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Gegen die Gefährdungen der Zivilisation

Intelektueller Vordenker: Neuer Band mit Artikeln und Essays von Anton Georgescu erschienen - Im August 2019 ist ein neuer Band mit Artikeln und Essays von Anton Georgescu unter dem nicht ganz einfach übersetzbaren Titel „In-Certitudini civilizate“ („Zivilisierte Un-Gewissheiten“ wörtlich oder vielleicht sinngemäß doch eher „Un-Gewissheiten der Zivilisation“?) erschienen. Der Autor, der sich allmählich dem achtzigsten Lebensjahr nähert, wohnt als pensionierter Ingenieur in Reschitza und wirkt dort als einer der Vordenker eines kritischen Intellektuellenkreises neben und im Rahmen des Deutschen Forums. Er stammt ursprünglich aus Großsanktnikolaus, sein Vater, ein bekannter Arzt, war dort langjährig als Chirurg wie auch als Direktor des städtischen Krankenhauses tätig, seine Mutter stammte aus Österreich.

Dieser neue Band folgt einem anderen, bereits 2014 publizierten, inhaltlich ähnlich angelegten und gestalteten Buch Anton Georgescus, das unter dem Titel „Adunate din greşeală. Răfueli sentimentale“ („Aus Versehen gesammelt. Sentimentales Gerangel“) erschienen ist. In dessen vier Kapitel werden „Innere Resonanzen“ mit Reflexionen zu humanen Gegebenheiten wie dem „Schweigen“, dem Gefühl der „Scham“ usw., „Örtliche Erinnerungen“ mit Ausführungen zum „Mythos des Ortes“, zur Industrie- und Maschinenbauerstadt Reschitza und zu den Ereignissen des Jahres 1989, ebenso zu den „Optimistischen Sorgen“ der Gegenwart und Zukunft nach der demokratischen Wende und den nachwirkenden Schatten der Vergangenheit behandelt. Hinzukommt ein Kapitel mit Lektüreeindrücken, unter anderem zur romantischen Literatur Mihai Eminescus, zur Biographie Adrian Marinos oder zu den Romanen Fjodor M. Dostojewskis. 2013 ist übrigens bereits eine von Georgescu ins Rumänische übersetzte Broschüre einer meiner eigenen Texte, nämlich „Intelectualii în Europa de Sud-est“ („Die Intellektuellen in Südosteuropa“) erschienen.

Der neue Band umfasst sieben Kapitel. Er steht, wie im „Epilog“ nachdrücklich erwähnt, unter dem Prinzip der „Gerechtigkeit“, nachdem das Buch von 2014 im Zeichen des Grundwertes der „Freiheit“ stand. Im ersten Kapitel werden Gegebenheiten wie die „Existenz der Armen“ oder die Zeit „Großrumäniens“ behandelt, im zweiten geht es unter anderem um das Verhältnis von „Wissenschaft und Religion“. Die „Geringschätzung“ und die „Umwertung der Werte“ und anderes werden im dritten Kapitel angesprochen, die historischen Katastrophen des letzten Jahrhunderts und ihre albtraumhaften Folgewirkungen im öffentlichen Bewusstsein Rumäniens im vierten. Es folgen drei Kapitel mit weiteren kritischen Reflexionen zum Zeitgeschehen oder zur Lektüre bemerkenswerter Bücher. Unter den behandelten Buchveröffentlichungen findet sich auch die bekannte lokalgeschichtliche Arbeit von Hans Haas über das Adelsgeschlecht der Nákós in Großsanktnikolaus, durch deren sachkundige Rezeption Anton Georgescu nicht zuletzt seine bleibende Verbundenheit mit seiner ursprünglichen Heimatstadt zu erkennen gibt.

In seinen Büchern werden Ereignisse und Begebenheiten des Zeitgeschehens, bedenkliche und erschütternde Aspekte der kommunistischen Vergangenheit, lokalgeschichtliche Besonderheiten und Geschehnisse, ebenso aber auch allgemeine kulturelle, literarische, ethische, historische und zivilisationsgeschichtliche Fragen mit großem intellektuellem Ernst und Eindringlichkeit thematisiert. Dabei lässt der Autor eine breite und fundierte europäische Bildung, eine gute Übersicht über das intellektuelle und kulturelle wie auch das politische Zeitgeschehen in Rumänien, ein anspruchsvolles philosophisches Reflexionsvermögen und zugleich ein eigenständiges Denken erkennen. Er ist gleichsam ein vorzüglicher Beweis dessen, dass es den „südosteuropäischen Intellektuellen“ in seinen deutlich „wesensorientierten“, „essentialistischen“ Besonderheiten wie auch in seinem kenntnisreichen und zugleich kritisch-spannungsvollen Verhältnis zur westlichen Kultur tatsächlich gibt.

Als eine der prägnanten intellektuellen Botschaften seiner Bücher schreibt Anton Georgescu sinngemäß: „Aber trotzdem, das gründliche Rumänien hat in seiner Gesamtheit auch eine Neigung und Aussicht zur Regeneration, zur Verwertung seiner Knospen wie auch seiner Wurzeln. Unter der Bedingung (…), dass es diese Herausforderung nicht ablehnt, durch (…) Ablehnung des eigenen Wachstums und der Selbstbehauptung“. Wie könnte man den bis heute durch Belastungen der Vergangenheit und Selbstzweifel, aber doch auch durch konditionierte Möglichkeiten und Hoffnungen gekennzeichneten gegenwärtigen Zustand Rumäniens trefflicher beschreiben?    

Anton Georgescu: „Adunate din greşeală. Răfueli sentimentale“ („Aus Versehen gesammelt. Sentimentale Vorfälle“), Editura Banatul Montan, Reşiţa 2014, ISBN 978-973-1929-58-3; Anton Georgescu: „In-Certitudini civilizate“ („Zivilisierte Un-Gewissheiten“), Editura Banatul Montan, Reşiţa 2019, ISBN 978-973-1929-58-3.