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Langen Nacht der Münchner Museen mit drei Autorinnen aus dem Banat

Sigrid Katharina Eismann, Ilse Hehn und Ulrike Schmitzer (v.l.n.r.)

„Das Paprikaraumschiff“ (2020), „Roms Flair in flagranti“ (2020) und „Die gestohlene Erinnerung“ (2015) (v.l.n.r.)

Ilse Hehn, Sigrid Katharina Eismann und Ulrike Schmitzer, die im Rahmen der Langen Nacht der Münchner Museen im Haus des Deutschen Ostens aus ihrem Werk lesen, verbindet nicht die Herkunft. Vielmehr verbindet sie der donauschwäbische Geschichts-, Kultur- und Sprachraum als literarischer Topos, als thematischer Input, als symbolisches Bild- und Sprachreservoir.

Ein gemeinsames Phänomen dieses vielfältigen, Geschichts-, Kultur­ und Sprachraumes war die Literatur – in Hochdeutsch wie in der Mundart. Ihre Anfänge gehen bis auf das 17. Jahrhundert zurück. Zwei Jahrhunderte später waren – in Temeswar/Timișoara (Banat), Pest und Fünfkirchen/Pécs (Ungarn) – bedeutende lokale Zentren deutschsprachiger Literatur entstanden. Genau genommen muss man dabei statt von einer „donauschwäbischen Literatur“ von mindestens drei „Literaturen“ der deutschsprachigen Minderheiten sprechen, die man als „Donauschwaben“ bezeichnet: von einer ungarndeutschen; einer banatdeutschen Literatur; sowie von einer Literatur der Deutschen im ehemaligen Jugoslawien. Die Literatur im Banat bildete am frühesten ein eigenes „Regionalbewusstsein“ aus, die der Donauschwaben im ehemaligen Jugoslawien und in Ungarn zogen erst später nach. Ein weiteres Zentrum dieser Literatur entwickelte sich nach der Vertreibung und Aussiedlung in der Bundesrepublik und in Österreich. Mit dem Namen der Nobelpreisträgerin Herta Müller fand der Kultur­ und Literaturraum Banat Eingang in das Literaturbewusstsein der Bundesrepublik und Europas.

Die subtile Lyrikerin und Prosaautorin Ilse Hehn, die in der klassischen Tradition der philosophischen Dichtung Europas steht, war bereits in Rumänien eine bedeutende Repräsentantin der deutschsprachigen Banater Literatur. Sigrid Katharina Eismann begann hierzulande zu schreiben. Bevor sie vor wenigen Monaten ihren ersten Roman veröffentlichte, machte sie mit ihren postmodern-explosiven poetischen Texten auf sich aufmerksam. Ulrike Schmitzer, die im österreichischen Salzburg lebt und wirkt, ist Journalistin und Medienmacherin, die sich in ihren Texten sowie Film- und Fernsehproduktionen einem breiten Themenspektrum von der NS-Zeit bis hin zur Raumfahrt und Kunstgeschichte widmet.

16. Oktober 2021, 18.00–01.00 Uhr
Frauen schreiben Geschichte(n): Hehn, Eismann, Schmitzer

Ort: Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München

 

„Das Paprikaraumschiff“ (2020):

Lesung und Literaturtalk mit Sigrid Katharina Eismann
Moderation: Thomas M. Zehender (Ulm)

„Eismann nimmt uns mit auf eine faszinierende literarische Reise durch Zeit und Raum: Sie wirft pulsierende Schlaglichter auf ihr Leben im rumänischen Banat und in Hessen – mit großer Erzähllust und lebenspraller Sprache.“ Jörg Armbrüster, Südwestrundfunk.

Die literarische Aufarbeitung des Alltags im deutschrumänischen Banat vor dem Zusammenbruch des Ostblocks kommt voran, immer noch gibt es aber blinde Flecken in der mündlich überlieferten Geschichte. Genau dort landet der Roman „Das Paprikaraumschiff“ von Sigrid Katharina Eismann.

Migrationserfahrung einmal anders: In einer Art literarischer Familienzusammenführung berichtet die Autorin von ihrer Kindheit in den Siebzigern, Vorstadtgeschichten aus Temeswar, dem Klein-Wien des Ostens, von Überlebenskünstlern und vom Mut der kleinen Leute, der Zerrissenheit zwischen dem zwiespältigen Charme der Herkunft und der Überholspur des Mainbogens. Mit sechzehn emigrierte Sigrid Katharina Eismann Anfang der Achtziger nach Deutschland, nachdem ihre Eltern sechzehn Jahre lang auf die Ausreisegenehmigung aus der rumänischen Diktatur gewartet hatten. Mit dem Ausreisepass und der Freiheitsstatue im Kopf steigt das fünfköpfige Familienpaket in den Sonderzug, im Gepäck Biografien aus drei Generationen, Papiere und Wurzeln. Die Autorin lässt ihr Raumschiff in verschiedenen Zeiten und Orten der alten und neuen Heimat landen.

In Kooperation mit: danube books

 

„Roms Flair in flagranti“ (2020):

Lesung und Literaturtalk mit Ilse Hehn
Moderation: Lilia Antipow (HDO, München)

Lesen heißt Reisen, heißt heute Abend: Roms Flair in flagranti erwischen. Die Schriftstellerin und Künstlerin Ilse Hehn nimmt uns in ihrem Buch „Roms Flair in flagranti“ (2020) mit auf einen Spaziergang durch die Ewige Stadt, zeigt überraschende Eindrücke und fotografische Ausblicke, die kontrastreich und aus wechselnden Perspektiven den äußeren Glanz und den inneren Zerfall Roms erfassen.

Der wache Blick der Autorin führt durch eine Stadt, die offensichtlich noch immer voller Überraschungen steckt. Mit italienischen Einsprengseln changiert die Autorin zwischen Prosa, Lyrik und Aphorismus, zwischen kunstgeschichtlicher Betrachtung und ironischem Beiwerk, zwischen philosophischer Meditation und kessem Einschub.

 

„Die gestohlene Erinnerung“ (2015):

Lesung und Literaturtalk mit Ulrike Schmitzer
Moderation: Professor Dr. Andreas Otto Weber (HDO, München)

Eine Frau und ihre Mutter brechen in die ehemaligen Siedlungsgebiete der Donauschwaben nach Nordserbien auf, um die Wurzeln ihrer Familie zu suchen. Am Telefon mit dabei: die alte Großmutter. Vor der Abreise hat sie ihrer Enkelin vom Alltag in ihrer Heimat, vom Zweiten Weltkrieg und der Deportation in ein sowjetisches Arbeitslager erzählt. Im Auto hören sie sich diese Aufnahme an. Nach anfänglichem Wider­stand beginnt auch die Mutter, über den Krieg und die Flucht zu sprechen. Ihre Tochter findet allmählich eine Spur in die Vergangenheit.