Hand angepackt un is, ohne aach nor een Wort zu saan, mitm naus uf die Gass. Dort sin die zwei dann bis an de Grawerand, de Michl hat sei Wein aus der Kerweiflasch in de Grawe geleert, dann han se sich scheen an der Hand ghol un sin langsam ufm Michl seim Großvater sei Haus zu. „Dei Schmerz is jetz aach mei Schmerz“, hat s‘ Bärwl gsaat, „un dei Trauer aach meini.“ Ja, so is des de Brauch geween bei uns in Kleenwalddorf in seler Zeit. De Lewendichi hat mer wohl net immer helfe un schun ganz seltn zu ihrem Recht kumme losse kenne, awer die Toteni, deni hat mer die Ehr angetun, wie’s sich gheert.« (5)

Brauchtumswandel

Solange Brauchtum lebt und noch nicht Geschichte geworden ist, finden Änderungen statt. So haben wir die Entwicklung vom Trachtenkleid zum Minirock und wieder zurück erlebt. Einige Elemente des Banater Kirchweihbrauchtums haben sich allgemein erhalten: geschmückte Hüte, Kirchweihbaum, gemeinsamer Kirchgang, Umzug mit Musik durchs Dorf, Kirchweihtanz, das Ausgraben und Vergraben der Kirchweih und anderes. Manches Brauchtum findet man nur noch selten. Im Thüringer Wald sieht man heute noch das im Banater Bergland geübte Hahnenschlagen (es wird kein wirklicher Hahn mehr erschlagen) oder die spaßige Verurteilung und Hinrichtung eines als Hahn oder Bär verkleideten Jungen oder die Bestrafung einer Strohpuppe. Das auch im Banat bekannte „Bockkegeln“ ist in Geldersheim bei Schweinfurt noch aktives Kirchweihbrauchtum. Der mit Bändern und Blumen geschmückte Schafbock geht dem Kirchweihzug voran, assistiert beim Kegelschieben und kommt dann als Braten auf den Kirchweihtisch. Ein kleiner Schwindel ist schon dabei, denn mit dem Kirchweihzug geht ein altes zahmes Schaf und in die Pfanne kommt ein junger Bock. In einem von Stefan Jäger gemalten Kirchweihzug sieht man, dass der geschmückte Kirchweihbock auch im Banat zum Kirchweihbrauchtum gehörte. Gefeiert wird auf dem Dorfplatz, dem Plan oder Markt, häufig um eine große Kastanie bei den Evangelischen und unter einer Linde bei den Katholiken. In Oberfranken findet man mancherorts noch eine Plattform im Geäst der Linde, auf der die Musiker sitzen.

Einen geschmückten Rosmareinstrauß, so wie es im Banat üblich war, habe ich in Deutschland noch nicht gesehen. Allerdings heißen die Kirchweihburschen im Rheinland „Straußbuwe“, was auf einen Strauß schließen lässt. Mancherorts wird mit einem Blumenstrauß getanzt, der von Paar zu Paar weitergereicht wird, bis ein Wecker klingelt. Mit dem Klingeln ist das Vortänzerpaar erkoren, das dann mit dem Kirchweihzug nach Hause begleitet wird und die ganze Gesellschaft bewirtet. Was wir „amerikanisch Verlezitieren“ nennen, stammt auch vom Rhein. Doch das Versteigern des Kirchweihstraußes und der abgeschnittenen Rosmareinzweige, im Banat Höhepunkt des Festes, fehlt in Deutschland.

Anmerkungen

(1) Vgl. dazu Hans Gehl: Donauschwäbische Lebensformen an der mittleren Donau, Marburg 2003, S. 167.

(2) Eduard Rühl: Sonderformen fränkischer Kirchweihen. Ein Beitrag zur Volkskunde Ostfrankens, Regensburg 1953, S. 115.

(3) Franz Klein: Billed. Chronik einer Heidegemeinde im Banat in Quellen und Dokumenten 1765–1980, Wien 1980, S. 245 ff.

(4) Hans Gehl: Lebensformen 2003, S. 164–169.

(5) Ludwig Schwarz: De Kaule-Baschtl. Bd. 1, Temeswar 1977, S. 243.