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Einzigartige Zeugnisse vergangener Zeit

Trachtenausstellung im Museum Einsender der Fotos: Stefan Ihas

Das Heimatmuseum wurde im Januar 2012, anlässlich der 60-Jahr-Feier der Donauschwabensiedlung Entre Rios eröffnet.

Wie haben die Donauschwaben in ihrer alten Heimat in Südosteuropa gelebt, gearbeitet, sich gekleidet? Welche Geräte benutzten sie in Haus und Hof, in der Landwirtschaft? Wie haben sie gewohnt, gefeiert und getrauert? Wie verlief die Geschichte dieser Volksgruppe? Wie fing es 1951 im brasilianischen Entre Rios an und wie entwickelte sich die Donauschwabensiedlung? Über all diese Themen gibt das Heimatmuseum in Entre Rios in Auskunft.

Das Museum wurde am 28. Oktober 1971 zur 20-Jahr-Feier der Siedlung Entre Rios und der Genossenschaft Agrária eröffnet mit dem Ziel, die geschichtlichen Fakten bezüglich der Volksgruppe der Donauschwaben sowie die Siedlungsgeschichte von Entre Rios zu präsentieren und nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die treibenden Kräfte hinter dem Museumsprojekt waren der langjährige Präsident der Genossenschaft Agrária Mathias Leh und die damalige Leiterin der Kulturabteilung Ingrid Schüssler. Untergebracht war das Museum zunächst im alten Büro der Agrária, das vorher als Schule gedient hatte. Genau 20 Jahre lang, bis kurz vor der 40-Jahr-Feier von Entre Rios, blieb das Museum an diesem Standort. Dann wurde ernsthaft über einen Neubau diskutiert, doch letztendlich entschloss man sich, das Museum im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Agrária unterzubringen.

Im Jahr 2012 erhielten die Exponate zum dritten Mal eine neue Bleibe. Da das Gebäude, welches das Museum beherbergte, nicht mehr den Anforderungen in Bezug auf die sichere Aufbewahrung der Bestände entsprach, wurde im Jahr 2010 der Bau eines neuen Museums beschlossen, das im Laufe des Jahres 2011 im Kulturzentrum „Mathias Leh“ errichtet wurde. Mit der Einweihung des Heimatmuseums während der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Gründung von Entre Rios am 5. Januar 2012 begann ein neues Kapitel in der Geschichte dieser Institution. Bereits im ersten Jahr verzeichnete das Museum 10178 Besucher, die sich von dessen moderner Struktur und der Präsentationsweise der einzigartigen Geschichte der Donauschwaben vom 18. Jahrhundert in Südosteuropa bis in die Gegenwart in Brasilien beeindruckt zeigten.

Im Heimatmuseum wird das Ergebnis jahrzehntelanger Sammel- und Forscherarbeit präsentiert. Im Vorfeld der Eröffnung des Museums 1971 begann das systematische Sammeln von Gegenständen. Durch persönliche Ansprache und Besuche von Haus zu Haus wurden die Bewohner überzeugt, geschichtsträchtige Objekte für das geplante Heimatmuseum zur Verfügung zu stellen. Aber auch freiwillig gespendete Objekte – auch aus dem Ausland – trugen wesentlich zum Gelingen des Projektes bei. Es gab außerdem kaum eine Europareise, bei der Mathias Leh nicht versucht hätte, zusätzliche Dokumente, hauptsächlich zur Geschichte von Flucht und Vertreibung, zu der von der Schweizer Europahilfe begleiteten Auswanderungsaktion nach Brasilien und zu den Anfängen der Siedlung in Entre Rios zu erhalten. Die Auswertung der gesammelten Archivalien führte in den 1980er Jahren zu ersten Buchveröffentlichungen zur Geschichte der Siedlung: „Entre Rios. Donauschwabensiedlung in Brasilien“ (Salzburg 1986) von Anton Hochgatterer und „Entre Rios. Agrargeographie der Donauschwabensiedlung in Paraná – Brasilien“ (Dissertation an der Universität Salzburg, 1987) von Josef Gappmaier. Bereits zur 25¬-Jahr--Feier 1976 hatte Jakob Lichtenberger den Band „Bildbericht einer donauschwäbischen Siedlung in Brasilien“ herausgegeben. Er war es auch, der als erster Interviews mit den Pionieren der Siedlung über Flucht und Vertreibung und die Anfangsjahre in Brasilien führte.

Die Sammel- und Dokumentationsarbeit wurde in den 1990er Jahren durch die im Oktober 1989 gegründete Historische Abteilung der Genossenschaft Agrária ausgedehnt. Deren erste Aufgabe bestand darin, die historischen Dokumente der Genossenschaft Agrária, die in der alten Weizenmühle gelagert waren, zu sichten und zu ordnen und auch die Dokumente der fünf Ortsgenossenschaften zusammenzutragen, um auf diese Weise die wertvollen Unterlagen sicherzustellen und der Forschung zugänglich zu machen. Außerdem wurden Interviews über die Dörfer, die Sitten und Bräuche, über das Leben der Geflüchteten und Vertriebenen in Österreich, die Auswanderung und die Anfangszeit in Entre Rios geführt. Zudem wurde im Hinblick auf das im Januar 1992 zu eröffnende „neue“ Museum in der ganzen Siedlung um Fotos und Gegenstände geworben, eine Aktion, in die auch die Leopoldina-Schule eingebunden war. In dieser Zeit erhielt das Museum in der Person von Madalena Remlinger auch eine eigene Leitung. Sie und ihre Mitarbeiter besuchten verschiedene Museen und Institute, um sich mit den gängigen Museumsstandards und modernen Aufbewahrungs- und Ausstellungstechniken vertraut zu machen. Seit 2008 ist das Historische Museum an die Donauschwäbisch-Brasilianische Kulturstiftung angegliedert.

Das Museum verwahrt eine Vielzahl historischer Objekte und wertvoller Dokumente, die mittels interaktiver Technologie in einer modern strukturierten Umgebung ausgestellt sind. Audiovisuelle Medientechnik ermöglicht es beispielsweise, dass den Besuchern weitgehend unbekannte Videos über die Flucht im Jahr 1944 und die Ankunft in Brasilien 1951 gezeigt werden. Fotografien aus der Zwischenkriegszeit erfüllen den gleichen Zweck, nämlich dem Publikum aus den verschiedensten Regionen Brasiliens und der ganzen Welt die Geschichte der Donauschwaben und der Siedlung Entre Rios anschaulich und lebhaft zu vermitteln.

Diese Geschichte wird auch von hunderten Exponaten erzählt, die in der Dauerausstellung bewundert werden können. Bilder, Möbel, Trachten, Haushaltsgegenstände, Arbeitsgeräte und vieles andere mehr gewähren Einblicke in das Alltags- und Arbeitsleben der Donauschwaben in Entre Rios seit 1951. Ausgestellt sind auch Gegenstände, Kleidung und Dokumente, die aus Europa mitgebracht wurden. Ein Blickfang ist die Siedlerstube mit den traditionellen blauen Möbeln, die von Josef Hermann, der aus Beočin (deutsch Beotschin) in der Batschka stammte, in Entre Rios angefertigt und von Maria Sposta, die aus Perjamosch im Banat kam, bemalt wurden.

Das Heimatmuseum bietet den Besuchern ein einzigartiges Panorama donauschwäbischen Lebens, Pioniergeistes und Einsatzes und sorgt dafür, dass die Geschichte der Pioniere in Entre Rios und ihrer Vorfahren bewahrt, dokumentiert und vermittelt wird. Interessenten können dem Museum unter www.suabios.com.br/
tour/ einen virtuellen Besuch abstatten.

1993 wurde die Bibliothek des Historischen Museums von Entre Rios mit dem Zweck eingerichtet, der Bevölkerung Lektüre in deutscher Sprache anzubieten. Die Bibliothek verfügt derzeit über einen umfangreichen Bestand an Büchern, Zeitschriften und Multimedia-Materialien. Überdies besitzt die Bibliothek eine spezifische Referenzsammlung über die Donauschwaben in Paraná und der Welt.