Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

Sätze und Texte für Richard Wagner

Richard Wagner, „einer der markantesten deutschen Schriftsteller und Essayisten“ (Walter Engel), wurde im vergangenen Jahr 65. Zu diesem Anlass erschien in Heft 1/2017 der Zeitschrift „Spiegelungen“ eine von Anton Sterbling realisierte Zusammenstellung unter der Überschrift „Ein Satz für Richard Wagner“. Sie enthält Gratulationen „von Freunden, Weggefährten, Kollegen und
guten Bekannten“, die sich zu einer vielschichtigen Hommage an den schwerkranken Schriftsteller fügen. Zum gleichen Anlass sind in der ersten Hälfte des Jahres 2017 auch zwei Bücher veröffentlicht worden: „Gold“, eine Auswahl von Gedichten Richard Wagners, und „Poetologik“, ein Gesprächsband, ergänzt durch eine Zusammenstellung poetologischer Texte des Autors. Die beiden Bände sind auf Initiative und unter maßgeblicher Beteiligung der Literaturwissenschaftlerin Christina Rossi entstanden, die auch das Gespräch mit Wagner geführt hatte. Als wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas in München war sie für die Sicherung und Archivierung des dort aufbewahrten Vorlasses von Richard Wagner zuständig, der mittlerweile zu Forschungszwecken zugänglich ist.

Als Ergänzung und Fortsetzung der genannten Publikationen brachte der Ludwigsburger Pop Verlag pünktlich zur diesjährigen Leipziger Buchmesse, bei der Rumänien Schwerpunktland war, einen weiteren Band heraus mit dem Titel „Die Sprache, die auf das Nichts folgt, die kennen wir nicht. Sätze und Texte für Richard Wagner“. Die beiden Herausgeber Horst Samson und Anton Sterbling vereinten darin die in den „Spiegelungen“ erschienenen Gratulationssätze, eine Auswahl von dreizehn Gedichten Richard Wagners aus verschiedenen Schaffensphasen des Autors sowie eine Vielzahl von literarischen, essayistischen und literaturwissenschaftlichen Texten, die Freunde, Weggefährten, Bekannte beisteuerten. Das 318 Seiten starke Buch ist mit Grafiken und Malereien des aus Perjamosch, dem Geburtsort Richard Wagners, stammenden Künstlers Walter Andreas Kirchner illustriert.

Neben den Gedichten von Ilse Hehn, Traian Pop, Horst Samson und Hellmut Seiler sind die Lyrik- und Prosatexte der ehemaligen Mitglieder der „Aktionsgruppe Banat“, deren Kopf Richard Wagner war, besonders hervorzuheben. Ein literarischer Leckerbissen ist Werner Kremms Poem „Periamportbewusstsein. In memoriam August 1974“, das die Akteure der Aktionsgruppe Banat in ihren Jugendjahren vor uns erstehen lässt. Dieser Text galt lange als verschollen. William Totok hat eine sehr schlecht leserliche Kopie des Textes unter den Dokumenten gefunden, die von der Securitate 1975 bei ihm beschlagnahmt wurden und die er nach seiner monatelangen Untersuchungshaft, nach hartnäckigen Verhandlungen, zurückerstattet bekam. Anhand dieser Kopie rekonstruierte Kremm den im September 1974 geschriebenen Text.

Etwas Originelles ließ sich Johann Lippet einfallen: Aus Gedichtüberschriften und Gedichtzeilen, die aus einer Reihe von Veröffentlichungen Wagners stammen, montierte er einen Text mit dem Titel „ich könnte meinen kopf zum museum erklären oder Richard Wagner in Selbstzeugnissen“. Das Gedicht, dessen Erstveröffentlichung in den „Spiegelungen“ (Heft 1/2017) erfolgte, überzeugt in seiner poetischen Funktionalität und in seiner Eigenständigkeit.

Eine willkommene Wiederentdeckung ist Gerhard Ortinaus Satire „die letzte banater story“. Der „offene brief eines auf den mond verschlagenen“ ist erstmals vor mehr als vier Jahrzehnten in Rumänien erschienen und nimmt einiges von dem, was für Ortinaus Landsleute, die Banater Schwaben, identitätsstiftend war oder als solches zu gelten hatte, auf die Schippe. Manches mutet kafkaesk an, der ironische Ton und die Selbstironie, von der auch die Aktionsgruppe selbst nicht ausgenommen wird, sind durchgehend, der „offene brief“ wirkt bis heute frisch. Ortinaus Prosastück steht Anton Sterblings Fragment „Die serbische Katze, die nie nach Horka kam“ aus dem unfertigen gleichnamigen Roman gegenüber. Jahrzehnte später schreibt er die Satire quasi fort.

Im letzten Teil des Bandes sind Essays und literaturwissenschaftliche Beiträge versammelt, wovon die meisten einen Bezug zu Richard Wagner aufweisen und verschiedene Facetten des Autors und seines Werkes ausleuchten. Zum Teil handelt es sich um bereits an anderen Stellen erschienene Texte, wie Gerhardt Csejkas Essay „Richards Mühle: mahlend vom Rand zur Mitte oder Klartext Ost und Klartext West“ (erschienen in „Spiegelungen“, Heft 1/2017) oder der von Franz Heinz in der „Banater Post“ vom 15. September 2017 erstveröffentlichte Essay „Man darf… Dialog über das Schreiben, Lesen und Reden“. Der Literaturwissenschaftler Walter Engel steuerte ein von ihm mit Wagner 1996 geführtes Gespräch bei (auch in dem von der Landsmannschaft der Banater Schwaben herausgegebenen Band „Blickpunkt Banat“ enthalten) sowie eine Studie zu Wagners Erzählung „Herr Parkinson“, die er vor zwei Jahren bei der Internationalen Germanistik-Tagung in Temeswar vorgelegt hatte. Neue Erkenntnisse über den „jungen Richard Wagner“ liefert Stefan Sienerths Beitrag „Zeugnisse früher Prägung“, der auf der Auswertung eines im Vorlass des Schriftstellers aufbewahrten Briefwechsels zwischen Wagner und einer jungen Frau in den Jahren 1969-1971 basiert und dem von Harald Heppner und Mira Miladinović Zalaznik 2015 herausgegebenen Band „Provinz als Denk- und Lebensform. Der Donau-Karpatenraum im langen 19. Jahrhundert“ entnommen ist.

Weitere Essays und Beiträge für den Richard Wagner gewidmeten Band stellten Georg Aescht, Wolfgang Dahmen, Rudolf Herbert, Ingo Langner und Peter Motzan zur Verfügung.

Gerade in seiner Heterogenität liegen die Stärken des hier vorgestellten Bandes, dessen Titel übrigens an eine Aussage Richard Wagners aus dem Interview mit Christina Rossi angelehnt ist. Den Herausgebern ist es gelungen, eine genremäßig und thematisch breitgefächerte Textsammlung zusammenzustellen, die sich als Ehrung und Würdigung ihres Schriftstellerfreundes versteht.   

Horst Samson und Anton Sterbling (Hrsg.): „Die Sprache, die auf das Nichts folgt, die kennen wir nicht“. Sätze und Texte für Richard Wagner. Mit Grafiken und Malereien von Walter Andreas Kirchner. Ludwigsburg: Pop Verlag, 2018. 318 Seiten. ISBN 978-3-86356-174-1. Preis: 23 Euro