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Mut zur Wahrheit und Aufklärung

Peter Weber (Mitte) mit Banater Landsleuten (von links): Werner und Monika Rollinger (Bakowaer) sowie Andreas Bartel mit Tochter Brigitte Unterreiner (Gertianoscher) Foto: Heimatmuseum Vilsbiburg – Kröninger Hafnermuseum

Im Herbst 1944 flüchtete Susanne Weber zusammen mit ihrem elfjährigen Sohn Hans und ihren Eltern aus Gertianosch vor der heranrückenden Roten Armee Richtung Westen. Es war ein Weg ins Ungewisse, der nach gut 15 Monaten in Niederbayern endete. Auf einem Bauernhof in Gassau (Gemeinde Bonbruck) fand die Familie eine provisorische Bleibe. Hierher kam das Familienoberhaupt Peter Weber nach seiner Entlassung aus englischer Kriegsgefangenschaft und hier wurde Peter Weber als zweiter Sohn der Familie 1949 geboren. 1953 zogen die Webers in die nahe gelegene Kleinstadt Vilsbiburg um, wo sie bis zum Bezug ihres neugebauten Hauses in München lebten. Peter Weber besuchte hier die Grundschule und kehrte nach sechzig Jahren hierher zurück, um über die Geschichte seiner Familie zu referieren. Diese hatte er zusammen mit seinem älteren Bruder Hans 2018 in Buchform in der von der Landsmannschaft der Banater Schwaben herausgegebenen Buchreihe „Banater Bibliothek“ veröffentlicht.

„Kindheit, Krieg und neue Heimat. Aus dem Banat nach Bayern – Rückblick“ lautet der Titel des Buches, das Peter Weber am 24. Januar einem interessierten Publikum im Heimatmuseum Vilsbiburg vorstellte. Unter den Gästen befanden sich auch einige aus dem Banat stammende Landsleute, sogar aus Gertianosch. Der Referent ordnete die Geschichte seiner Familie in das Zeitgeschehen ein und veranschaulichte seine Ausführungen mittels zahlreicher Fotos und Faksimiles von Dokumenten.

Das vorgestellte Buch gehört zum Genre der autobiografischen Erinnerung. Dabei teilten sich die beiden Brüder die Aufgaben: Der wesentlich ältere Hans Weber schrieb, auch von seinem Bruder Peter angeregt, seine Erinnerungen an die Kindheit im Banat, an das Dorfleben, die Kriegsjahre, die beschwerliche Flucht und den steinigen Neuanfang in Deutschland nieder. Und Peter Weber untermauerte die Familiengeschichte dokumentarisch. Er wollte den Dingen auf den Grund gehen, er wollte mehr in Erfahrung bringen über Kriegsteilnahme und Gefangenschaft des Vaters, worüber sich dieser ausschwieg, er wollte hinreichende Antworten auf ungeklärte Fragen finden. Als Peter Weber 2009 in Rente ging, hatte er endlich Zeit, sich auf die Spuren der spannenden Familiengeschichte zu begeben. Zunächst sichtete er gemeinsam mit seinem Bruder die von den Eltern sorgsam aufbewahrten Dokumente. Er machte sich mit der einschlägigen Literatur vertraut, recherchierte über das Internet in zahlreichen Archiven, kontaktierte Historiker in Estland und in der Gedenkstätte des KZ Neuengamme, um den Weg des Vaters durch Krieg und Kriegsgefangenschaft nachzuzeichnen, begab sich auf die Spuren der Familie nach Gertianosch und nach Eltschowitz (heute Lčovice in der Tschechischen Republik), wo diese auf der Flucht 1944/45 überwintert hatte. Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen setzte er gemeinsam mit seinem Bruder die eigene Familiengeschichte zusammen, die – so Hans Weber in seinem Vorwort – auch ein Stück Geschichte der Banater Schwaben ist und, könnte man hinzufügen, an das Schicksal der etwa zwölf Millionen Vertriebenen der Ostgebiete erinnert.

Das Publikum verfolgte Peter Webers Vortrag aufmerksam und interessiert. Dass seine Ausführungen dankbar angenommen wurden und bei den anwesenden Banater Schwaben nachwirkten, zeigen die an ihn gerichteten Rückmeldungen. Museumsleiterin Annika Janßen dankte für den spannenden und gut präsentierten Vortrag. Und Brigitte Unterreiner, die zusammen mit ihrem Vater Andreas Bartel an der Veranstaltung teilgenommen hatte, schrieb: „Den ganzen Freitag ist mir Ihr Vortrag nicht mehr aus dem Kopf gegangen und heute (weil samstags mein Vater immer zu uns zum Essen kommt) haben wir sehr intensiv darüber gesprochen. Sie haben den Vortrag wunderbar vorbereitet und bestimmt viel Zeit und Mühe in die Recherchen investiert. Mir persönlich hat die Lesung sehr gut gefallen…“

Werner Rollinger, aus Bakowa stammend, fand lobende Worte für den beeindruckenden, sehr aufschlussreichen Vortrag, „der tiefe Spuren hinterlassen hat – im positiven Sinne“. „Ich hätte mir schon früher solche Leute mit Mut zur Wahrheit und Aufklärung gewünscht“, schreibt er und zollt dem Referenten Respekt.