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Einzigartige Kunst mit hohem Wiedererkennungswert

Zur Ausstellung von Bruno Bradt in Temeswar erschien ein zweisprachiger Katalog.

Blick in die Ausstellung: Paule (Fragment), 240x450 cm Einsender der Fotos: Bruno Bradt

Der Künstler Bruno Bradt (links) im Gespräch mit einem Ausstellungsbesucher

Im Frühjahr 2016 präsentierte der aus dem Banat stammende Künstler Bruno Bradt im Stadttheater seiner Wahlheimat Fürth die Ausstellung „Von Mensch zu Mensch“. Zu diesem Anlass wurde unseren Lesern zum ersten Mal das künstlerische Schaffen des begnadeten Zeichners vorgestellt. In den fünfeinhalb Jahren, die seitdem verstrichen sind, konnte sich seine Kreativität weiter entfalten; sie fand ihren Ausdruck in einer ganzen Reihe neuer Arbeiten. Zudem ist Bruno Bradt mit seiner Kunst immer stärker an die Öffentlichkeit getreten, was zur Folge hatte, dass sein einzigartiges Werk mittlerweile auch überregional sowie in seinem Herkunftsland Rumänien wahrgenommen und gewürdigt wird.  

Auf die Ausstellung im Fürther Stadttheater folgten weitere, viel beachtete Einzelausstellungen in sakralen Räumen (St.-Egidien-Kirche in Nürnberg, St.-Markus-Kirche in Erlangen und Augustinerkirche in Würzburg) und in mehreren Galerien (Galerie Atzenhofer in Nürnberg, Galerie im Theresienstein in Hof, Galerie im Saal in Knetzgau/Eschenau, Galerie in der Promenade in Fürth). Darüber hinaus nahm und nimmt Bruno Bradt an Gemeinschaftsausstellungen des Kunstvereins Erlangen und der Münchener Künstlergenossenschaft teil. Im Dezember vergangenen Jahres eröffnete der Künstler erstmals eine Ausstellung in Rumänien: Unter dem Titel „Homo sum“ zeigte er seine Arbeiten im Kunstmuseum Klausenburg – in der Stadt, in der er Anfang der 1980er Jahre Industriedesign studiert hatte. Die Ausstellung war mit Unterstützung der Kulturzeitschrift „Tribuna“ zustande gekommen, die auch ein Bruno Bradt gewidmetes Kunstalbum herausgebracht hat. In diesem Sommer war die Doppelausstellung „Monumental – Drawing inside and out“ im Brukenthalmuseum in Hermannstadt – im Landkartenkabinett im Brukenthalpalais und in der Galerie für zeitgenössische Kunst – zu sehen. Schließlich ging im September Bradts großer Wunsch in Erfüllung, in seiner Heimatstadt Temeswar auszustellen und damit eine Brücke zwischen Kindheit, den Jahren künstlerischer Ausbildung und der gegenwärtigen schöpferischen Reife zu schlagen. Seine Ausstellung „Memoria trecerii – Die Wahrnehmung der Vergänglichkeit“, zu der auch ein 92-seitiger zweisprachiger Katalog erschienen ist, war vom 24. September bis zum 24. Oktober in der Galerie in der Mansarde der Temeswarer Kunstfakultät zu sehen. Ausstellung und Katalog wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales über das Kulturwerk Banater Schwaben e.V., von der Landsmannschaft der Banater Schwaben und vom Hilfswerk der Banater Schwaben gefördert.

Für Bruno Maria Bradt war diese Ausstellung eine Rückkehr „zum Ausgangspunkt, aber auf einer deutlich höheren Stufe, als reifer und etablierter Künstler“, wie die Kuratorin Dr. Cristina Simion, Galeristin in Nürnberg, sagte. Eine Rückkehr nach Temeswar, wo er 1962 geboren wurde und ab 1973 das Kunstlyzeum besuchte. Dieser Schule verdankt er viel. „Wenn ich das Temeswarer Kunstlyzeum nicht besucht hätte, dann könnte ich das, was ich jetzt mache, nicht so umsetzen“, ist sich Bradt sicher. Nach dem Abitur 1981 schaffte er es, sich gegen weitere 60 Konkurrenten für einen Studienplatz an der Klausenburger Kunstakademie „Ion Andreescu“ zu behaupten. Nach drei Semestern Industrie-Design wanderte der damals 22-Jährige mit Frau und Kind 1984 nach Deutschland aus, wo er an der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste erneut eine Aufnahmeprüfung bestand und sich zum Werbegrafiker ausbilden ließ. Diesen Beruf übt er auch heute noch aus. Zunächst arbeitete er als Grafikdesigner bei mehreren Unternehmen und anschließend als Artdirector bei Agenturen in Nürnberg und Coburg, um sich dann selbständig zu machen. Seit vielen Jahren ist Bradt – Vater von drei Kindern, mehrfacher Großvater und in zweiter Ehe mit der Künstlerin Susanne Leutsch verheiratet – als freiberuflicher Grafikdesigner in Fürth tätig.

Erst vor etwa zehn Jahren nahm Bruno Bradt seine künstlerische Tätigkeit wieder auf. Dank des gesicherten Lebensunterhalts ist er in der Kunst frei und kann sich auf das fokussieren, was ihm wichtig ist, was ihn bewegt und was er dem Betrachter seiner Werke mitteilen möchte. 

Zeichnen ist und bleibt seine große Leidenschaft und die Technik, die er am besten beherrscht. Bradt entwickelte seinen eigenen Stil, seine Arbeiten haben hohen Wiedererkennungswert. Seine bevorzugt großen Formate mit komplexen Kompositionen sind es, die ihn bekannt gemacht haben und sich der Anerkennung des Publikums und der Kunstszene erfreuen. Es handle sich um einen „ungewöhnlichen, einmaligen künstlerischen Stil“, befindet die Kuratorin Cristina Simion. Die großen, teils monumentalen Zeichnungen in Renaissancemanier verewigen die Menschlichkeit zeitgenössischer Charaktere, „was Bradts Werk gleichzeitig klassisch wie modern erscheinen lässt – ein Paradoxon, das seine Arbeiten einmalig macht“.
Bruno Bradts Arbeiten seien „stark im Ausdruck und individuell in der Schraffur“, schlussfolgert Susanne Leutsch, die im Katalog der Ausstellung auch seine künstlerische Technik beschreibt: „Die Verwendung von Linien und Strichen ist die grundlegende Darstellungsform seiner Kunst. Grafitbleistifte sind seine vorrangigen Arbeitsmittel. Seine Werke sind allesamt Bleistiftzeichnungen auf grauem Buchbinderkarton. Lediglich die Farbakzente werden mit Acrylfarbe oder Gouache ausgeführt und mit Pastellkreide akzentuiert. Bradt arbeitet mit sehr weichen Stiften, die hell und dunkel ganz klar voneinander trennen und die deutliche Spuren hinterlassen. Strukturen entstehen durch einzelne sich überlagernde Linien.“ Der Künstler liebt die zeichnerischen Herausforderungen des Großformats, oft besteht ein Werk am Ende aus mehreren Tafeln.

Im Fokus seiner kreativen Tätigkeit steht der Mensch. Es sind reale Menschen, die Bruno Bradt realistisch und ausdrucksstark porträtiert, Menschen aus seiner Umgebung, Menschen, denen er im Alltag begegnet, oder Menschen, die aus irgendeinem Grund seinen Weg kreuzen. Seine bis in kleinste Details ausgearbeiteten Porträts – wobei er besondere Aufmerksamkeit auf die Gesichter, Hände und Gesten der gezeichneten Gestalten verwendet – sind sprechende Bilder, die Geschichten erzählen. Es sind oft Geschichten von Menschen, mit denen es das Leben nicht immer gut meinte, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, die krank, alt, unangepasst, arm, isoliert und desorientiert sind. Dafür steht beispielsweise sein monumentaler Bilderzyklus „Zwölf“. Bruno Bradt nähert sich diesen „Gezeichneten“ nicht aus der kritischen Distanz eines Beobachters, sondern offen und ohne Vorbehalte, voller Anteilnahme. Er begegnet ihnen auf Augenhöhe, mit Achtung und Respekt. Die Gesichter stellen sich wie ein offenes Buch ihres Lebens dar, sie widerspiegeln eindrucksvoll Schmerz, Leid und Trauer, aber auch Freude, Glück und Zufriedenheit. Die Mimik wie auch die Gesten der abgebildeten Personen sprechen den Betrachter an und eröffnen ihm die Möglichkeit, in die Tiefe der menschlichen Seele und die Zerrissenheit des menschlichen Seins zu blicken. Sie lassen ihn erahnen, wie zerbrechlich, gefährdet, letztlich der Gnade Gottes ausgesetzt der Mensch ist. Bruno Bradt sucht und findet in jeder seiner Gestalten das Abbild des Schöpfers, zumal der christliche Glaube eine der Säulen seines Lebens ist. Seine Botschaft ist eindeutig: Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes und als Einheit von Körper und Geist zu betrachten. Dem Künstler geht es darum, „den anderen Menschen nicht mit dem Blick eines kritischen Richters zu sehen, der andere be- oder gar verurteilt, sondern mit dem Herzen“, wie es Susanne Leutsch formuliert. Um seine Bildaussage zu unterstreichen, schreibt Bradt gezielt ausgewählte Texte aus Liedern, Gedichten oder der Bibel in seine Zeichnungen hinein.

Die Retrospektive in Temeswar umfasst neben monumentalen Werken, die für das letzte Jahrzehnt repräsentativ sind, auch eine Reihe von Studien aus früheren Zeiten, so eine Porträtstudie, die bei der Landesolympiade der Kunstlyzeen aus Rumänien 1980 den ersten Preis erzielt hat. Die ausgestellten Arbeiten – unter anderem Teile der schon erwähnten Serie „Zwölf“, Fragmente aus dem 2019 fertiggestellten neunteiligen Monumentalwerk „Paule“, das Triptychon „Familie“, sein jüngstes Werk „Hoffnung“, Bilder aus dem Zyklus „Reich mir die Hand“, die vierteilige, dem berühmten russischen Clown Oleg Popov gewidmete Porträtreihe, „Nelu – der Nachdenkende, der Ratgebende, der Wegweisende“ (eine Hommage an seinen ehemaligen Temeswarer Kunstprofessor Ioan Perciun) sowie eine Reihe von Einzelporträts – stehen exemplarisch für Bradts Gesamtwerk.