Emanuel Knöbl erinnert sich an seine Kindheit und Jugend in Temeswar
Als „Temeswarer Tschibeser“ stellt sich Emanuel Knöbl gleich im ersten Kapitel seines Erinnerungsbüchleins vor. Die Erlebnisse vom „kleinen Emil“ erinnern an die berühmten Geschichten vom „kleinen Nick“, mit denen René Goscinny sich in die Kinderliteratur hineingeschrieben hat, die der Autor nach eigenem Bekunden aber gar nicht kennt. Dennoch ist es die gleiche Herangehensweise: Rückblick, aber unter Beibehaltung der kindlichen Perspektive.
Emanuel Knöbl wurde 1960 geboren und ist in der Fabrikstadt aufgewachsen, in der „Tigergasse“. Weil sein Name so lang war, wurde er „Emil“ gerufen, so hieß auch sein Vater. Deshalb nannte man ihn eben den „kleinen Emil“. Der Name Knöbl ruft bei jedem Temeswarer in der Regel die Assoziation zum Goldschmiede-Handwerk hervor. Und wie der Vater wurde auch der Sohn später Goldschmied. Doch darum geht es in den Geschichten weniger, sondern tatsächlich um einzelne Episoden aus der Kindheit. Einer glücklichen Kindheit (und Jugend), umgeben von lieben Menschen. Aber ganz unbeschwert ist sie doch nicht, weil der kleine Emil dazu neigt, sich immer wieder in Fettnäpfchen zu setzen oder durch unglückliche Verkettungen in Turbulenzen zu geraten, die er nun im Rückblick bereut und für die er sich fallweise mit diesen Geschichten bei den Betroffenen freundlich entschuldigt.
Der kleine Emil spielt gern Fußball, geht mit dem Vater auch mal mit auf die Jagd oder zum Fischen, aber auch Motorräder und Autos faszinieren ihn. Der „Mercy“ der Familie Knöbl wird vom kleinen Emil durchaus als Familienmitglied vorgestellt.
Jede Erzählung enthält liebevolle Porträts von Mitmenschen, mit denen er aufgewachsen ist: die Eltern, die Schwester Ingrid, die Oma, die Nachbarsbuben, Verwandte wie die Lissi-Tante und der Adam-Onkel in Billed, wo es immer gutes Essen und die Freiheit des Dorflebens gab, die Cousins und Kusinen, die aus Deutschland zu Besuch waren, Lehrerinnen, die ihn prägten, gute Freunde wie Adrian, Roland oder Holger und Freundinnen wie Lotte oder Evelin, an die er sich direkt wendet. Und natürlich spielt die große Liebe Lori eine zentrale Rolle, deretwegen er sich das Tanzen beibringen ließ und zu der er aus dem Krankenhaus im Pyjama durch die Stadt fuhr, weil er es keinen Tag ausgehalten hätte, ohne sie zu sehen. Eine Liebe mit Happy End bis heute, wie wir erfahren.
Emanuel Knöbl hat keine literarischen Ambitionen, deshalb sind die Texte auch nicht redigiert. Auch die beigefügten Bilder sind ungeschönte Schnappschüsse aus dem Familienalbum. Ihm geht es nach eigenem Bekunden darum, die Geschichten aus seinem Leben für die Nachwelt, seinen Sohn, die Familie, festzuhalten. Ein Beweggrund dafür war auch die Ahnenforschung, mit der er sich gern beschäftigt. Ein Beitrag des Buches weicht vom Schema der Kindheitserinnerungen ab, er betrifft die Suche nach dem Grab seines im Ersten Weltkrieg in Sizilien verstorbenen Urgroßvaters. Beim Eintauchen in die Welt der Vorfahren, bekennt Emanuel Knöbl, werde einem bewusst, wie wenig man über sie weiß, weil sie keine Botschaft an die Enkel hinterlassen haben und niemand mehr Persönliches über sie erzählen kann. Dem wolle er mit den Geschichten vorbeugen, die keine Lebensdaten, sondern Gefühle und Befindlichkeiten seines Lebenslaufs festhalten. Weitere seien schon in Vorbereitung.
Auch ohne familiäre Bande sind die Geschichten vom kleinen Emil für Temeswarer Kinder derselben Zeit auf jeden Fall ein Hochgenuss. Aber sicher auch für alle anderen, die sich gern an eine sorglose Kindheit – im Banat oder woanders – erinnern, auch wenn im Alltag (nicht nur beim kleinen Emil) immer wieder Turbulenzen und vermeintlich ausweglose Situationen auftauchten. Im Rückblick bleiben diese nur als (mehr oder weniger) lustige Geschichten – wie die vom kleinen Emil.
Emanuel Knöbl: Der kleine Emil. Wahre Erlebnisse, ein kleiner Streifzug durch mein Leben. Neckenmarkt: united p.c., 2021. 185 Seiten. ISBN 978-3-7103-5275-1. Preis: 24,20 Euro. Zu beziehen über den Versand- und Buchhandel.