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Musik in Lied und Leben - Vor 150 Jahren wurde der Temeswarer Philharmonische Verein gegründet (Folge 4)

Die Fahne des Temeswarer Philharmonischen Vereins, gefertigt 1891 in Budapest

Das Programm des Festkonzertes anlässlich des Landessängerfestes 1891 in Temeswar

Der Männerchor des Temeswarer Philharmonischen Vereins mit der Vereinsfahne im Jahre 1891 © für sämtliche Illustrationen: Südosteuropäisches Musikarchiv, München

Die Vereinsfahne
Das Jahr 1891 gehörte zu den ereignisreichsten in der Geschichte des Temeswarer Philharmonischen Vereins: man führte das Oratorium Paulus von Felix Mendelssohn-Bartholdy auf, bedeutende Musiker jener Zeit, wie Eduard Reményi (Violine) und Graf Géza Zichy (Klavier), sowie das Udel-Quartett vom Wiener Männergesangverein traten auf und Mitte August fand das Landessängerfest statt, verbunden mit der Fahnenweihe. Außerdem fanden natürlich noch die seit 20 Jahren zur Tradition gewordenen Veranstaltungen statt: Faschingsliedertafel, Frühlingsliedertafel, Gründungsfest, Sommerliedertafel im Stadtpark, Benefizkonzerte und Silvesterliedertafel. Das bedeutendste Ereignis aber war die Fahnenweihe des Temeswarer Philharmonischen Vereins, zwanzig Jahre nach seiner Gründung.

Die Vereinsinsignien gehörten zu den äußeren sichtbaren Kennzeichen eines jeden Gesangvereins. Da regelmäßig Sängerfeste stattfanden, wo sich gleichzeitig mehrere Gesangvereine trafen, brauchte man entsprechende Kennzeichen.
Die Fahne war das wichtigste Symbol eines jeden Chors. Für die Anschaffung einer Vereinsfahne wurden Benefizkonzerte veranstaltet und man bestellte diese bei größeren Firmen in Budapest oder Wien. Der Temeswarer Philharmonische Verein bestellte seine Fahne bei der Firma Oberbauer in Budapest. Sie wurde wie folgt beschrieben: „Ein Banner 120 cm breit, 120 cm lang aus beiliegendem ganz schwerem Seidensamt. Einerseits des Banners die heil. Cäcilia vor einer Orgel sitzend, in Seide der Lorbeerkranz, Lyra sowohl die Aufschrift und zwar: ‚Temesvári Zenekedvelö Egyesület 1871-1891‘ mit ganz echtem Golde per Hand gestickt. Die Eckstücke beiderseits des Banners mit echtem Golde künstlich gestickt. Anderseits des Banners ein Eichenblätterkranz mit der Lyra und mit echtem Golde künstlich gestickt. Der Banner auf zwei Seiten mit 7 cm langen echt Gold bemalten Fransen besetzt, dazu 2 Stück Quasten. Die Spitze, die Lyra darstellend, aus Bronze gegossen und feuervergoldet. Zur Aufbewahrung des Banners ein tapeziertes Etui. Die Stange mit rotem Seidensamt überzogen und teilweise lackiert. Der Überzug aus Wachsleinwand, der Tragriemen aus Lackleder mit vergoldeter Schnalle. Kosten: zusammen 650 fl.“

Die Fahnenstange

Die Fahnenstange ist etwa drei Meter lang, an ihrer Spitze befindet sich eine künstlerisch gefertigte Lyra, umgeben von einem silbernen Lorbeerkranz. Die Fahne ist mit über 200 Fahnennägeln bestückt, darauf sind die Namen der wichtigsten Ehrenmitglieder und der damaligen Persönlichkeiten des Landes und der Stadt eingraviert: Bischof Alexander von Dessewffy, Präfekt, Bürgermeister der Stadt Temeswar, Namen von Persönlichkeiten aus Wien, Budapest, Graz, Nürnberg wie auch von allen Mitgliedern des Vereins. 

Die Weihe der Fahne vollzog Bischof Alexander von Dessewffy im Temeswarer Dom, während auf der Empore eine Messe von Domkapellmeister Wilhelm Franz Speer gesungen wurde. Auf dem Domplatz wurde eigens eine große Tribüne aufgestellt und die Zeremonie des Einschlagens der Fahnennägel fand gleich nach dem Festgottesdienst statt. Zu den Klängen festlicher Musik, dargeboten von der Regimentskapelle, schlug jedes Vereinsmitglied, eingeleitet von einem eigenen Spruch, den Fahnennagel ein. 

Die Fahnenstange wurde zusätzlich mit Fahnenbändern geschmückt. Diese stammen von Sängerwettbewerben oder Chorjubiläen. Zur Fahne des Temeswarer Philharmonischen Vereins gehörten über 20 verschiedene Fahnenbänder. Das üppigste Fahnenband stammt von der Fahnenmutter Gräfin Georgine von Bissingen-Mocsonyi: Auf der einen Seite ist das gräfliche Wappen, auf der anderen Seite das Wappen der königlichen Freistadt Temeswar abgebildet.

Das Landessängerfest 1891

Anlässlich der Fahnenweihe wurde zwischen dem 15. und 17. August 1891 in Temeswar ein Sängerfest organisiert. Über 2000 Sänger aus ganz Ungarn waren anwesend, sie kamen aus Budapest, Debrezin, Eger, Karansebesch, Lippa, Lugosch, Hermannstadt, Großsanktnikolaus, Deutschstamora, Pantschowa, Reschitza, Szegedin, Werschetz, Weißkirchen, Steierdorf und anderen Ortschaften. Es erklangen ungarische, deutsche, rumänische und serbische Chorwerke. Selbst einige Mitglieder der Landesregierung aus Budapest waren anwesend. Am Sonntag, dem 16. August, fuhren die Sänger mit der Eisenbahn nach Orschowa und Basiasch an die Donau. Montagabend fand dann eine „glänzende Illumination der Stadt“ anlässlich des Geburtstags des Königs statt, danach folgte ein Konzert in der Ausstellungshalle.

Zu diesem Anlass erhielt der Philharmonische Verein zahlreiche Briefe, Glückwünsche und Telegramme. Aus Graz telegraphierte man: „Vom Thalgrund bis zur Gletscherwand ertöne mein heutiger Festgruß aus dem Kärtnerland.“ Und der Wiener Männergesangverein schrieb: „Für die sangesbrüderliche Aufmerksamkeit und Begrüßung dankt aus treuen Freundesherzen und erwidert dieselben herzlichst mit dem Wunsche, euer ruhmbedeckter Verein möge gleich erfolgreich weiterblühen! Prosit der Festversammlung!“

Das Vereinsabzeichen
Im Jahre 1891 ließ der Vorstand die ersten Abzeichen des Chors anfertigen. Dieses Abzeichen besteht aus einer Lyra und dem Wappen der königlichen Freistadt Temeswar. Bei Sängerfesten war es Gepflogenheit, dass man diese Abzeichen untereinander tauschte. Anlässlich der größeren Sängerfeste hat man spezielle Medaillen prägen lassen, die man auf der Brust neben dem Sängerabzeichen trug.

Die wenigsten Gesangvereine hatten eine eigene Uniform, die meisten aber eine einheitliche Schirmkappe, die auf der Vorderseite mit einer Lyra geschmückt war. Die Farbe dieser Kappe war von Verein zu Verein verschieden.

Der Dirigentenstab Novaceks und das Trinkhorn

Der Chorleiter dirigierte den Chor mit einem Taktstock, der manchmal aus Silber kunstvoll gefertigt war. Martin Novacek, der langjährige Dirigent des Temeswarer Philharmonischen Vereins, bekam einen solchen in seiner Weißkirchner Zeit und benützte diesen regelmäßig bei den festlichen Auftritten in Temeswar.

Das Trinkhorn des Philharmonischen Vereins stammt aus Nürnberg und wurde bei Kommersen und zu besonderen Anlässen benützt. Dieses wurde mit Wein gefüllt und machte die Runde von einem Sänger zum anderen. Albert Bing aus Nürnberg schenkte dem Temeswarer Philharmonischen Verein 1876 ein solches kunstvolles, mit einer Kordel und einem Silberbeschlag verziertes Trinkhorn.

Das Vereinsmotto und das Stiftungslied

Fast alle Konzertprogramme und Jahresberichte enthalten auch das Motto des Philharmonischen Vereins. Jeder Gesangverein hatte seinen eigenen Wahlspruch, der bei vielen Kommersen oder Sängerfesten gesungen wurde. Der Wahlspruch des Temeswarer Philharmonischen Vereins wurde vom ehemaligen Temeswarer Liederkranz und dem Männergesangverein übernommen und später von Friedrich Heim vertont: 

Harmonie in Lied und Leben, 
Harmonie in Leid und Lust. 
Diesem Wahlspruch treu ergeben, 
Singen wir aus froher Brust.

Dieses Motto stammt von Johann Gottfried Seume (1763-1810) und wurde von mehreren Vereinen übernommen. Bekannter als diese vier ersten Verse wurden aber die letzten beiden, die nicht mehr zu diesem Vereinsmotto gehören: 

Wo man singt, dort lasst Euch fröhlich nieder,
Böse Menschen haben keine Lieder.

Der Temeswarer Philharmonischer Verein hatte auch ein Vereinslied (Stiftungslied), Die Thräne von Franz Xaver Witt (1834-1888). Die meisten Gründungsliedertafeln wurden mit diesem Männerchor eröffnet. Der Vereinsgeschichte nach soll dieses Lied die Sänger zur Gründung des Philharmonischen Vereins ermutigt haben. In der Chronik wird berichtet, dass man am Abend des 21. Oktober 1871 in der Wohnung von August Pummer nach mehrmaligem Absingen dieses Chorwerkes beschlossen hat, den Temeswarer Philharmonischen Verein zu gründen. Man sang dieses Werk aus den Stimmheften der Sammlung „Regensburger Liedertafel“. Der Komponist und Priester Franz Xaver Witt war der Begründer des „Cäcilianismus“, einer damaligen Bewegung im Bereich der katholischen Kirchenmusik.