Ende Oktober wurde im Bukowina-Institut eine ungewöhnliche Ausstellung zur Russlanddeportation eröffnet: Es geht dabei nicht um die historischen Umstände, Zahlen und Fakten. Sondern um Bilder, Porträts von alten Menschen, Zeitzeugen der Deportation. Ihre Geschichten hat sich der Fotograf Marc Schroeder angehört, er hat sie aufgezeichnet, aber sie sind nicht Gegenstand der Darstellung. Während des Erzählens hat Marc Schroeder seine Probanden fotografiert – schwarz-weiß, mit oft bewegter Gestik und Mimik. Danach hat er noch ein zweites Porträt von denselben Menschen gemacht – in Farbe, in ihrer aktuellen Wohnumgebung in Rumänien – in Siebenbürgen, der Bukowina, dem Banat oder dem Sathmarer Land. Bei der Eröffnung waren auch Vorstandsmitglieder des Kreisverbandes Augsburg der Banater Schwaben vertreten.
Eigentlich war der Luxemburger Schroeder 2010 nach Rumänien gekommen, weil er gehört hatte, dass die Siebenbürger Sachsen heute noch einen „letzeburgischen“ Dialekt sprechen würden. Die Idee faszinierte den reiselustigen Fotografen. Er sprach mit den Menschen in Siebenbürgen, die meist schon älter waren, über ihr Leben. Immer wieder kam das Thema Russlandverschleppung zur Sprache, ein Trauma dieser Generation. Schnell stellte Marc Schroeder fest, dass es in Rumänien noch andere Deutsche gab, die dasselbe erlebt hatten. Von 2012 bis 2015 reiste er durch die Lande und befragte mehr als 40 Zeitzeugen zu ihrer Deportation. Viele Erlebnisse wurden immer wieder erzählt, kamen als Motive in allen Erzählungen vor: Hunger, Kälte, Tod, Mangel, Sehnsucht, Hoffnung. Sie bildeten das „kollektive Gedächtnis“, das Schroeder in den sehr expressiven Einzelporträts festhielt.
Die Ausstellung, die seit 2017 bereits an verschiedenen Orten gezeigt wurde, ist im Bukowina-Institut so aufgebaut, dass die Schwarz-Weiß-Porträts an einer Seite hängen, gegenüber die Farb-Porträts. Auch einzelne Landschaftsaufnahmen sind eingestreut. Außer einem kurzen Einführungstext gibt es als Kommentar zu den Porträts nur Zitate aus den Aussagen der Befragten – kurz und prägnant. Zwischen den beiden Bilderreihen hängen Dokumente an Schnüren von der Decke: Postkarten, Briefe oder Bilder aus der Deportation. Kuratiert wird die Ausstellung von Heinke Fabritius, Kulturreferentin für Siebenbürgen, Bessarabien, Bukowina, Dobrudscha, Maramuresch, Moldau und die Walachei, die das Projekt von Marc Schroeder auch mit gefördert hat. Der seltsam anmutende Name „Order 7161“ bezieht sich auf den von Stalin am 16. Dezember 1944 unterzeichneten Befehl zur Deportation der ethnischen Deutschen aus mehreren Ländern zur Wiedergutmachungsarbeit in die Sowjetunion. Daraufhin wurden im Januar 1945 rund 70000 Rumäniendeutsche deportiert, sie stellten die größte Gruppe der Zwangsarbeiter.
Leider musste die Ausstellung pandemiebedingt kurz nach der Eröffnung wieder geschlossen werden. Die ersten Führungen und auch ein Workshop des Fotografen konnten noch stattfinden. Zur Finissage der Ausstellung am 8. Januar 2021 ist eine Lesung mit Texten von Herta Müller, Oskar Pastior und anderen geplant. Über die aktuellen Entwicklungen kann man sich auf der Homepage des Bukowina-Instituts unter www.bukowina-institut.de informieren. Ein Fotobuch mit den Zeugenaussagen ist in Vorbereitung. Für Vorbestellungen dazu kann man sich auf der Homepage von Marc Schroeder www.marcpschroeder.com registrieren lassen.