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Auf das Wesentliche reduzierte Kunstwerke

Der Künstler Ingo Glass

Tamás Mydlo, Generalkonsul Ungarns in München, und Gabriela von Habsburg, Bildhauerin und Kunstprofessorin, gaben Dr. Ingo Glass bei der Vernissage seiner Ausstellung die Ehre.

Blick in die Ausstellung. Fotos: Ursula Glass

Ingo Glass stellt im Bundespatentgericht München aus - Im Bundespatentgericht in München (Cincinnatistraße 64) ist noch bis 18. Juli eine Ausstellung mit Plastiken von Ingo Glass und Malerei von Gisela Brunke-Mayerhofer zu sehen. Diese 47. Ausstellung der Reihe „Kunst im Bundespatentgericht“ wurde vor zahlreichem Publikum am 8. April eröffnet. Nach der Begrüßung der Gäste durch den Vorsitzenden des Fördervereins Kunst im Bundespatentgericht, Patentanwalt Sven-Erik Braitmayer, und den Grußworten der Präsidentin des Bundespatentgerichts, Beate Schmidt, führte Reinhard Fritz in das Werk von Dr. Ingo Glass ein. Der Maler und Grafiker lebt als freischaffender Künstler in München und ist Ehrenpräsident des Künstlerverbandes Neue Gruppe München. Im Folgenden veröffentlichen wir Auszüge aus seiner Ansprache bei der Vernissage.

Ingo Glass ist ein konkreter Künstler, d.h. die Werke wirken auf Grund ihrer eigenen Mittel und Gesetzmäßigkeiten ohne äußerliche Anlehnung an Naturerscheinungen. Wir erkennen geometrische Platten in den Grundformen Kreis, Quadrat und Dreieck, deren Fläche eine Öffnung hat, die auch wieder diese Grundformen erkennen lassen. Diese Flächen sind in den Elementarfarben Rot, Blau und Gelb lackiert und ergeben zusammengesteckt eine räumliche Figur. Ingo Glass stellt dabei aufgrund eigener physikalischer Erkenntnisse und wahrnehmungspsychologischer Erfahrungen die These auf, dass die Farbe Rot als Träger einer kreisenden Bewegung nur dem Kreis, dementsprechend Gelb als aggressive Farbe der aggressiven Form des Dreiecks und Blau als ruhige Farbe dem ausgeglichenen Quadrat zuzuweisen seien. Mit diesen farbigen Grundformen und deren Kombinationen schuf er im letzten Jahrzehnt ein markantes, eigenständiges und erstaunlich vielgestaltiges Werk.

Die Aluminiumplatten werden nach seinen Zeichnungen und Maßen mit einem computergesteuerten Laser präzise zugeschnitten. Das besorgt ein metallverarbeitender Betrieb. Nach der Feinbearbeitung dieser gesägten Formen durch den Künstler kommen die Teile zur Pulverlackierung in
einen Industriebetrieb. Bei diesem Verfahren treten die Spuren künstlerisch-handwerklicher Verarbeitung weitgehend zu Gunsten einer industriellen Produktionsweise zurück. Wichtig ist dem Künstler Ingo Glass nicht die künstlerisch bearbeitete Oberfläche, sondern die der Plastik zugrunde liegende geistige Vorstellung. Der Gedanke wird zum Gehalt des Werkes.

Das Besondere an diesen Plastiken ist ihre Konstruktion. Die Aluminiumplatten haben sowohl eine Außenform als Kreis, Dreieck oder Quadrat und eine darauf bezogene farbige Lackierung, als auch eine Innenform, die von der Außenform abweichen kann, aber nicht muss, und die Raum und Durchblick schafft. Die Platten werden nun zur endgültigen Form der Skulptur zusammengesteckt.
Mit diesen wenigen Vorgaben beginnt nun eine spielerische Kombination der farbigen Formen, die den Betrachter der Skulpturen stets aufs Neue fasziniert. Immer wieder tauchen überraschende Kombinationen auf. Die Plastiken schaffen Raum, ganz nach dem Motto des Künstlers, das nicht nur für ihn selber, sondern und ganz besonders auch für den Betrachter gilt: „Dem Geist Raum lassen – dem Raum Geist geben“.

Erlauben Sie mir jetzt einen kleinen Rückblick, der aufzuzeigen vermag, wie es zu diesen klaren Ergebnissen gekommen ist. Das Werk, das Ingo Glass in München seit 1980 entwickelte, beschäftigte sich zunächst mit architektonischen Formen. In diesen früheren Werken erzeugt er Raum als Zwischenraum. Er umschreibt den Raum mit präzise ausgesägten und im Winkel zusammengeschweißten Stahlplatten. Die Verwendung des Spitzbogens erinnert dabei an ein zentrales Architekturelement der Gotik. Seine monumentalen, bis zu 13 Meter hohen Kunstwerke sind ein unendliches Spiel mit Fläche und Raum, Farbe und Geometrie. Die Reinheit und Klarheit der Konstruktion lassen das Wesentliche, das Geistige in einer großen Vielfalt zum Vorschein treten.

Seine Arbeiten im öffentlichen Raum sind vor allem in Deutschland, Rumänien und Ungarn zu sehen. Hier sind vor allem die Großplastiken entlang der Donau zu erwähnen. Immer öffnen sich Tore der Verbindung. Und dass nach der Realisierung dieser Großplastiken Europa tatsächlich ein großes Stück näher zusammengerückt ist, bestärkt den Künstler in seiner Intention, denn Ingo Glass versteht sich als Europäer, seinen Geburtsort als „ein Europa en miniature“ und die Donau als völkerverbindenden Fluss.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Nach dem Kunststudium in Klausenburg trennt sich Ingo Glass von der figurativen Kunst in der Erkenntnis, dass es nach der von Constantin Brâncuşi geprägten eiförmigen Urform nichts mehr zu reduzieren gibt. Der Bauhaus-Theorie entnimmt er die Farbenzuordnung für die Grundformen, wobei er von dieser abweicht, indem er die Farben für das Quadrat und den Kreis umtauscht: Der Kreis als Symbol der Bewegung  und des Lebens wird ab nun rot statt blau und das Quadrat wird nun aufgrund seiner Assoziazion mit Ausgeglichenheit und Ruhe blau. Trotz strenger Geometrie und begrenztem Farbenvokabular ist seine Kunst besonders facettenreich. Sein Schaffen ermöglicht eine Rückkehr zur reinen Schönheit der Kunst. Die Plastiken fordern zur Meditation auf und zum Nachdenken über das Wesentliche, über etwas jenseits des Sichtbaren und Gegenständlichen. Sinnbildlich ist dabei oft ein Tor, eine Öffnung oder ein Übergang erkennbar.