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Sigismund Ormós − Museumsgründer und Mäzen

Porträt von Sigismund Ormós, Ölgemälde von Georg Vastagh

Das 1887-1888 errichtete Gebäude (Mitte) beherbergte das Museum der Südungarischen Historischen und Archäologischen Museumsgesellschaft bis 1937.

Seit 1953 ist der Bau Sitz der Bibliothek der Rumänischen Akademie, Zweigstelle Temeswar. Illustrationen: Archiv der Diözese Temeswar

Das Banater Museum Temeswar feiert sein 150-jähriges Bestehen. Zum Jubiläum zeigt das Nationale Museum des Banats – so die offizielle Bezeichnung seit 2016 – an seinem provisorischen Standort in der Theresienbastei noch bis zum 31. August eine Ausstellung mit 150 Objekten von unschätzbarem Wert aus dem nationalen Kulturgut, von denen viele zum ersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Ausstellung veranschaulicht die Arbeit aller Abteilungen des Museums von der Gründung der Institution im Jahr 1872 bis zur Gegenwart und umfasst vier große chronologische Abschnitte: von der Gründung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs (1872-1918); die Zwischenkriegszeit und die Jahre des Zweiten Weltkriegs (1919-1946); die Zeit des kommunistischen Regimes (1947-1989) sowie die drei Jahrzehnte seit der Wende von 1989.

Unter den ausgestellten Objekten befindet sich auch das Protokoll der Gründungsversammlung der Südungarischen Historischen und Archäologischen Gesellschaft (Délmagyarországi Történelmi és Régészeti Társulat) aus dem Jahr 1872. Diese wissenschaftliche Gesellschaft wurde mit dem Ziel ins Leben gerufen, ein geschichtlich-archäologisches Museum in Temeswar zu errichten. Ihre Gründung erfolgte auf Initiative des damaligen Temescher Obergespans Sigismund (Zsigmond) Ormós, der damit als Gründervater des Banater Museums gilt.   

Sigismund Ormós wurde am 20.  Februar 1813 in Petschka (ung. Pécska, rum. Pecica) in einer Kleinadelsfamilie geboren, besuchte das Piaristengymnasium in Temeswar und Szegedin und studierte an der Rechtsakademie in Großwardein. 1833 trat er in die Dienste des Komitats Temesch und arbeitete als Vizenotar beim Komitat, als Stuhlrichter in Rekasch und Busiasch und schließlich als Oberstuhlrichter während der Revolution von 1848/49, als er auch zum Parlamentsabgeordneten gewählt wurde. Nach der Niederwerfung des ungarischen Freiheitskampfes wurde er verhaftet und zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, doch aufgrund einer Amnestie kam er bereits 1850 frei. Der Zugang zu öffentlichen Ämtern blieb ihm zunächst verwehrt.

Ormós, der sich schon früh auch schriftstellerisch betätigte, begann sich nun intensiv mit der Altertumsforschung im Banat und der europäischen Kunst zu beschäftigen. Um seine Kenntnisse zu erweitern, unternahm er ausgedehnte Studienreisen nach Italien, Deutschland, Österreich und Frankreich, auf denen ihm bewusst wurde, wie wichtig der Erhalt von Kulturgütern ist. Sigismund Ormós begann selbst Kunstobjekte, Münzen und archäologische Funde zu sammeln und baute im Laufe der Zeit ansehnliche Geschichts- und Kunstsammlungen auf. Gleichzeitig trat er auch publizistisch mit Veröffentlichungen aus dem Bereich der Kunst- und Kulturgeschichte hervor. 1861 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften gewählt.

Nach dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich 1867 übernahm Ormós das Amt des Vizegespans des Komitats Temesch, vier Jahre später wurde er als Obergespan erster Beamter des Komitats. Diese Funktion hatte er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1889 inne. 1884 ernannte ihn König Franz Joseph I. zum Mitglied des Magnatenhauses. 

Sigismund Ormós war einer der wichtigsten Förderer des modernen Fortschritts und des kulturellen Aufschwungs von Temeswar. Es gab kaum eine Kultureinrichtung, deren Gründung nicht eng mit seinem Namen verbunden war, so auch die Südungarische Historische und Archäologische Gesellschaft. Die Gründungsversammlung fand am 25. Juli 1872 statt. Nachdem das Innenministerium in Budapest die Vereinsgründung am 2. August 1872 genehmigt hatte, fand am 7. September 1872 die konstituierende Versammlung statt, zu der sich neun Gründungs- und rund 80 gewöhnliche Mitglieder in die Listen eingetragen hatten. Dem ersten gewählten Vorstand gehörten an: Sigismund Ormós als Präsident, Johann Nepomuk Preyer, ehemaliger Bürgermeister und erster Monograph von Temeswar, als Vizepräsident, Eugen Szentkláray, Gymnasiallehrer und Herausgeber der Monatsschrift „Történelmi Adattár“ (Historische Datensammlung zur Vergangenheit und Gegenwart der Diözese Csanád), als Sekretär, Samuel Odor, Oberbuchhalter des Komitats, als Schatzmeister und der Jurist Emmerich Vargics als Rechtsberater. 

Eines der wichtigsten Ziele der Gesellschaft war die Schaffung eines eigenen Museums. Anfang 1873 setzte sie ein sechsköpfiges Museumskomitee ein, dessen Aufgabe es war, einen Standort für die Sammlungen der Gesellschaft zu bestimmen, die zum Großteil aus Schenkungen des Vereinsvorsitzenden Sigismund Ormós stammten, aber auch aus abgegebenen und erworbenen Gegenständen bestanden. Da die Gesellschaft noch kein eigenes Lokal hatte, wurden die Objekte 1874 in einem von Bischof Alexander Bonnaz zur Verfügung gestellten Raum im Bischofspalais untergebracht. Ab 1875 gab die Gesellschaft die Vierteljahresschrift „Történelmi és Régészeti Értesítő“ (Historische und Archäologische Mitteilungen) heraus, die bis 1917 erschienen ist. Die 43 Jahrgänge der Zeitschrift (die digitalisierte Sammlung ist im Zeitschriften-Repositorium der Ungarischen Akademie der Wissenschaften unter real-j.mtak.hu einsehbar) sind eine reiche Fundgrube von wertvollen Daten zur Geschichte des Banats. 

Im Jahr 1876 überließ das Komitat der Historischen und Archäologischen Gesellschaft zwei Räumlichkeiten im Wellauer’schen Haus in der Lonovics-Gasse (heute Bischof-Augustin-Pacha-Straße) zu Museumszwecken, vier Jahre später das ganze Haus. 1877 wurde das Museum für den Publikumsbesuch geöffnet. Das rege Interesse der Öffentlichkeit und die ständig wachsenden Bestände machten einen Neubau notwendig. Deshalb gründete Ormós 1879 einen Museumsverein (Délmagyarországi Múzeum Társulat), der die nötigen Mittel dazu beschaffen sollte. Dieser Verein wurde 1884 mit der Historischen und Archäologischen Gesellschaft zur Südungarischen Historischen und Archäologischen Museumsgesellschaft (Délmagyarországi Történelmi és Régészeti Múzeum Társulat) zusammengelegt. Zum Präsidenten der neuen Vereinigung wurde Sigismund Ormós gewählt, zum Vizepräsidenten der Rechtsanwalt Athanasius Rácz, zum Generalsekretär der Gymnasiallehrer Stefan Pontelly, zum Schatzmeister der Komitatsarchivar Johann Glasz und zum Rechtsberater der Anwalt Julius Niámessny.

1886 gelang es Ormós, einen Komitatsbeschluss zur Errichtung eines Museumsgebäudes zu erwirken. Der Neubau wurde 1887-1888 an Stelle des alten Gebäudes nach Plänen des Architekten Jacob Klein für 30972 Gulden ausgeführt. Im November 1889 wurde das Museum wiedereröffnet, die offizielle Eröffnungsfeier fand allerdings erst am 29. August 1891 anlässlich der Südungarischen Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung in Temeswar statt. Das Untergeschoss und das Erdgeschoss beherbergten die archäologischen Exponate und das Lapidarium, das erste Obergeschoss wurde als Galerie genutzt, im Obergeschoss waren die Sammlungen der Südungarischen Naturhistorischen Gesellschaft (Délmagyarországi Természettudományi Társulat, gegründet 1874; gab von 1877 bis 1918 die Zeitschrift „Természettudományi Füzetek“ heraus) untergebracht und in kleineren Räumen befanden sich die Bibliothek und das Archiv des Museums.

Auf der Generalversammlung der Historischen und Archäologischen Museumsgesellschaft vom 29. August 1891 wurde Sigismund Ormós zu deren Vorsitzenden auf Lebenszeit gewählt. Laut Beschluss der Generalversammlung ließ die Museumsgesellschaft im Eingangsbereich des Museums im Mai 1893 eine Marmortafel anbringen, auf der sie in goldenen Lettern ihre „anhaltende Zuneigung und Dankbarkeit“ gegenüber Ormós, „dem Gründer und lebenslangen Freund sowie größten Mäzen und Wohltäter“, zum Ausdruck brachte. Rund die Hälfte des gesamten Museumsbestandes stammte von ihm. Nach seinem Tod – Ormós verstarb am 17. November 1894 in Budapest und wurde in Temeswar beigesetzt – kamen durch testamentarische Zuwendungen und Ankäufe aus seinem Nachlass weitere Hunderte von Gemälden, Büchern und Münzen in die Sammlungen des Museums.

„Ormós hatte das Temeswarer Museum nicht nur begründet, er hat es auch durch seinen Einsatz fürstlich ausgestattet und zu einer geachteten Institution der Stadt und des Komitats gemacht, die hierzulande bis dahin nicht ihresgleichen hatte, die aber auch andere zu ähnlichen Gründungen ermuntert hat: Arad, Szegedin, Weißkirchen, Werschetz und Bad Herkules“, schreibt Martin Roos in seinem die Zeit von 1851 bis 1889 umspannenden Band I,3a der Reihe „Die alte Diözese Csanád. Zwischen Grundlegung und Aufteilung 1030 bis 1923“.

Die Sammlungen des Museums wuchsen in der Folgezeit weiter und umfassten Ende 1916 insgesamt 63583 Objekte, die sich wie folgt verteilten: Die Buch- und Archivabteilung umfasste 11391 Bücher und Dokumente, die Altertumsabteilung 17000 archäologische Artefakte und 30266 Münzen und Medaillen, die ethnographische Abteilung 1371 Objekte und die Gemäldegalerie 3001 Gemälde, Miniaturen, Skulpturen und Drucke.

Nachdem der östliche Teil des Banats mit Temeswar 1919 unter rumänische Verwaltung kam, begann für das Banater Museum eine neue Phase. Es wurde reorganisiert und umstrukturiert, vergrößerte seine Sammlungen und bereichert vor allem die Natur- und Kunstsammlungen um einige sehr seltene Stücke, setzte neue wissenschaftliche Schwerpunkte, führte archäologische Ausgrabungen durch und nahm an Ausstellungen im In- und Ausland teil. 

Die ganze Zwischenkriegszeit hindurch war das Museum mit akutem Platzmangel konfrontiert. 1937 beschloss die Stadt Temeswar, in deren Besitz sich das Museum seit 1922 befand, das Museum in den Kulturpalast zu verlegen (das heutige Gebäude der Rumänischen Nationaloper und des Nationaltheaters „Mihai Eminescu“). In das Museumspalais zog 1941 die Stadtbibliothek ein. Seit 1953 ist das vor einigen Jahren renovierte imposante Gebäude in der Bischof-Augustin-Pacha-Straße Nr. 7 Sitz der Bibliothek der Rumänischen Akademie, Zweigstelle Temeswar.

Im Jahr 1947 zog das Museum abermals um, und zwar in das von der Stadt Temeswar erworbene Hunyadi-Schloss. Bis Ende 2005 umfasste das Banater Museum folgende Abteilungen: Geschichte, Naturwissenschaften, Kunst, Ethnographie sowie ein Restaurierungs- und Konservierungslabor. Im Januar 2006 wurde die Kunstabteilung eine eigenständige Institution mit dem Namen „Nationales Kunstmuseum Temeswar“, die sich seitdem im Barockpalast am Domplatz befindet. Im Juli desselben Jahres wurde die Abteilung für Ethnografie dem Banater Dorfmuseum im Jagdwald angegliedert. Das Hunyadi-Schloss ist seit 2010 wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen. Seitdem finden die Ausstellungen des Museums im Dachgeschoss der Theresienbastei statt.