zur Druckansicht

Die Weite und der eigene seelische Raum

Nora Schütz Minorovics bei der Vernissage ihrer letzten Ausstellung in Herbolzheim am 15. September 2013. Foto: privat

Nora Schütz Minorovics: Häuser am Rande von Reschitza (Öl auf Leinwand, Spachteltechnik).

Die Banater Malerin wurde als Nora Schütz am 16. Februar 1934 in Temeswar geboren, wo ihr Vater eine gutgehende Kunsttischlerei betrieb. Schon früh fielen ihre musische Begabung und ihre Kunstsinnigkeit auf. Die jüngere Schwester des Vaters, Inhaberin eines Fotoateliers, brachte ihr das Fotografieren bei, was sich später von großem Nutzen erweisen sollte. Nora Schütz kam auch in den Genuss einer musikalischen Ausbildung und nahm Klavierunterricht bei dem bekannten Musiker Zeno Vancea.

Die historischen Umwälzungen der Nachkriegszeit verschonten auch ihre Familie nicht. Der Vater wurde zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt, die Mutter kam mit ihren beiden Töchtern eine Zeitlang auf dem großelterlichen Gut bei Großwardein unter, bis dieses enteignet wurde. Not und Geldknappheit prägten den Alltag der Familie. In diesen schwierigen Zeiten war nicht an eine künstlerische Ausbildung, die ihren Wünschen und Fähigkeiten eher entsprochen hätte, zu denken, und so nahm Nora Schütz 1952 ein Studium der Mathematik und Physik an der Universität Klausenburg auf. Ohne jegliche finanzielle Unterstützung, musste sie jedoch nach zwei Jahren aufgeben.

Nach der Eheschließung mit Zoltán Szalkay zieht das junge Paar 1955 nach Bukarest. Beim neu gegründeten Nationalen Filmstudio in Buftea finden beide eine Anstellung: er als Kameramann, sie als Standfotografin. Nora Szalkay-Schütz drängte es jedoch, sich künstlerisch auszubilden. Sie nimmt ein freies Studium der Foto- und Filmkunst sowie der Malerei und Grafik auf. Wertvolle Impulse erhält sie dabei von den Professoren Wilfried Ott, Constantin Piliuţă und Sorin lonescu. Sie übt sich im klassischen Akt- und Porträtstudium sowie in der Stillleben- und Landschaftsmalerei, doch ihre experimentierfreudige Natur drängt sie alsbald, nach neuen  Ausdrucksmöglichkeiten zu suchen.

Infolge der Sparmaßnahmen im Kulturbereich verlieren die Eheleute ihre Stelle und ziehen 1962 nach Eisenstadt (Hunedoara) um. Auch hier nimmt die Malerin am künstlerischen Leben teil. Nachdem ihre Ehe zerbricht, muss die alleinerziehende Mutter als Buchhalterin und Fotografin über die Runden kommen. 1972 heiratet sie Otto Minorovics und zieht ins Banater Bergland, nach Reschitza. In der Künstlerbiografie von Nora Schütz Minorovics waren die 1960er und 1970er Jahre eine sehr produktive und kreative Zeit. Nachdem sie 1962 Mitglied im Verein Bildender Künstler Rumäniens wurde, nimmt sie jede sich bietende Gelegenheit wahr und zeigt ihre Bilder in Einzel- und Gruppenausstellungen.

Charakteristisch für die Künstlerin ist das ständige Experimentieren, die Suche nach neuen Ausdrucksformen, nach individuellen Lösungen. Am Anfang ihrer Karriere schuf sie meistens impressionistisch inspirierte Landschaftsbilder in Öl-Spachtel-Technik, später symbolische Grafiken. Hinzu kamen dann schwarz-weiße Tuschebilder auf großformatigem Japanpapier. Aufsehen erregten ihre licht-dynamischen Experimentalprojektionen, die in der Kunstszene und in der rumäniendeutschen Presse großen Widerhall fanden. Durch das harmonische Zusammenwirken von Bild, Farbe, Licht, Musik und Bewegung entsteht ein einzigartiges dreidimensionales Gesamtkunstwerk. Darin würden „die Raum-Verteilung und das plastische Sehen, das Gegenständliche der Anfangszeit und das Abstrakte der Dia-Malerei zu einer überraschenden Synthese zusammenfinden“, schrieb damals Franz Storch in der Zeitschrift „Volk und Kultur“.

Von entscheidender Bedeutung für die Karriere der Künstlerin war das Jahr 1980, als sie ihre Werke in Venezuela zeigen konnte. Zwei Jahre später folgte eine Ausstellung im International Institute of Arts in Detroit (USA). Gleichzeitig kehrt Nora Schütz Minorovics dem kommunistischen Rumänien den Rücken und lässt sich in Freiburg nieder. Seit 1989 lebt und schafft sie in Herbolzheim-Broggingen. Ihr bis heute ungebrochenes künstlerisches Wirken belegen die zahlreichen Ausstellungen in Deutschland, aber auch in Schweden, Ungarn oder Österreich. Die Stadt Herbolzheim ehrte die Künstlerin 2008 für ihr Lebenswerk mit einer nach ihr benannten Räumlichkeit (Nora-Saal) im historischen Torhaus. In ständigen Wechselausstellungen sind hier ihre Bilder zu sehen, zuletzt (2013) Werke aus den Zyklen „Meditation“ und „Herbolzheimer Landschaften“. Einen umfassenden Einblick in über fünfzig erfolgreiche Schaffensjahre vermitteln die beiden von Zoltán Banner der Künstlerin gewidmeten Bände.

Die Bilder von Nora Schütz Minorovics zeichnen sich durch einen unverwechselbaren Stil aus. Ihre mit Spachtel geglätteten oder reliefartig behandelten abstrakten, farbenkräftigen Kompositionen sind teilweise in einer von ihr entwickelten Mischtechnik ausgeführt und in Zyklen gruppiert. Aus amorphen, verschwommenen Hintergründen erscheinen geometrische Formen, mal kantig, mal geschwungen. Impulsive Zufallseffekte mit reliefartigem Farbauftrag, fast kalligrafisch auf die Leinwand „geschrieben“, zeugen von Lust und Freude am Gestalten. Es sei ein „musikalischer abstrakter Expressionismus“, den ihre Werke ausstrahlen, befindet Zoltán Banner. Auffallend ist die Vielfalt ihrer gegenstandslosen Bilder, aber auch die auf Studienreisen  entstandenen Landschaften nehmen einen nicht zu übersehenden Platz ein.

Nora Schütz Minorovics feierte vor wenigen Tagen ihren 80. Geburtstag. Unsere Zeilen sind als eine bescheidene Gratulation gedacht im Sinne ihres Credos: „Die Größe und Weite des Universums ist von der Größe unseres eigenen seelischen Raumes bestimmt.“