zur Druckansicht

Liebeserklärung an die alte Heimat

Vor uns sitzt ein ganz in Weiß gekleideter Mann. In der Rechten hält er eine Brille, seine Linke liegt auf der Brust. Der betagte Mann spricht. Sein Gesichtsausdruck, die Art, wie er die Brille hält, und die auf der Brust ruhende Rechte sagen es aus: Wir haben es mit einem Schauspieler zu tun. Gesicht und das Weiß der Kleidung heben sich vom schwarzen Hintergrund ab, ebenso die Schrift über dem Porträt des Mannes. Vor uns haben wir die Titelseite eines neuen Buches mit der Überschrift: „Ich bin die Rolle. Erinnerungen eines Schauspielers“. Dieser Titel ist soeben als Band 12 der Reihe „Banater Bibliothek“ erschienen.

Das Buch enthält Erinnerungen des aus Temeswar stammenden Schauspielers Julius Vollmer. Es ist „ein Name, der bei so manchem älteren Banater angenehme Erinnerungen wecken dürfte, Erinnerungen an Theater, deutsche Kultur, Kunst und an das, was einmal Heimat war“, ist in der Einleitung des Bandes zu lesen. Vollmer ist heute 86. Seit drei Jahrzehnten lebt er im Breisgau. Im Freiburger Stadttheater fühlt er sich auch im hohen Alter noch immer wie zu Hause. Seit 25 Jahren spielt er auf der Bühne des Theaters im Breisgau. Der Vollblutschauspieler, der am 15. Februar 1927 in der Temeswarer Elisabethstadt geboren wurde, erkennt seine Schauspieler-Kollegen heute lediglich an der Stimme, denn seit einer fehlgeschlagenen Operation im Mai 2011 ist er blind.

Vollmer gehört zu den Gründungsmitgliedern des Temeswarer Deutschen Staatstheaters, das in diesem Herbst 60. Geburtstag feiern wird. Seit nunmehr sechzig Jahren ist das Theater Vollmers Welt. Theater ist sein Leben. Sein Leben ist Theater. Die Bühne ist seine Welt geworden.

„Ich bin die Rolle“ ist keine Theatergeschichte. Es präsentiert vielmehr Erinnerungen des Schauspielers Julius Vollmer, der mit vollem bürgerlichem Namen Julius-Andreas Szabó von Szathmáry heißt. Es sind Erinnerungen eines begnadeten Schauspielers. Als einer der Schauspieler der ersten Stunde erinnert sich Vollmer an die Neuanfänge des deutschen Theaters in Temeswar nach dem Zweiten Weltkrieg. Er erzählt vom Aufstieg des Theaters zur Professionalität, aber auch von Kollegen, die das Theater ausgemacht haben. Es sind aber auch Erinnerungen an das Temeswar seiner Kindheit und Jugend, ebenso an jenes des erwachsenen Mannes. In sechzig Jahren hat Vollmer mehr als 200 Rollen interpretiert: auf den Bühnen in Temeswar, in Basel und seit 1987 in Freiburg, wo er heute noch immer Theater spielt. Vollmer hat in seinem langen Leben zwei Diktaturen erlebt, bevor er 1983 in die Freiheit entlassen worden ist. Er hat Verfolgung und Demütigungen erlebt, ist aber stets aufrecht geblieben. Vollmers Erinnerungen sind eine Liebeserklärung an Temeswar, an die alte, verlorene Heimat, an der er noch immer hängt.    

 

Julius Vollmer: Ich bin die Rolle. Erinnerungen eines Schauspielers. Herausgeber: Landsmannschaft der Banater Schwaben. München 2013. 106 Seiten. ISBN 3-922979-68-8. Das Buch kann zum Preis von 10 Euro zuzüglich 2 Euro Versand unter Telefon 089 / 2355730 oder über E-Mail landsmannschaft@banater-schwaben.de bestellt werden.