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Reise auf den Spuren der Schneekönigin

Katharina Joanowitsch auf der Suche nach den Familienwurzeln im Banat - „Immer fand ich es spannend, dass mein Vater aus einem entfernten, mir gänzlich unbekannten Land kam. Ru-mä-nien!“ Die Hamburgerin Katharina Joanowitsch hat sich allerdings erst spät dazu entschlossen, die Spuren des längst verstorbenen Vaters, der als Kriegsverletzter in Hamburg geblieben war und dort eine Familie gegründet hatte, zu verfolgen. Anstoß dazu gab ihre Tante Elisabeth Niederkorn, Schwester des Vaters, die unter dem Namen Elisabeth Jürgens Schauspielerin am Temeswarer Deutschen Staatstheater (DSTT) war. Von 1952 bis 1964 reichen die Aufzeichnungen und Fotos im Tourneebuch der Tante, die damit zur ersten Schauspielergeneration des DSTT der Nachkriegszeit gehört. In ihrer Glanzrolle posierte sie als „Schneekönigin“. Dieses Bild und das ganze Album dienen als Grundlage für die Banat-Reise von Katharina Joanowitsch.

Doch nicht nur Theatergeschichte interessierte sie, sondern natürlich auch die Orte der Familiengeschichte in der Temeswarer Fabrikstadt – das von der Tante beschriebene Elternhaus, die Umgebung, die Gräber auf dem Friedhof. Mit großer Ernsthaftigkeit, bewaffnet mit einem Aufnahmegerät und in Begleitung des offenbar sehr hilfsbereiten individuellen Reiseleiters Adrian führt sie ihr Vorhaben aus. Die Reise führt über Temeswar hinaus in Ortschaften, die damals vom Deutschen Theater bei Ausfahrten bespielt wurden: Billed, Tschanad, Großsanktnikolaus, Hatzfeld – diese Orte wie auch Bogarosch, Gertianosch, Grabatz, Lenauheim, Lovrin, Marienfeld stehen im Tourneebuch. Zu diesen Heimatortsgemeinschaften hatte Katharina Joanowitsch auf Anraten ihres Reiseleiters bereits im Vorfeld Kontakt aufgenommen. Dadurch hat sie Zeitzeugen gefunden, die sich an Gastspiele erinnern können. Aber die Reisende merkt schnell: Die Gegenwart zeigt nur noch wenig von der Atmosphäre, die das Theateralbum suggeriert.

Eine zweitägige Reise führt auch ins Banater Bergland bis hin zur Donau. Es ist nicht erkennbar, ob diese Tour mit den Spuren der Tante zu tun hat, denn das Theater in Orawitz wird offenbar nicht besichtigt. Eine Zugfahrt mit der Banater Semmeringbahn durch die „14 Tunnels“ zwischen Orawitz und Anina sind dagegen ein Programmpunkt, ebenso wie Herkulesbad, Orschowa und das Eiserne Tor.

Mit viel Liebe zum Detail und guter Beobachtungsgabe, oft auch mit amüsierter ironischer Distanz schildert Katharina Joanowitsch ihre Eindrücke – kein Wunder, sie ist von Beruf Illustratorin und Designerin und hat einen Blick für Nuancen und Stimmungen. Auch die Sprachfärbung der ihr begegnenden Deutsch sprechenden Temeswarer, die sie sehr gut von ihrer Tante kennt, baut sie liebevoll in ihren Text ein. Für „Kenner“ des Banats mutet es seltsam an, wenn sie ohne ersichtlichen Grund unvermittelt rumänische Ortsbezeichnungen („Cenad“, „Cetate“, „Fabric“) verwendet, danach aber dann wieder die deutschen Namen dafür. Die seltsame Schreibweise von „Temeşwar“ auf dem Klappentext (mit rumänischem „ş“ vor dem w) und die Behauptung, das Banat habe „auch mal zu Deutschland“ gehört, sind wohl eher Fehler des Lektorats als der Autorin. Denn sie weiß es besser: „Zu guter Letzt“ liefert sie kurze sachliche Informationen zum Banat, den Banater Schwaben und dem Temeswarer Deutschen Theater, die das subjektive Bild ihrer Erzählung abrunden.

In ihrem Fazit betrachtet Katharina Joanowitsch die erste Annäherung an die Heimat ihres Vaters
jedenfalls als gelungen, auch wenn objektiv nicht viele Erkenntnisse zur Familiengeschichte dabei herausgekommen waren. Es folgten offenbar noch mehr Reisen nach und durch Rumänien und auch dem Ulmer Kultur- und Dokumentationszentrum stattete die Autorin bereits einen längeren Recherche-Besuch ab. Ihre Reise-Erinnerungen lesen sich jedenfalls kurzweilig und bringen durch ihren „Blick von außen“ auch für Banater ganz neue Perspektiven zutage.   

Katharina Joanowitsch: Auf den Spuren der Theatertante durch das Banat. Meine abenteuerliche Reise durch Rumänien. Reiseerzählung. Berlin: edition karo. Literaturverlag Josefine Rosalski, 2020. 135 Seiten. ISBN 978-3-945961-15-5. Preis: 15,00 Euro.